Das 3. Reich

Eingang zum
KZ Buchenwald

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Freiburgs Geschichte in Zitaten

Das 3. Reich oder
wie aus geprahlten tausend Jahren nur zw�lf wurden

 

Sie haben unser heiliges deutsches Vaterland
 einem der gr��ten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert

 

Auf den Tr�mmern der Weimarer Republik, zerrieben im Laufe der Jahre zwischen links- und rechtsradikalen Kr�ften, vollzieht sich Hitlers Macht�bernahme zun�chst ganz legal.

 

Nach der Reichstagswahl im September 1930 wird die NSDAP mit 107 Sitzen zur gr��ten Oppositionspartei. Da sieht der ehemalige General der Wehrmacht und Intrigant Kurt von Schleicher die M�glichkeit eines Rechtsb�ndnisses. Nach dem von ihm betriebenen Sturz der Regierung Heinrich Br�ning (Zentrum) vermittelt er im Oktober 1931 ein Gespr�ch Hitlers mit dem greisen Reichspr�sidenten von Hindenburg. Nachher soll der Marschall �ber den Gefreiten gesagt haben: Reichskanzler will der werden? H�chstens Postminister. Dann kann er mich auf den Briefmarken* von hinten lecken [ZDF21].

 *Mit dem Konterfei Hindenburgs

 

Bei den Reichstagswahlen am 31. Juli 1932 erringen die Nazis fast 38% der Sitze und stellen als gr��te Fraktion mit Hermann G�ring den Reichstagspr�sidenten. Bei einem Gespr�ch mit Schleicher und Franz von Papen verlangt Hitler den Chefposten, doch Schleicher kann ihn mit der Aussicht auf Neuwahlen �berreden, eine Pr�sidialregierung seines Freundes Franz von Papen* zu tolerieren.

*Als man daraufhin von Schleicher vorhielt, Papen sei doch kein Kopf, soll er erwidert haben: Das soll er ja auch nicht sein. Aber er ist ein Hut [ZDF21].

 

Doch die W�hler spielen nicht mit, denn bei der zweiten Wahl 1932 am 6. November f�llt die NSDAP zur�ck und erh�lt in Freiburg nur 22,4% der Stimmen, w�hrend Zentrum 31,6%, SPD 15,5%, Deutsch-Nationale Gruppierungen zusammen 13% und die KPD 12% erzielen.

 

Ernennungsurkunde Im Namen des Reichs:
Der kleine A. Hitler unter dem gro�en
von Hindenburg [DHMB]

 

Auf Reichsebene gesehen aber reicht es noch zu einer nationalsozialistisch-konservativen Mehrheit. Eine ebensolche Regierung ist nun das Ziel Kurt von Schleichers. Er l�sst seinen �Freund� von Papen fallen und wird im Dezember 1932 zun�chst selbst Reichskanzler.  Doch nicht f�r lange. Nach einem Gespr�ch mit Hindenburg erkl�rt er am 28. Januar 1933 den R�cktritt seiner Regierung und empfiehlt die Ernennung Adolf Hitlers zum Kanzler. Hindenburg zu Schleicher:  Ich danke Ihnen, Herr General, f�r alles, was Sie f�r das Vaterland getan haben. Nun wollen wir mal sehen, wie mit Gottes Hilfe der Hase weiterl�uft [Pipe08].

 

So ernennt am 30. Januar 1933 von Hindenburg den angeblich vordem ver�chtlich als b�hmischen Gefreiten* Geschm�hten zum Reichskanzler, obgleich sogar Gesinnungsgenosse General Ludendorff den Reichspr�sidenten in einem Brief gewarnt haben soll: Sie haben durch die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler unser heiliges deutsches Vaterland einem der gr��ten Demagogen aller Zeiten ausgeliefert. Ich prophezeie Ihnen feierlich, dass dieser unselige Mann unser Reich in den Abgrund st�rzen und unsere Nation in unfassbares Elend bringen wird. Kommende Geschlechter werden Sie wegen dieser Handlung in Ihrem Grab verfluchen [Bart05].

*Hier irrt der Feldmarschall. W�hrend seiner Milit�r-akademieausbildung in der habsburgischen Geschichte wohl nur bis zum Drei�igj�hrigen Krieg gekommen l�sst er Adolf im b�hmischen Braunau das Licht der Welt erblicken. Hitler wurde jedoch in Braunau am Inn geboren

 

Der neue Reichskanzler (klein) beim Reichs-pr�sidenten (gro�) mit einer Jacke, die ihm zu weit ist, und einer Hose mit Hochwasser (©dpa).

 

 

30. Januar 1933: Der neue Kanzler in einem Fenster der Reichskanzlei

 

 Ick kann jarnich so ville fressen, wie ick kotzen m�chte

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

30. Januar

In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedr�ckt

 

Auch im Ausland glaubt man, Hitler sei unter konservativer Aufsicht.

 

Papen ist voller Zuversicht: Ich habe das Vertrauen Hindenburgs. In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedr�ckt, dass er quietscht, und weiter: Es besteht �berhaupt keine Gefahr. Wir haben ihn f�r unseren Auftritt eingestellt [Bull89].

 

Auch der SPD-Reichstagsabgeordnete Kurt Schumacher meint, dass Hitler nur Dekorationsst�ck sei: Das Kabinett hei�t Adolf Hitler, aber das Kabinett ist Alfred Hugenberg. Adolf Hitler darf reden, Alfred Hugenberg wird handeln.

 

Einige Tage sp�ter r�soniert der bekannte Kunstm�zen, Schriftsteller und Diplomat Harry Graf Kessler: Nur Windbeutel und das Intrigenspiel Papen halten die neue Regierung zusammen. Hitler muss schon jetzt gemerkt haben, dass er einem Bauernfang zum Opfer gefallen ist. Er ist an H�nden und F��en in dieser Regierung gebunden und kann weder vorw�rts noch r�ckw�rts [Ullr17].

 

Sie alle untersch�tzen Hitlers brutalen Willen zur Macht.

 

Das Kabinett Hitler: Neben dem Kanzler Hermann G�ring (NSDAP)
und Vizekanzler Franz von Papen (Parteilos, vormals Zentrum).
 Stehend von links: Franz Seldte (DNVP),, Dr. G�nther Gereke (CNBL),
Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk (parteilos), Wilhelm Frick (NSDAP),
Werner von Blomberg (parteilos) und Alfred Hugenberg (DNVP).

 

Ein gro�es Glauben geht durchs junge Land

 

Im Jahre 1931 hatte der Philosoph Martin Heidegger in seine Schwarze Hefte geschrieben: Wir stehen vor dem Nichts � allerdings, aber so, da� wir mit dem Nichts und diesem Stehen nicht Ernst machen ... Deshalb muss jemand kommen, der Ernst macht und die Deutschen von ihrer Entfremdung entfremdet.   Endlich, 1933, ist der Retter da.  Heidegger ger�t ins Schw�rmen: Offenbar hat ihn das Sein selbst vorbeigeschickt. Es sei eine Begl�ckung, dass der F�hrer eine neue Wirklichkeit erweckt hat, die unserem Denken die rechte Bahn und Sto�kraft gibt.  Ein herrlicher erwachender volklicher Wille steht hinein in ein gro�es Weltdunkel, und ein gro�es Glauben geht durchs junge Land. Die Welt geht wieder der Wahrheit entgegen und bindet Deutschland zur�ck an die urspr�nglichen M�chte [Assh14].

