Belgien: Das kleine sprachlich zweigeteilte Land im Herzen Europas
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Belgien: Geschichte, Politik, Bevölkerung und Geografie

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Brüssel: Menschen betrachten den Blumenteppich auf dem Grand Place. Der aus mehr als 500 000 Blumen bestehende Teppich ist dieses Jahr dem mexikanischen Bundesstaat Guanajuato gewidmet
Belgien ist unter anderem für seine Hauptstadt Brüssel bekannt © picture alliance/dpa | Virginia Mayo

Belgien ist ein Zufall der europäischen Geschichte und heute vor allem für die Hauptstadt Brüssel als Sitz der EU und vielfältige kulinarische Klischees vom Bier bis zu den besten Pommes frites der Welt bekannt.

  • Belgien wurde erst 1830 ein unabhängiger Staat.
  • Das Land ist offiziell dreisprachig.
  • Staatsoberhaupt ist seit 2013 König Philippe.

Brüssel – Mit einer Fläche von knapp über 30.000 Quadratkilometern gehört Belgien zu den kleineren Ländern Europas. Der noch junge Staat steckt voller Kontraste, die sich vor allem aus dem eher unbequemen Nebeneinander der beiden Landesteile Flandern und der Wallonie ergeben. Geeint werden sie durch die Monarchie mit Philippe, König der Belgier an der Spitze.

Belgien: Der lange Weg zur Unabhängigkeit

Die Geschichte des heutigen Belgien begann mit der Ankunft römischer Truppen im 1. Jahrhundert vor Christus. Julius Caesar unterwarf die dort siedelnden keltischen Stämme und gab der neuen römischen Provinz den Namen Belgica nach dem Stamm der Belger. Den Römern folgten im frühen Mittelalter die Franken. Zu deren Zeit entstand die Sprachgrenze, die Belgien bis heute durchzieht: romanische Sprachen im Süden, germanische Sprachen im Norden.

Im Hochmittelalter zerfiel das fränkische Großreich in zahlreiche kleinere Staaten, von denen das Herzogtum Burgund dominierte. Mit der Übernahme der Region durch das Haus Habsburg entstanden im 16. Jahrhundert die Spanischen Niederlande. Der nördliche Teil erklärte 1648 seine Unabhängigkeit und wurde zur Keimzelle der modernen (protestantischen) Niederlande. Der südliche Teil fiel später unter die Regentschaft der österreichischen Habsburger und war kurze Zeit Teil des französischen Reiches von Napoleon Bonaparte. Dieser erlebte auf belgischem Boden in Waterloo 1815 seine letzte große Niederlage.

Belgien: Ein neuer Staat entsteht

Nach dem Ende Napoleons wurde das Gebiet der österreichischen Niederlande auf dem Wiener Kongress den nördlichen Niederlanden zugeschlagen. Dies führte jedoch vor allem in den französischsprachigen Städten wie Brüssel und Lüttich zu Unruhen. Im August 1830 löste eine Aufführung im Brüsseler Opernhaus La Monnaie einen Aufruhr aus, der schließlich in der belgischen Revolution endete. Am 4. Oktober 1830 erklärte Belgien seine Unabhängigkeit und wählte für den neuen Staat den Namen, den Julius Caesar einst seiner Provinz gegeben hatte.

Belgien entschied sich für die Monarchie als Staatsform und bot dem deutschen Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg-Saalfeld den Thron an. Er wählte den bis heute gebräuchlichen Titel „König der Belgier“ statt „König von Belgien“. Dieser verweist darauf, dass das Volk dem König seine Macht verleiht und er keinen Anspruch auf das Territorium hat. Von Anfang an gärte im Staat der Sprachenstreit: Französisch wurde als alleinige Verwaltungssprache bestimmt, obwohl die Mehrheit der Bevölkerung einen der vielen niederländisch-flämischen Dialekte sprach.

Belgien im 20. Jahrhundert

Die Wallonie, das französischsprachige Gebiet im südlichen Belgien, dominierte aufgrund reicher Bodenschätze und hoher Industrialisierung auch wirtschaftlich. Zugleich wurde Belgien unter König Leopold II. zur Kolonialmacht, die den Kongo im Herzen Afrikas hemmungslos ausbeutete. Erst im 20. Jahrhundert wandelten sich die Verhältnisse: Während die Wallonie mit dem Ende klassischer Industriezweige verarmte, stieg Flandern wirtschaftlich auf und forderte immer selbstbewusster die Gleichberechtigung der niederländischen Sprache.

Im 20. Jahrhundert fand sich das Land in beiden Weltkriegen als Schauplatz bitterer Schlachten wieder. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das kleine deutschsprachige Gebiet in der Eifel um Eupen und Malmedy offiziell Belgien zugeschlagen. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich der Staat zum neuen Zentrum Europas. Schon 1967 entstand in Brüssel das Hauptquartier der NATO, später folgten die Institutionen der EU.

Belgien: Eine komplizierte Politik

Belgien ist eine konstitutionelle parlamentarische Erbmonarchie mit einem König an der Spitze. Der heutige König Philippe übernahm den Thron 2013 nach der Abdankung seines Vaters Albert II.. An erster Stelle der Thronfolge steht mit Kronprinzessin Elisabeth erstmals eine Frau.

Die eigentliche Politik wird in Belgien von der Föderalregierung betrieben, die sich aus einem Premierminister und seinem Ministerrat zusammensetzt. Aufgrund der komplizierten Verhältnisse gestaltet sich die Regierungsbildung in Belgien meist schwierig. Zuletzt vergingen zwischen den Wahlen und der Bekanntgabe einer neuen Regierung 16 Monate. Premierminister wurde im September 2020 der flämische Liberale Alexander de Croo. An der Regierung, die unter dem Namen Vivaldi-Koalition bekannt wurde, sind sieben Parteien beteiligt: Die Sozialdemokraten, die Liberalen und Grünen jeweils doppelt (flämisch und wallonisch) und die flämischen Christdemokraten.

