Ältestes Haus im Dorf vor Abriss gerettet: Paar saniert Fachwerkhaus von 1774
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Ältestes Haus im Dorf vor Abriss gerettet: Paar saniert Fachwerkhaus von 1774

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Es gab schon Abrisspläne: Rund 20 Jahre lang stand das Haus leer und schien dem Verfall geweiht. Nun wird es von einem Paar saniert.

Berghofen – Es gab schon Pläne, das 25 mal 7 Meter große Haus Röse aus dem Jahr 1774 in der Dorfmitte von Berghofen (Landkreis Waldeck-Frankenberg in Nordhessen) abzureißen und an dieser Stelle einen Dorfplatz zu errichten. Doch gegen die Abrisspläne legte das Amt für Denkmalpflege sein Veto ein. Schließlich handele es sich bei dem Komplex – einer früheren Scheune und einem landwirtschaftlichen Wohnhaus – um ein Einzelkulturdenkmal. Für die früheren Besitzer kam eine Sanierung jedoch nicht in Betracht. Und weil man das Gebäude nicht abreißen durfte, gammelte der Komplex über zwei Jahrzehnte unbewohnt vor sich hin.

Sanierung des landwirtschaftlichen Gebäudes Röse: Manuela Sehr und Marco Westerink bauen seit rund vier Jahren das älteste Haus in Berghofen aus dem Jahr 1774 um. Unser Bild zeigt die beiden vor ihrem Camper, in dem Marco Westerink seit 20 Jahren lebt.
Sanierung des landwirtschaftlichen Gebäudes Röse: Manuela Sehr und Marco Westerink bauen seit rund vier Jahren das älteste Haus in Berghofen aus dem Jahr 1774 um. Unser Bild zeigt die beiden vor ihrem Camper, in dem Marco Westerink seit 20 Jahren lebt. © Thomas Hoffmeister

Über eine Online-Anzeige wurden Manuela Sehr (51) und ihr niederländischer Lebenspartner Marco Westerink (55) vor ziemlich genau vier Jahren – über Pfingsten 2020 – auf das Gebäude aufmerksam. „Wir standen mit unserem Camper am Ufer der Lahn in Marburg und sind gleich mit dem Motorrad hingefahren“, berichtet Marco Westerink.

„Ich mache alles und kann nix“ – Paar saniert Fachwerkhaus in Berghofen auf eigene Faust

Wo andere Interessenten die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hatten, sah Marco Westerink, der im Sommer Zelte bei Festivals verleiht, plötzlich eine große Chance. „Es ist nicht das erste Haus, das ich saniere“, sagt Westerink, der nach eigenen Aussagen „nichts gelernt hat“, aber handwerklich sehr begabt ist. „Ich mache alles und kann nix“, sagt der Mann mit den Rasta-Locken und grinst. Worauf er sich eingelassen hat, wurde ihm und seiner Lebensgefährtin Manuela Sehr aber wohl erst später bewusst.

Etwa ein Jahr habe es allein gedauert, das Haus zu entrümpeln und auszuräumen, berichtet Manuela Sehr. Ganze Wohnräume seien mit Efeu zugewachsen gewesen, die meisten Balken morsch und lose, es gab keine Bodenplatte und nur niedrige Räume, in denen man nicht aufrecht stehen konnte. „Aber es gibt ein funktionierendes Badezimmer“, sagt Marco Westerink, der vieles nicht so verbissen sieht.

Mit Lehmbausteinen: Manuela Sehr und Marco Westerink im Inneren ihres Hauses, wo später das Wohn- und Esszimmer entstehen wird.
Mit Lehmbausteinen: Manuela Sehr und Marco Westerink im Inneren ihres Hauses, wo später das Wohn- und Esszimmer entstehen wird. © Hoffmeister, Thomas

Seit vier Jahren im Wohnmobil – Fachwerkhaus in Berghofen soll feste Bleibe werden

Seit vier Jahren wohnen Manuela Sehr und und Marco Westerink nun in ihrem Wohnmobil neben dem Haus Röse. Manuela arbeitet als Kinderkrankenschwester in Marburg, Marco Vollzeit am Haus. Bis auf einige Dinge, für die er fachkundige Hilfe benötigt – beispielsweise von einem Zimmermann, Heizungsbauern oder einem Elektriker – macht er alles selbst. „Sechs Tage arbeite ich auf der Baustelle, sonntags fahren wir durch Hessen und Niedersachsen“, berichtet der Bauherr.

Viele der benötigten Baustoffe habe er in Kleinanzeigen im Internet entdeckt und nach Berghofen geholt. Zum Beispiel Eichenbalken, alte Fliesen, eine Tischplatte und zahlreiche Pflastersteine. Viele Eichenbalken musste Marco Westerink erneuern – überwiegend in Zusammenarbeit mit Zimmermeister Mario Holzapfel aus Eifa.

„Die Leute haben ihre Türen geöffnet für so ein paar Hippies wie uns.“

Manuela Sehr über die Hilfsbereitschaft der Berghöfer

Die historischen Gefache des Hauses hätte er gern erhalten, sagt Westerink. Doch das sei nicht möglich gewesen. „Da war überall der Holzwurm drin.“ Alternativ entschied er sich für Lehmbausteine und einen Kalktrassmörtel, der die Wände „atmen“ lässt, aber gleichzeitig dämmend wirkt. Ganz wichtig sind den Bauherren natürliche Baustoffe.

Er habe jeden Stein und fast jeden Balken in der Hand gehabt, im Erdgeschoss den ganzen Boden „komplett rausgehackt“ und danach Punktfundamente gesetzt, berichtet Marco Westerink.

200.000 Euro Kosten – Ohne Förderung wäre die Sanierung des denkmalgeschützten Hauses nicht möglich

Inzwischen sieht man, was es werden soll. Die Holzscheit-Vergaserheizung funktioniert bereits, ins Wohn- und Esszimmer kommt ein Xeoos-Ofen aus Reddighausen, die Warmwasserbereitung erfolgt über eine Wärmepumpe. Im Keller hat Marco Westerink einen natürlichen, begehbaren Kühlschrank für Vorräte gebaut. Die ehemalige Scheune dient als Werkstatt. „Ich habe gedacht, dass wir etwa fünf Jahre brauchen. Jetzt werden es eher sieben“, sagt Marco Westerink. Doch die Zeit ist dem Paar nicht so wichtig. „Der Weg ist das Ziel“, sagt Westerink. „Auf meine Rente warten können wir später noch lange genug“, ergänzt Manuela Sehr.

Baufortschritt: An der Fassade sieht man die schon ausgemauerten Gefache und teilweise neuen Eichenbalken.
Baufortschritt: An der Fassade sieht man die schon ausgemauerten Gefache und teilweise neuen Eichenbalken. © Hoffmeister, Thomas

Sehr positiv äußern sich Manuela Sehr und Marco Westerink über ihre Nachbarn in Berghofen: „Viele haben uns schon geholfen, der Zusammenhalt ist super“, sagt Manuela Sehr. „Die Leute haben ihre Türen geöffnet für so ein paar Hippies wie uns.“

Positiv äußern sich die Bauherren auch über die Zusammenarbeit mit der Abteilung Dorfentwicklung beim Landkreis Waldeck-Frankenberg: „Ohne Förderung wäre die Sanierung nicht möglich gewesen“, sagt Manuela Sehr. Sie schätzt, dass die Sanierung des Hauses am Ende etwa 200 000 Euro gekostet haben wird. (Thomas Hoffmeister)

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