 

 

 

 

 

27. Februar

 

Des letzten Reichstags Haus in Brand

 

Zu Berlin im Jahre neunzehnhundertdreiunddrei�ig stand dann an einem Montagabend des letzten Reichstags Haus in Brand schreibt der 35-j�hrige Bertold Brecht. Er deutet das Zeichen richtig und geht einen Tag sp�ter mit seiner Frau Helene Weigel und den Kindern ins Exil.

 

 

Schon eine Stunde nach Ausbruchs des Brandes sind Hitler, G�ring und Goebbels vor Ort. Sie wittern sofort ein kommunistisches Komplott.

 

 

Hitler keift: Jeder kommunistische Funktion�r wird erschossen, wo er angetroffen wird. Die kommunistischen Abgeordneten m�ssen noch in dieser Nacht aufgeh�ngt werden! [T-ON23].

 

Ein Augenzeuge berichtet vom Brandherd: Erregt presste Hitler seine F�uste an die Oberlippe und wiederholte ein ums andere Mal: Nun bekomme ich meine 51% [Kauf89].

 

Der Brand des Reichstages vom 27. Februar wird zum Fanal einer braunen Diktatur, Auf Vorschlag der Regierung erl�sst Paul von Hindenburg die Verordnung de$ Reich$pr�sidenten zum Schutz von Volk und Staat. Vom 28. Februar 1933. Auf Grund de$ Artikel$ 48 Ab$. 2 der Reich$verfassung wird zur Abwehr kommunistischer staat$gef�hrdender Gewaltakte folgende$ verordnet:
� 1 Die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung de$ Deutschen Reich$ werden bi$ auf weitere$ au�er Kraft gesetzt. E$ sind daher Beschr�nkungen der pers�nlichen Freiheit, de$ Recht$ der freien Meinung$�u�erung, einschlie�lich der Pressefreiheit, de$ Verein$- und Versammlung$rechts, Eingriffe in da$ Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimni$, Anordnungen von Hau$suchungen und von Beschlagnahmen sowie Beschr�nkungen de$ Eigentum$ auch au�erhalb der sonst hierf�r bestimmten gesetzlichen Grenzen zul�ssig.

 

Die Paragraphen 2 bis 5 legen die Strafma�e bei Verst��en gegen die Ausf�hrungbestimmungen dieser Verordnung fest, die von Geldstrafen �ber Zuchthaus bis zur Todesstrafe reichen

 

� 6 Diese Verordnung tritt mit dem Tage der Verk�ndung in Kraft. Berlin, den 28. Februar 1933. Der Reich$pr�sident von Hindenburg Der Reich$kanzler Adolf Hitler Der Reich$minister de$ Innern Frick Der Reich$minister der Justiz Dr. G�rtner

 

Faktisch erm�glicht die Verordung des Pr�sidenten den NS-Terror gegen alle politischen Gegner der Regierung.

 

 Das Freiburger St. Konradsblatt kommentiert den Reichstagsbrand recht markig: Der Reichstag steht in Flammen. Das sind die Methoden, die die kommunistische Internationale dem Proletariat der ganzen Welt f�r den Ernstfall anzuwenden empfiehlt ... Das Feuermeer, das sich dann ausbreitete ... war der Anfang einer kommunistischen Terroraktion, die �ber Tr�mmer und Ruinen, �ber Blut und Leichen zum Umsturz f�hren sollte. Zur Bek�mpfung dieser kommunistischen Gefahr hat die Regierung vom Reichspr�sidenten am Dienstag, 28. Februar, au�ergew�hnliche Vollmachten, durch eine Notverordnung zum Schutze des deutschen Volkes erhalten [Kauf89].

 

Zum Reichstagsbrand meint Viktor Klemperer: Acht Tage vor der Wahl die plumpe Sache des Reichstagsbrandes - ich kann mir nicht denken, da� irgend jemand wirklich an kommunistische T�ter glaubt statt an bezahlte Hakenkreuz-Arbeit. Dann die wilden Verbote und Gewaltsamkeiten. Und dazu durch Stra�e, Radio etc. die grenzenlose Propaganda [Klem06].

 

Wie zu vielen bedeutenden Geschichtsereignissen gibt es auch und besonders zum Reichstagsbrand eine Menge Verschw�rungstheorien [Hett14]. Andererseits sind sich die heutigen Geschichtswissenschaftler weitgehend einig,  dass als Brandstifter Marinus van der Lubbe wohl ein Einzelt�ter war.

 

 

Freiburg unter dem Hakenkreuz

 

In der lokalen Presse nebeneinander:
 Das Freiburger M�nster und das Hakenkreuz auf dem Schlossberg im Flutlicht (�Der Alemanne)

5. M�rz 

 

6. M�rz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Hakenkreuz am Rathaus (©Stadtarchiv)

Auch wenn es f�r die NSDAP bei den Wahlen nicht zur Mehrheit gereicht hat, hissen am 6. M�rz die Nazis ohne Zustimmung des Oberb�rgermeisters Dr. Karl Bender eine Hakenkreuzfahne am Rathaus, wobei der Herausgeber des Kampfblatts der Nationalsozialisten Oberbadens Der Alemanne und Kreisleiter Dr. Franz Kerber sowie SA-Oberf�hrer Hanns Ludin vom Balkon aus zu ihren M�nnern sprechen. Die zwar gr��eren Fahnen Freiburgs und Badens haben bald nur noch symbolische Bedeutung, denn die Reichsregierung erzwingt Ende M�rz im Zuge des Erm�chtigungsgesetzes die Gleichschaltung von L�ndern und Gemeinden [Ecke 08].

 

 

 

 

 

7. M�rz

In Freiburg geht es Schlag auf Schlag

 

Im Gewerkschaftshaus hinter dem Schwabentor findet die Polizei Waffen

 

8. M�rz

Reichsinnenminister Wilhelm Frick setzt den Zellengenossen Hitlers aus Landsberger Zeit und NSDAP-Gauleiter Robert Wagner als Reichskommissar f�r das Polizeiwesen in Baden ein.

 

9. M�rz

Die Polizei schlie�t das Gewerkschaftshaus.

 

10. M�rz

Reichskommissar Wagner erl�sst erste Ma�nahmen zur Sicherheit und Ordnung im Land Baden, verf�gt ein Versammlungsverbot f�r SPD und KPD und ordnet Schutzhaft f�r marxistische F�hrer an. Am gleichen Tag verurteilt ein Schnellgericht in Freiburg den SPD-Parteifunktion�r Seger wegen der Waffenfunde im Gewerkschaftshaus.

 

15. M�rz

Nach Schutz-Verhaftungen von Kommunisten richtet die NSDAP in Me�kirch das erste Konzentrationslager Deutschlands ein [Arbe83].

 

16. M�rz

B�rgermeister Josef H�lzl und Stadtrat Franz Geiler, beide SPD, werden im Rathaus verhaftet.

 

Die Menschen nehmen diese Ma�nahmen widerstandslos hin. Gegenwehr scheint sinnlos, denn wie Gauleiter Wilhelm Murr im benachbarten Gau W�rttemberg verk�ndet: Wir sagen nicht: Aug' um Auge, Zahn um Zahn. Nein, wer uns ein Auge einschl�gt, dem werden wir den Kopf abschlagen, wer uns einen Zahn ausschl�gt, dem werden wir den Kiefer einschlagen [B�ni08].