Außen vor blieben die beiden eigentlich größten Parteien Flanderns: Die konservative Neu-Flämische Allianz (N-VA) und der rechtsextreme Vlaams Belang (Flämische Interessen), die sich beide für ein unabhängiges Flandern einsetzen.

Belgien: Fakten im Überblick

  • Hauptstadt: Brüssel
  • Amtssprachen: Französisch, Niederländisch, Deutsch
  • Fläche: 30.688 Quadratkilometer
  • Einwohnerzahl: 11.431.406 (Stand Januar 2019)
  • Verwaltungsgliederung: drei Regionen (Flandern, Wallonie, Brüssel-Hauptstadt)
  • Religion: 75 % katholisch, 1 % protestantisch, 8 % muslimisch

Belgien: Sprache und Bevölkerung

Die drei Verwaltungsregionen sind nicht deckungsgleich mit den drei Sprachgebieten von Belgien. Es handelt sich um:

  • das niederländisch/flämischsprachige Flandern im Norden (57,6 % der Bevölkerung)
  • die französischsprachige Wallonie im Süden (31,8 % der Bevölkerung)
  • die deutschsprachige Gemeinschaft Ostbelgien (0,7 % der Bevölkerung)

Die restlichen 10,6 Prozent entfallen auf die zweisprachige Region Brüssel-Hauptstadt. Die Sprache Flanderns wird wechselweise Niederländisch, Belgisches Niederländisch oder Flämisch genannt. Vom Niederländisch der nördlichen Niederlande unterscheidet sich das Flämische vor allem durch den anderen Klang und die Verwendung einiger abweichender Wörter, die zumeist aus dem Französischen übernommen wurden.

Im 21. Jahrhundert wuchs die Zahl der Migranten in Belgien stark. So besaß schon 2012 ein Viertel der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Zu den wichtigsten Herkunftsländern gehören Marokko, die Türkei, Italien und der Kongo sowie seit einigen Jahren Rumänien und Bulgarien.

Belgien: Geografie und Städte

Belgien ist auch in der Geografie zweigeteilt. Im nördlichen Flandern dominieren flache Ebenen, die stark landwirtschaftlich genutzt werden. Die südliche Wallonie ist von den Höhenzügen der waldreichen Ardennen geprägt. In den Tälern der Maas und Sambre wurde ab 1830 erstmals in Europa in großem Stil Steinkohle gefördert. Der höchste Berg des Landes ist die 694 Meter hohe Botrange im Hohen Venn nahe der deutschen Grenze. Mit dem künstlich aufgeschütteten Baltia-Hügel wurde die Botrange auf 700 Meter hochgemogelt.

Die größten Städte Belgiens im Überblick:

RangNameEinwohnerRegion
1Antwerpen520.504Flandern
2Gent259.083Flandern
3Charleroi201.256Wallonie
4Lüttich197.885Wallonie
5Brüssel176.545Brüssel-Hauptstadt
6Schaerbeek133.042Brüssel-Hauptstadt
7Anderlecht118.241Brüssel-Hauptstadt
8Brügge118.187Flandern
9Namur110.291Wallonie
10Löwen100.291Flandern

Wirtschaftlich dominiert der Dienstleistungssektor mit einem Anteil von 77 Prozent weit vor der Industrie und der Landwirtschaft. Auch der Tourismus spielt eine bedeutende Rolle. Maßgeblichen Anteil daran haben die flämischen Städte Brügge, Gent und Antwerpen, die auch als „Goldenes Dreieck“ bezeichnet werden, sowie die Badeorte an der belgischen Nordseeküste.

Belgien: Wissenswertes zum Land

Belgien ist berühmt für seine reiche Geschichte und seine Kulturschätze. Zu den Künstlern, die die flämische Malerei hervorbrachte, gehören Pieter Bruegel der Ältere, Peter Paul Rubens und Jan van Eyck. Belgische Berühmtheiten des frühen 20. Jahrhunderts waren der Surrealist René Magritte und der Architekt Victor Horta, dessen Jugendstilbauten das Bild der Hauptstadt Brüssel prägen. In einem von ihm errichteten Kaufhaus ist heute das Belgische Comic-Zentrum untergebracht, das sich einem anderen belgischen Exportschlager widmet. Figuren wie Tim und Struppi von Hergé, Lucky Luke von Morris und die Schlümpfe von Peyo sind heute in aller Welt bekannt.

Die belgische Küche wird vor allem für drei Dinge geliebt: Pommes frites, Pralinen und Waffeln. Belgien gilt bis heute als das Land mit dem weltweit höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Pommes frites. Sie werden an unzähligen Verkaufsständen (Frietkot oder Friterie genannt) mit einer großen Auswahl an Soßen verkauft. Daneben bietet Belgien eine enorme Vielfalt an Bieren wie die traditionsreichen Abtei- und Trappistenbiere, die säuerlichen Lambics und Fruchtbiere wie Kriek (mit Kirsche) und Framboos (mit HimbeereWirtschaftlich dominiert der Dienstleistungssektor mit einem Anteil von 77 Prozent weit vor der Industrie und der Landwirtschaft. Auch der Tourismus spielt eine bedeutende Rolle. Maßgeblichen Anteil daran haben die flämischen Städte Brügge, Gent und Antwerpen, die auch als „Goldenes Dreieck“ bezeichnet werden, sowie die Badeorte an der belgischen Nordseeküste.

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