 

 

 

 

 

17. M�rz

 

 

 

Stolperstein f�r Stefan Meier vor dem Basler Hof.
Das Geb�ude diente u. a. von 1933 bis 1944 der Gestapo als Au�enstelle des Staatspolizeiamtes Karlsruhe.

Die Affaire Nu�baum

 

Morgens zwischen 4 und 5 Uhr! klingelt die Polizei an der T�r des j�dischen sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten und Stadtverordneten Christian Daniel Nu�baum, um ihn zu verhaften. Da Nu�baum ein Mordkommando der SA vermutet, reagiert er trotz mehrfachen Klingelns und Rufen nicht. So lassen die Polizeibeamten die Wohnungst�r �ffnen, stehen aber dann vor der verschlossenen Schlafzimmert�r, die der anwesende Schlosser wegen des innen steckenden Schl�ssels nicht �ffnen kann. Als die Beamten und der Schlosser die T�r eindr�cken, fallen sechs Sch�sse. Nu�baum trifft zwei Polizisten, einen davon t�dlich, der andere erliegt seiner Verletzung im Krankenhaus.

 

�ber diesen Vorfall schreibt der Els�sser Essayist Ren� Schickele in sein Tagebuch: Vom Rechtsstandpunkt aus h�tte er aus Notwehr gehandelt. Denn seine Immunit�t als Abgeordneter durfte nicht verletzt werden. Er war aber nur verr�ckt. Geheimrat Hoche von der Psychiatrischen Klinik hat erkl�rt, Nu�baum habe voriges Jahr einen Gehirnschlag gehabt und leide an Paralyse ... Nach dem Gehirnschlag hatte er eine Ohnmacht, die viele Stunden dauerte. Wenn danach etwas als krankhaft auffiel, dann war es sein phantastischer Optimismus gegen�ber der nationalsozialistischen Gefahr. Er schwor, die Partei [die SPD] werde im Handumdrehn mit den Nazis fertig werden - im Ernstfall. Nun ist der arme Kerl auf seine Art mit ihnen fertig geworden. Alle sozialdemokratischen F�hrer in Freiburg sind verhaftet, darunter Stadtrat Grumbach und B�rgermeister H�lzl. Das waren auch zwei Optimisten, aber der negativen Art; sie glaubten nicht, da� es so schlimm w�rde mit den Nazis [Klei87].

 

Die f�hrenden Herren am Oberrhein Freiburgs Oberb�rgermeister Dr. Franz Kerber und Gauleiter Robert Wagner im Gespr�ch (©BZ/Repro: Ingo Schneider).

 

Als h�tten die Nazis nur auf einen Vorwand gewartet: Angeh�rige der NSDAP, SA, SS und des Stahlhelms �berfallen die Redaktion der sozialdemokratischen Tageszeitung Volkswacht, werfen 16 000 frisch gedruckte Exemplare auf die Stra�e und versuchen, diese anzuz�nden [Wegm13].

 

18. M�rz

Am n�chsten Tag werden als Folge des tragischen Ereignisses s�mtliche �rtliche Organisationen der SPD und KPD  einschlie�lich ihrer Hilfs- und Nebenorganisationen mit sofortiger Wirkung aufgel�st. Das Gewerkschaftshaus bleibt bis auf weiteres geschlossen [Kauf89]. Wagner benutzt das furchtbare Marxistenverbrechen als Vorwand f�r die Ergreifung aller bisher noch nicht verhafteten KPD und SPD Abgeordneten des Reichs- und Landtags in Baden.

 

In Freiburg werden s�mtliche SPD-Mitglieder des Stadtrats und des B�rgerausschusses in Schutzhaft genommen und gr��tenteils im Lager Ankenbuck bei Donaueschingen konzentriert. Zu ihnen geh�rt auch der Freiburger SPD-Reichstagsabgeordnete Stefan Meier [Ecke08].

 

20. M�rz

In einem unblutigen Putsch erkl�ren f�nf NSDAP-Abgeordnete und ein DNVP-Abgeordneter den Stadtrat f�r abgesetzt und setzen sich selbst als Kommissare ein, die mit Oberb�rgermeister Bender zusammenarbeiten wollen. Diese Entwicklung passt weder Wagner noch seinem Sch�tzling Kerber. So verf�gt der Reichsleiter bereits am folgenden Tag die Absetzung der selbsternannten und die Einsetzung dreier ihm genehmer Kommissare darunter Kerber [Ecke08].

 

 

 

 

 

20. M�rz

 

Im Interesse der Sicherheit des Staates

 

Heinrich Himmler, Reichsf�hrer SS und frisch ernannter M�nchner Polizeipr�sident gibt die Einrichtung des Konzentrationslagers Dachau bekannt.: Am Mittwoch wird in der N�he von Dachau das erste Konzentrationslager er�ffnet. Es hat ein Fassungsverm�gen von 5000 Menschen. Die gesamten kommunistischen und - soweit notwendig - Reichsbanner- und marxistischen Funktion�re, die die Sicherheit des Staates gef�hrden, werden dort zusammengezogen, weil man sie auf Dauer weder in den Gerichtsgef�ngnissen behalten noch in die Freiheit entlassen kann..

 

Im Interesse der Sicherheit des Staates m�ssen wir diese Ma�nahmen treffen ohne R�cksicht auf kleinliche Bedenken in der �berzeugung, damit zur Beruhigung der nationalen Bev�lkerung beizutragen und in ihrem Sinn zu handeln.

 

Erst am 8. Mai 1936 besucht Himmler "sein" Lager, um sich ein Bild vom Zustand der H�ftlinge zu machem. Ein Propagandabild. (©Bundesarchiv/Friedrich Franz)

 

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21. M�rz

Der Tag von Potsdam

 

 

Am 21. M�rz treffen sich die Abgeordneten der NSDAP und Vertreter der rechten sowie der b�rgerlichen Parteien in der Potsdamer Garnisonkirche, Grablege der Preu�enk�nige Friedrich Wilhelm I. und Friedrichs des Gro�en, zur konstituierenden Sitzung des am 5. M�rz 1933 gew�hlten Reichstages. Dabei sind auch Vertreter von Wirtschaft und Verwaltung sowie Offiziere der Reichswehr und uniformierte Angeh�rige der SA.

 

Die Sozialdemokraten hatten demonstrativ auf eine Teilnahme an der Propagandavorstellung verzichtet, und die Kommunisten sind wie Reichsinnenminister Wilhelm Frick zynisch anmerkte, durch n�tzliche Arbeiten in den Konzentrationslagern am Erscheinen gehindert [DHM13]. Bei der Feier verk�rpert Reichspr�sident Hindenburg das traditionsbewusste alte Deutschland, w�hrend der Reichskanzler mit seinen Nationalsozialisten den Aufbruch in eine neue Zeit vertritt.

 

In Potsdam: Ein gut gelaunter Kanzler, sein Reichspr�sident und ein abgelenkter G�ring 

Propagandistisch perfekt verneigt sich der ehemalige Gefreite und Kanzler im Cut auf den Stufen der Potsdamer Garnisonkirche vor dem greisen Pr�sidenten in der Uniform des kaiserlichen Generalfeldmarschalls. Doch Hitler sieht der sich bereits in einer Reihe mit Friedrich dem Gro�en, Bismarck und Hindenburg und predigt von einer Verm�hlung zwischen den Symbolen der alten Gr��e und der jungen Kraft [Pipe08].

 

Aufgereiht. Postkarte aus der historischen Sammlung der Universit�t Osnabr�ck

Den durch das radikale Auftreten Hitlers verunsicherten b�rgerlichen Schichten aber wird vorgegaukelt, dass Hindenburg der eigentliche Herr im Staate ist und vom neuen Kanzler keine Gefahr ausgeht.

 

Die propagandistische Inszenierung erh�hte das Prestige des NS-Regimes im In- und Ausland. Vom Rundfunk wurde die "Potsdamer R�hrkom�die" in voller L�nge �bertragen; Sonderausgaben der Presse fanden unz�hlige Abnehmer.

 

 

 

 

 

23. M�rz

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Otto Wels auf 40 DPf

Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!

 

Nur zwei Tage sp�ter hingegen war die Illusion der harmonischen Koexistenz vom alten und neuen Deutschland verflogen. Mit Verabschiedung des Erm�chtigungsgesetzes durch den Reichstag entledigte sich die NSDAP bei der Verabschiedung von Gesetzen ihrer rechtlichen Bindungen an die Konservativen [DHM13].

 

In der mit einer Hakenkreuzfahne geschm�ckten Krolloper:
Hitler am Rednerpult, G�ring als Reichstagspr�sident hinter ihm (�Bundesarchiv).

Als einzige lehnen die sozialdemokratischen Abgeordneten das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich einstimmig ab. Der SPD-Vorsitzende Otto Wels begr�ndet die Ablehnung in einer historischen Rede vor dem Reichstag, der in der Kroll-Oper tagt. Er bezieht sich direkt auf die 26 fehlenden unter Missachtung ihrer Immunit�t verhafteten oder geflohenen Abgeordneten seiner Partei:

 

Nach der Verfolgung, die die Sozialdemokratische Partei in der letzten Zeit erfahren hat, wird billigerweise niemand von ihr verlangen oder erwarten k�nnen, dass sie f�r das hier eingebrachte Erm�chtigungsgesetz stimmt. Die Wahlen vom 5. M�rz haben den Regierungsparteien die Mehrheit gebracht und damit die M�glichkeit gegeben, streng nach Wortlaut und Sinn der Verfassung zu regieren. Wo diese M�glichkeit besteht, besteht auch die Pflicht.

 

Die Verfassung der Weimarer Republik ist keine sozialistische Verfassung. Aber wir stehen zu den Grunds�tzen des Rechtsstaates und der Gleichberechtigung, des sozialen Rechtes. Wir deutschen Sozialdemokraten bekennen uns in dieser geschichtlichen Stunde feierlich zu den Grunds�tzen der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Sozialismus.

 

Wels warnt die Abgeordneten vor der Annahme des Gesetzes: Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, ist die Kontrolle der �ffentlichen Angelegenheiten durch die gew�hlten Vertreter des Volkes in solchem Ma�e ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht und wie es durch das neue Erm�chtigungsgesetz noch mehr geschehen soll und bezieht sich dabei auch auf die fehlenden Abgeordneten der Kommunisten. Die KPD war nach den Bestimmungen der Reichstagsbrandverordnung verboten worden und ihre 81 Reichstagsmandate waren annulliert.

 

Mutig schlie�t Wels seine Rede und wendet sich dabei direkt an die Abgeordneten der NSDAP:  Kein Erm�chtigungsgesetz gibt Ihnen die Macht, Ideen, die ewig und unzerst�rbar sind, zu vernichten. Sie selbst haben sich ja zum Sozialismus bekannt. Das Sozialistengesetz hat die Sozialdemokratie nicht vernichtet. Auch aus neuen Verfolgungen kann die deutsche Sozialdemokratie neue Kraft sch�pfen ... Noch ganz in den Vorstellungen des 19. Jahrhunderts verhaftet ruft er aus: Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!

 

Der Vorsitzende der katholischen Zentrumspartei Pr�lat Ludwig Kaas, versucht, seine Fraktionskollegen vor der Abstimmung positiv einzustimmen und versichert. Die Gleichheit vor dem Gesetze werde nur den Kommunisten nicht zugestanden werden. Kaas f�rchtet wie hohe katholische W�rdentr�ger etwa der Freiburger Erzbischof Conrad Gr�ber, dass Hitler seine Garantieerkl�rung, die bestehenden Rechte der christlichen Konfessionen nicht anzutasten, zur�cknimmt und den Abschluss eines Reichskonkordats mit dem Reich torpediert.

 

Einige wenige Zentrumsabgeordnete misstrauen den Zusicherungen der braunen Regierung. Zu ihnen geh�ren auch die ehemaligen Reichskanzler Joseph Wirth und Heinrich Br�ning. Letzterer, der von 1930 bis 1932 als Kanzler ohne parlamentarische Mehrheit mit pr�sidialen Vollmachten regiert und damit die Republik unterminiert hatte, t�nt: Das Erm�chtigungsgesetz ist das Ungeheuerlichste, was je von einem Parlament gefordert wurde.

 

In der Fraktionssitzung wendet sich Wirth, der schon 1922 den Feind rechts sah, in einer leidenschaftlichen Rede gegen das Erm�chtigungsgesetz und fordert die Verteidigung der Weimarer Verfassung. Die Stimmung ist emotional: Nach seiner Rede sprang er weinend auf und st�rzte zur T�r hinaus [H�rs21].

 

In der folgenden Probeabstimmung stimmt Wirth gemeinsam mit 14 Fraktionskollegen f�r die Ablehnung des Erm�chtigungsgesetzes. In der darauffolgenden Reichstagssitzung aber beugt er sich ebenso wie Heinrich Br�ning und die anderen Gegner dem Fraktionszwang und stimmt mit Tr�nen in den Augen zu.

 

Weniger dramatisch geht es bei den zu Splitterparteien geschrumpften Liberalen und Liberalkonservativen zu. Der schw�bische Vorsitzende der Deutschen Staatspartei und sp�tere Ministerpr�sident von Baden-W�rttemberg Reinhold Maier gibt an die f�nf Abgeordneten die Weisung zur Zustimmung im Interesse von Volk und Vaterland.

 

Und so beugt sich auch der nachmalige Bundespr�sident Theodor Heuss, der aus einem historischen Stilgef�hl das Erm�chtigungsgesetz eigentlich ablehnen will, dem Fraktionszwang seiner Staatspartei [Mix13]. Zu sp�t, 1963, kommentiert Heuss: Ich habe schon damals gewusst, dass ich dieses Ja nie mehr aus meiner Lebensgeschichte werde ausl�schen k�nnen.

 

Am Ende stimmen 444 Abgeordnete f�r das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich, die verbliebenen 94 Vertreter der SPD dagegen, ein historischer Verdienst heute nur wenig beachtet.Mit dem Erm�chtigungsgesetz hatte Hitler, wie er sich ausdr�ckte, den Krebsschaden der Demokratie beseitigt.

 

 

Beflaggung Freiburgs nach 1933 (©Stadtarchiv)

Danke Michael Leahcim© f�r die gelungene Verfremdung

31. M�rz

Mit dem Vorl�ufigen Gesetz zur Gleichschaltung der L�nder h�rt die parlamentarische L�nder- und kommunale Selbstverwaltung auf zu bestehen.

 

 

Freiburg und seine j�dischen Mitb�rger

 

Die Fuldaer Bischofskonferenz macht ihren Frieden mit dem neuen Regime

 

 Die Nationalsozialisten sind in ihrer Propaganda den klassischen Linksparteien voraus, indem sie zum K�dern der W�hler das Proletariat durch Volk und den Begriff der Klasse durch Rasse ersetzen und damit die Juden als S�ndenb�cke der deutschen Misere hinstellen [Aly11].  

 

1. April

 

 

 

Reklame in Emaille

So versucht das Naziregime schon kurz nach der Machtergreifung, den j�dischen Mitb�rgern die Lebensgrundlagen zu entziehen. Ende M�rz 1933 ruft Der Alemanne zu einem f�r den 1. April verordneten nationalen Boykott j�discher Gesch�fte auf. Das Freiburger St. Konradsblatt erkl�rt diese Ma�name mit einer Reaktion auf die Verbreitung von Gr�uelmeldungen in der anglo-amerikanischen Presse �ber die Hinmetzelung von Tausenden von Juden: Allerdings hat sich jetzt zur Strafe f�r diese Ger�chte des Auslands in Deutschland eine Bewegung gebildet, welche bezweckt, einen allgemeinen Boykott gegen die j�dischen Gesch�fte durchzuf�hren und zugleich zu erreichen, da� die Zahl der j�dischen Rechtsanw�lte und �rzte beschr�nkt wird. Diese Abwehr trat unter der Leitung der NSDAP am Samstag, 1. April, vormittags um 10.00 Uhr in Kraft. Reichskanzler Hitler betonte, da� diese Abwehr organisiert werden mu�te, weil die Abwehr aus dem Volke heraus von selbst gekommen w�re und sonst unerw�nschte Formen angenommen h�tte! [Kauf89]. Das Freiburger Volk allerdings befolgt den Boykott j�discher Gesch�fte nur m��ig.

 

 

 

7. April

Auch andere Ma�nahmen gegen j�dische Mitb�rger laufen im Reich gleichgeschaltet ab. Bereits am 7. April tritt das Gesetz zur Wiederherstellung de$ Beruf$beamtentum$ in Kraft. Der Arierparagraph bestimmt: Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, sind in den Ruhestand zu versetzen, aber auch politische Gegner des Nationalsozialismus werden aus dem Dienst entlassen. Die N�rnberger Rassengesetze vom September 1935 mit dem Gesetz zum Schutze de$ deutschen Blute$ und der deutschen Ehre sowie das Reich$b�rgergesetz folgen der primitiven Logik des Parteiprogramms der NSDAP aus dem Jahre 1920: Staat$b�rger kann nur sein, wer Volk$genosse ist. Volk$genosse kann nur sein, wer deutschen Blute$ ist, ohne R�cksichtname auf Konfession. Kein Jude kann daher Volk$genosse sein. Die deutschen Juden fallen jetzt unter die Fremdengesetzgebung. Somit ist ihnen der Staatsdienst verschlossen.

 

 

 

 

 

9. April

Stadtrat und B�rgerausschuss marxistenrein

 

Repressionen gegen�ber dem in Freiburg traditionell starken Zentrum f�hren dazu, dass Oberb�rgermeister Dr. Karl Bender am 9. April aus gesundheitlichen Gr�nden beurlaubt wird und den Posten frei macht f�r Dr. Franz Kerber. Von oben eingesetzt und nicht gew�hlt regiert Kerber anf�nglich noch mit einigen wenigen sozialdemokratischen Stadtr�ten und Stadtverordneten, bis er nach deren erpressten Mandatsniederlegungen Mitte Juni seinem Gauleiter nach Karlsruhe melden kann: Stadtrat und B�rgerausschuss marxistenrein.

 

 

 

 

 

21. April

 

 

 

Prof. Heidegger seit dem 1. Mai 1933 Parteimitglied mit Reichsadlerabzeichen in Freiburg 1934

 

Gleichschaltung der Alberto Ludoviciana

 

�ber dem Haupteingang der Freiburger Universit�t nur noch schwach lesbar: Dem ewigen Deutschtum 

Der Rektor der Freiburger Universit�t, Medizinprofessor Wilhelm von M�llendorff, wird 1933 mit Naziterror aus seinem Amt gedr�ngt. Von ihm �bernimmt der Philosoph Martin Heidegger das Rektorat, der als geistiger F�hrer der neuen Bewegung offen die nationalsozialistische Umw�lzung begr��t. Am 1. Mai tritt Heidegger der NSDAP bei.

 

Die Hochschule Freiburg ist Grenzlanduniversit�t, die Studentenschaft katholisch konservativ, doch bereits 1932 geben NS-Studenten den Ton an.

 

 

 

 

 

1. Mai

Feiertag der nationalen Arbeit

 

 Am 17. M�rz hatte der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften beschlossen, sich in den Dienst des neuen Staates zu stellen. Am gleichen Tage hatte Joseph Goebbels in sein Tagebuch notiert: Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftsh�user besetzt. Sind die Gewerkschaften in unserer Hand, dann werden sich auch die anderen Parteien und Organisationen nicht lange mehr halten k�nnen [Sieb13].

 

Den der SPD nahestehenden Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund (ADGB) k�dert der Reichspropagandaminister mit der Einrichtung des von den Gewerkschaften in der Weimarer Republik vergeblich geforderten 1. Mai als gesetzlichen Feiertag. Nun sollen an diesem Feiertag der nationalen Arbeit Arbeiter der Stirn und der Faust gemeinsam feiern. Dieses Angebot nimmt der ADGB am 9. April an.

 

Fast wortgleich �bernommen. In der DDR hie� es Arbeiter der Faust und der Stirn.

 

Auch in Freiburg wie �berall im Reich stehen die Feierlichkeiten zum 1. Mai ganz im Zeichen nationalsozialistischer Propaganda beginnend mit einem Festzug vom St�hlinger bis zu M�nsterplatz. Die dortige Kundgebung er�ffnet ein Lied der Gesangsvereine gefolgt von einem Festgottesdienst und einer Begr��ungsansprache des frischgebackenen Oberb�rgermeisters Dr. Kerber. Nach einer Rede des Kreisbetriebsleiters Sieber schlie�t die Veranstaltung mit der ersten Strophe des Deutschlandliedes und dem Absingen des Horst-Wessel-Liedes. Um 19 Uhr wird dann in der St�dtischen Kunst- und Festhalle das Manifest des Reichskanzlers Adolf Hitler zum ersten Jahresplan der Aufbauarbeit der Reichsregierung �bertragen. Im Stadttheater gibt es abends eine Auff�hrung des ersten Dramas der deutschen Revolution Schlageter von Hanns Johst.

 

 

 

2. Mai

Heute fr�h 10 Uhr wurden s�mtliche Gewerkschaftsb�ros der freien Gewerkschaften durch die NSBO besetzt. Diese Ma�nahme richtet sich nicht gegen die Berufsorganisationen des deutschen Arbeiters, dient auch nicht dazu, um die Organisationen zu zertr�mmern. Die Besetzung hat den Zweck, die bisher marxistisch eingestellten Gewerkschaften von dem Gift der marxistischen Idee zu bereinigen. Die wohlerworbenen Rechte des Arbeiters sind nicht in Gefahr, sondern die Auszahlung der satzungsm��ig festgelegten Unterst�tzungen geht nach wie vor in Ordnung. Dadurch, da� es durch die Besetzung m�glich ist, auch die Geldeing�nge und Geldausg�nge zu kontrollieren, wird in Zukunft die Gew�hr gegeben, da� die Absendung von Gewerkschaftsgeldern und Beitr�gen an das Ausland unterbunden wird.

 

Dazu lie� der Reichstagsabgeordnete und Leiter des Aktionskomitees zum Schutz der Deutschen Arbeit Dr. Robert Ley verlauten, es sei bewiesen, dass der Nationalsozialismus geeigneter ist, den Schutz der Arbeiter durchzuf�hren, die er dann zielstrebig in die Deutsche Arbeitsfront �berf�hrt.

 

 

 

 

 

3. Mai

Die Ph�nomenologie Husserls obenauf

 

Der historischen B�cherverbrennung vom 10. Mai auf dem Opernplatz in Berlin geht an vielen Universit�ten die Errichtung von Schandpf�hlen voraus. Die inzwischen arbeitslose Redakteurin der sozialdemokratischen Volkswacht K�the Vordtriede schreibt ihrem Sohn nach Z�rich, dass vor dem Geb�ude II der Universit�t Freiburg ein abgehauener Baum aufgerichtet sei. Links und rechts davon liegen Reissn�gel und Zettelchen zur ehrenhaften Benutzung. Da kann jeder den Titel eines j�dischen Buches anheften, und die B�cherverbrennung vorausahnend f�gt sie hinzu: wahrscheinlich die Ph�nomenologie Husserls obenauf [Wegm13].

 

5. Mai

Oberb�rgermeister Kerber setzt den bisherigen Ausschuss zur Bek�mpfung von Schmutz und Schundliteratur, da er nicht den n�tigen Willen und die Kraft gezeigt hat, ab. Der neuen Kommission zum Kampf gegen Schmutz und Schund in der Literatur geh�ren u. a. und neben Kerber der Geistliche Rat Dr. Mohr und parit�tisch der protestantische Pfarrer von Gundelfingen Albert an.

 

8. Mai

Nach einem studentischen Aufruf der Freiburger Universit�t unterzeichnet vom Kampfbund f�r deutsche Kultur will die deutsche Studentenschaft den geistigen Kampf gegen die j�disch-marxistische Zersetzung des deutschen Volkes bis zur v�lligen Vernichtung durchf�hren. Die Freiburger sind aufgefordert, alle Schriften und B�cher j�disch-marxistischen Schrifttums aus B�chereien, Buchhandlungen und Antiquariaten f�r eine �ffentliche Verbrennung am 10. Mai zu schicken [Wegm13].

 

 

 

 

10. Mai

Verbrennt mich !

                 DIE B�CHERVERBRENNUNG
Als das Regime befahl, B�cher mit sch�dlichem Wissen
�ffentlich zu verbrennen, und allenthalben
Ochsen gezwungen wurden, Karren mit B�chern
Zu den Scheiterhaufen zu ziehen, entdeckte
Ein verjagter Dichter, einer der besten, die Liste der
Verbrannten studierend, entsetzt, da� seine
B�cher vergessen waren. Er eilte zum Schreibtisch
Zornbefl�gelt, und schrieb einen Brief an die Machthaber.
Verbrennt mich! schrieb er mit fliegender Feder, verbrennt mich!
Tut mir das nicht an! La�t mich nicht �brig! Habe ich nicht
Immer die Wahrheit berichtet in meinen B�chern? Und jetzt
Werd ich von euch wie ein L�gner behandelt! Ich befehle euch,
Verbrennt mich!
[Zyra22]

Erich K�stner wohnt als einziger Autor der Verbrennung seiner eigenen B�cher als Augenzeuge bei und berichtet zwanzig Jahre sp�ter 1953 �ber den Auftritt des eifernden Goebbels, nachdem er seinen Roman Fabian in den Flammen zu Asche werden sah: Hier r�chte sich ein durchgefallener Literat an der Literatur. Hier beseitigte ein durchtriebener Politiker f�r viele Jahre jede intellektuelle Opposition ...  Mit solchen Methoden kann man zwar ein Volk vernichten, B�cher aber nicht. Sie sterben nur eines nat�rlichen Todes. Sie sterben, wenn ihre Zeit erf�llt ist. Man kann von ihrem Lebensfaden nicht eine Minute abschneiden, abrei�en oder absengen. B�cher das wissen wir nun, kann man nicht verbrennen [K�st13].

 

Studenten bei der B�cherverbrennung auf dem Opernplatz in Berlin

 

Am selben Tag finden in vielen deutschen St�dten gleichgeschaltete B�cher-verbrennungen statt, doch in Freiburg f�llt eine ebenfalls geplante aus bisher ungekl�rten Gr�nden aus.

 

 

 

 

 

27. Mai

Bluthafte Kr�fte als einzige Bewahrer deutscher Kultur

 

In seiner Antrittsrede als Rektor der Freiburger Universit�t mit dem Titel Die Selbstbehauptung der Deutschen Universit�t erkl�rt Martin Heidegger: Die Herrlichkeit aber und all die Gr��e dieses Aufbruchs verstehen wir dann erst ganz, wenn wir in uns jene tiefe und weite Besonnenheit tragen, aus der die alte griechische Weisheit das Wort gesprochen: Alles Gro�e steht im Sturm.

 

Heidegger mahnt die Studentenschaft zur Gefolgschaft und beschw�rt die bluthaften Kr�fte als einzige Bewahrer deutscher Kultur [R�dl03].  Weiterhin f�hrt er aus: Das Wesen der deutschen Universit�t kommt erst in Klarheit, Rang und Macht, wenn zuf�rderst und jederzeit die F�hrer selbst gef�hrt sind - gef�hrt von der Unerbittlichkeit jenes geistigen Auftrags, der das Schicksal des deutschen Volkes in das Gepr�ge seiner Geschichte zwingt [Crai82].

 

�ber dem Relief des Universit�tspatrons Hieronymus am Hauptgeb�ude der Freiburger Universit�t sichtbare Spuren eines nach dem Kriege nur notd�rftig entfernten Reichsadlers mit Hakenkreuz.  

 

Erich K�stner kommentiert Heideggers Rektorats-rede mit Sarkasmus: M�ge er der gr��te Philosoph unseres glorreichen Jahrhunderts sein oder seyn und bleiben! Ich glaube und hoffe, dass ihm eines Tages im Pantheon, Sokrates und Seneca, Spinoza und Kant nicht die Hand geben werden [K�st13].

 

 

Deut$che Studenten

 

Die nationalsozialistische Revolution bringt die v�llige Umw�lzung unsere$ deutschen Dasein$.

 

An Euch ist e$, in diesem Geschehen die immer Dr�ngenden und Bereiten, die immer Z�hen und Wachenden zu bleiben.

 

Euer Wissenwollen sucht da$ Wesentliche, Einfache und Gro�e zu erfahren.

 

Euch verlangt, dem N�chstbedr�ngenden und Wertestverpflichteten ausgesetzt zu werden.

 

Aus dem Freiburger Universit�tsf�hrer zum Wintersemester 1933/34

 

Seid hart und echt in Eurem Fordern.

 

Bleibt klar und sicher in der Ablehnung.

 

Verkehrt da$ errungene Wissen nicht zum eitlen Selbstbesitz. Verwahrt e$ al$ den notwendigen Urbesitz der f�hrerischen Menschen in den v�lkischem Berufen de$ Staate$. Ihr k�nnt nicht mehr nur die "H�renden" sein. Ihr seid verpflichtet zum Mitwissen und Mithandeln an der Schaffung der k�nftigen hohen Schule de$ deutschen Geiste$. Jeder mu� jede Begabung und Bevorzugung erst bew�hren und in$ Recht setzen. Da$ geschieht durch die Macht de$ k�mpferischen Einsatze$ im Ringen de$ ganzen Volke$ um sich selbst.

 

T�glich und st�ndlich festige sich die Treue de$ Gefolgschaft$willen$.

 

Unaufh�rlich wachse Euch der Mut zum Opfer f�r die Rettung de$ Wesen$ und f�r die Erh�hung der innersten Kraft unsere$ Volke$ in seinem Staat.

 

Nicht Lehrs�tze und "Ideen" seien die Regeln Eure$ Sein$.

 

Der F�hrer selbst und allein ist die heutige und k�nftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz. Lernet immer tiefer zu wissen: Von nun an fordert jedwede$ Ding Entscheidung und alle$ Tun Verantwortung.

 

Heil Hitler!
Freiburg, Anfang Oktober 1933
Martin Heidegger, Rektor

 

Rektor der Universit�t Heidegger mit Amtskette eingerahmt von gr��eren Kollegen und Studenten in vollem Wichs bei der Er�ffnung des Wintersemesters 1933/34 (©BZ)

Am 24. April 1934 tritt Heiddegger vom Rektorat zur�ck. Er ist weiterhin vom F�hrerkult �berzeugt, und Antisemit, doch sieht er um sich nur L�rmer, Macher, Streber, Gaukler, Deutler, all die M��igen und Mittelm��igen, die vertraulich tun mit der kleinen und faden Erregtheit der Menge und ihrem d�nnen Vergn�gen; die im Tr�ben treiben und das T�richte begaffen [Assh14].

 

 

 

 

 

 

 17. Juni

Die S�uberung der st�dtischen und Privatleihb�chereien
 ist vorl�ufig zum Abschlu� gebracht

 

Die am 10. Mai ausgefallene B�cherverbrennung soll im Rahmen der soll im Rahmen der 1. kulturellen Kampfwoche der Hitlerjugend und unter Beteiligung der Schulen  am Abend des 17. Juni um ein viertel nach neun mit einer symbolischen B�cherverbrennung vor dem M�nster nachgeholt werden.

 

Einem kleinen B�cherfeuer vor der mittleren Portals�ule mit gemeinsamen Singen von �Volk ans Gewehr�, Kampfrufen der Hitlerjugend, einer Feuerrede von Pfarrer Albert aus Gundelfingen und dem Absingen des Horst-Wessel-Liedes folgt nach den Pl�nen der Veranstalter ein Marsch zum Exerzierplatz, ein gro�es B�cherfeuer, eine Ansprache Kerbers und ein Ausklang an einem Biwakfeuer. Da kommt den Planern der Regen dazwischen [Kirk08].  Deshalb wird in einer kurzen Meldung in Der Alemanne vom 20. Juni 1933 die Veranstaltung auf die Sonnenwendfeier verschoben.

 

 

22. Juni

In einem Brief an Erzbischof Gr�ber vom 22. Juni erw�hnt Oberb�rgermeister Kerber die ausgefallenen B�cherverbrennungen mit keinem Wort. Stattdessen biedert er sich mit einem besonderen Gl�ckwunsch zum heutigen Tage an: Hochw�rdigster Herr Erzbischof! Euer Exzellenz ... Dieser Tag ist die Vollendung einer wochenlangen schweren Arbeit f�r den christlichen Wiederaufbau Deutschlands und bringt Ihrer Bischofsstadt die gr�ndliche Reinigung s�mtlicher Bibliotheken, dazu noch vor allem der vielen Leihb�chereien ... von Schmutz und Schund. Euer Exzellenz machen sich keine Vorstellung, aus wieviel Kloaken der literarische Unrat w�hrend der letzten Jahre sich in die H�user christlicher Familien ergo� [Kauf89].

 

In seinem Brief bietet Kerber dem Erzbischof an, die Borrom�us-Bibliothek des Priesterseminars sowie die Pfarrb�chereien einer �taktvollen� Durchsicht auf das Vorhandensein pazifistischer und volksfeindlicher Schriften zu unterziehen [Kirk08].

 

23. Juni

Die st�dtische Pressestelle meldet am 23. Juni: Die S�uberung der st�dtischen und Privatleihb�chereien ist vorl�ufig zu einem Abschlu� gebracht. In einem Schreiben an den Herrn Erzbischof setzt Herr Dr Kerber Seine Exzellenz von der Durchf�hrung der S�uberung unserer B�chereien in Kenntnis [Kirk08].

 

24. Juni

 

Nach der neuerlichen Pleite bei der B�cherverbrennung am 21. Juni verlegt die Parteileitung die Sonnenwende kurzerhand auf den 24. Juni, wobei es auch an diesem Datum regnet. So berichtet K�the Vordtriede �ber ein gro�es Sonnenwendfeuer im Universit�tsstadion und ein nur merkw�rdig kleines Feuer aus den B�chern eines Leiterwagens, der witzigerweise von einem Ochsen gezogen wurde, nach der Meinung der akademischen Bilderst�rmer das wahre Symbol f�r Sigmund Freud und Franz Werfel.

 

Dazu hielt der neue Universit�tsrektor Martin Heidecker eine Ansprache, in der er von der Sonnenwende auf die neue Zeit kommt: Die Tage vergehen, sie werden wieder k�rzer. Unser Mut aber steigt, das kommende Dunkel zu durchbrechen. Niemals d�rfen wir blind werden im Kampf. Flamme k�nde uns, leuchte uns, zeige uns den Weg, von dem es kein Zur�ck mehr gibt! Flammen z�ndet, Herzen brennt! [Wegm13].

 

 

 

 

 

25.  Juni

Leider war der Vogel schon ausgeflogen

 

Inzwischen ist der Parteivorstand der SPD nach Prag geflohen. Als am 22. Juni die Regierung die Partei verbietet, kommentiert der Exil-Vorw�rts recht hilflos Verbot schafft klare Bahn! und jetzt ist der letzte Schein demokratischer Legalit�t vernichtet.

 

Doch noch gibt es die b�rgerlichen Parteien. Da meldet Ende Juni Der Alemanne: Dieser Tage sollte in Verfolgung des gro�en Reinemachens in Deutschland der fr�here Reichskanzler Dr. Josef Wirth in Schutzhaft genommen werden. Leider war der Vogel schon ausgeflogen. Wie verlautet nach der Schweiz ... Dieser Zentrumsf�hrer unterscheidet sich in Wort und Tat seiner langj�hrigen unr�hmlichen politischen T�tigkeit kaum von einem Marxisten [Kauf89].

 

 

 

 

 

5. Juli

Er musste nur pusten

 

Nach Abschluss des Konkordats zwischen der Reichsregierung und dem Vatikan, l�st sich am 5. Juli  die Zentrumspartei, wie die Presse vermeldet, im Einvernehmen mit dem Reichskanzler auf. Inzwischen freundet sich Erzbischof Conrad Gr�ber mit dem Regime an. Nachdem er die SS in Freiburg als die anst�ndigste Organisation innerhalb der Partei bezeichnet, wird er 1934 f�rderndes Mitglied des Freundeskreises der SS [Wegm15].

 

Die kleine Zahl der Zentrumsabgeordneten findet sich pl�tzlich parteilos, m�chte aber, da frei gew�hlt, von ihren Stadtratsmandaten nicht lassen. Die Deutsche Gemeindeordnung vom 30. Januar 1934 entfernt auch diese Volksvertreter und schafft zudem Abstimmungen im Stadtrat ab [Ecke06]. Im Zuge der Gleichschaltung sind B�rgermeister nur noch Befehlsempf�nger in der Kette: F�hrer, Gauleiter, Kreisleiter, B�rgermeister.

 

Und so zieht Anfang Juli der franz�sische Botschafter in Berlin André Fran�ois-Poncet Bilanz: Alles, was in Deutschland au�erhalb der nationalsozialistischen Partei existierte, ist zerst�rt, zerstreut, aufgel�st, angegliedert oder aufgesaugt. Hitler hat die Partie mit geringem Aufwand gewonnen. Er musste nur pusten und das Geb�ude der deutschen Politik st�rzte zusammen wie ein Kartenhaus [Ullr17].

 

In der Tat, innerhalb von nur f�nf Monaten sind Grundrechte und Verfassung au�er Kraft gesetzt, die L�nder gleichgeschaltet, die Gewerkschaften zerschlagen, die Parteien verboten oder aufgel�st, Presse und Rundfunk auf Linie gebracht, die rechtliche Gleichstellung der Juden beseitigt.

 

14. Juli

Die Regierung erl�sst ein Verbot f�r die Neugr�ndung von Parteien. Somit ist die NSDAP die einzige legale politische Organisation.

 

 

 

 

20./21. Juli

Alles Recht ist dahin

 

Der Freiburger Priester und Theologieprofessor Egelbert Krebs schreibt Ende Juli in sein Tagebuch [Heil18]:

 

 

Als Mann des �Zentrums� erw�hnt Krebs in seinem Tagebuch die Hitlerianer, die die Entlassung nicht linientreuer �Pr�sidenten� betreiben. Er sieht darin lediglich? die Fortf�hrung des verr�terischen Staatsstreiches der (vorherigen) Regierung Papen-Schleicher unter Hindenburgs Verantwortung. Seine Aussage �ber diese Verschw�rungstheorie: Alles Recht ist dahin, gipfelt in einer Klage �ber den Reichspr�sidenten: Es herrscht der S�bel, die L�ge des Verrat[s] � und das im Namen Hindenburgs! Das �rgste, was seit 1918 �ber Deutschland kommen konnte! O Gott!

 

Krebs realisiert damals nicht, dass Papen und Schleicher bereits keine Rolle mehr spielen, die Hitlerianer l�ngst die Macht haben und es unter ihnen noch �rger kommen sollte.

 

Die Universit�t entzieht Krebs 1936 die Venia Legendi. Ein Jahr sp�ter wird er zwangspensioniert. Er �berlebt den Krieg, kann aber aus gesundheitlichen Gr�nden keine Vorlesungen mehr halten.

 

 

 

 

 

18. August

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Volksempf�nger VE301, Mittler zwischen geistiger Bewegung und Volk

 

 Anl�sslich der Funkausstellung in Berlin wird ein Radioger�t f�r Jedermann, der Volksempf�nger VE301, vorgestellt. Das K�rzel 301 steht f�r den 30. Januar, den Tag der Machtergreifung. Damit wird nach Reichspropagandaminister Joseph Goebbels der Rundfunk einflussreichster Mittler zwischen geistiger Bewegung und Volk, zwischen Idee und Menschen [Bock13]. Der Volksempf�nger mit einem Geh�use aus Bakelit kostet 76 Reichsmark (etwa 300 Euro) und ist gemessen an der Kaufkraft der Volksgenossen teuer, jedoch wesentlich preiswerter als die besseren Ger�te (200 bis 400 RM).

 

Auf der Funkausstellung 1933 sucht der Reichspropagandaminister nach der richtigen Frequenz (©BZ)

 

Genug ist genug

 

 Der Reichstagsabgeordnete der NSDAP, Wilhelm Frick, hatte im Mai 1932 get�nt: �Die Nacht nach dem Siege geh�rt Euch S.A.-Leuten, sie wird die Nacht der langen Messer sein!� Ohne die SA und ihren F�hrer Ernst R�hm h�tte es keine Machtergreifung gegeben.

 

 Nun ist die Macht da und die mehr als vier Millionen SA-M�nner sind frustriert als der Reichskanzler mit den konservativen Eliten, der Hochfinanz, dem Kapital und der Reichswehr kooperiert und von einem sozialistischen Umbau der Gesellschaft sowie Enteignungen nach dem 25-Punkte-Programm der NSDAP von 1920 nichts mehr wissen will.

 

Alte Kameraden und Kampfgenossen nach dem Hochverratsprozess 1924
aufgenommen von Hitlers "Hoffotografen" Heinrich Hoffmann (�Bundesarchiv)

Und so stellt sich Hitler Ende Februar 1934 gegen seinen Kampfgef�hrten der ersten Stunde, Duzfreund und Stabschef der SA Ernst R�hm. Doch der f�hlt sich als zweiter Mann im Staate noch vor Hermann G�ring und dem nachgeordneten F�hrer der SS, Heinrich Himmler. Unbehelligt lebt R�hm seine Homosexualit�t aus.

 

Beim Reichsparteitag 1933 marschiert SA mit ruhigem, festem Schritt (�dhm)

Sp�testens auf dem Reichsparteitag der NSDAP vom 1. Bis 3. September 1933 in N�rnberg ist der Machtanspruch der SA offensichtlich. Und so verb�nden sich G�ring und Himmler gegen R�hm, sammeln Beweismaterial und zeigen Hitler Dokumente, die auf einen angeblich geplanten Staatsstreich durch die SA hindeuten.

 

 Am 21. Juni 1934 l�sst Reichspr�sident von Hindenburg seinen Reichskanzler kommen und sagt ihm im Hinblick auf anhaltende Ausschreitungen der SA: Genug ist genug!

 

 So kommt es am 30. Juni 1934 zur Nacht der langen Messer, allerdings nicht so wie von Frick vorausgesagt. In Bad Wiessee wird die dort versammelte SA-F�hrung entweder gleich ermordet oder in Gewahrsam genommen, wobei Hitler es sich nicht nehmen l�sst, seinen Kampfgef�hrten Ernst mit vorgehaltener Pistole pers�nlich zu verhaften. Von Goebbels propagandistisch als R�hm-Putsch hochstilisiert werden in den folgenden Tagen in einem Aufwasch alle potenziellen Konkurrenten Hitlers ermordet von Gregor Strasser bis Kurt von Schleicher.

 

Als R�hms Nachfolger ernennt G�ring Viktor Lutze zum Stabschef der SA, �ber den folgende Anekdote �berliefert ist:  

 

G�ring ruft beim Stabschef an, doch der ist nicht zu Hause. Stattdessen nimmt Lutzes Fahrer den H�rer ab und stottert in die Muschel: �Hier Viktor Lutze sein Chauffeur�. Darauf G�ring aufgebracht: �H�rt denn die Schweinerei immer noch nicht auf�.

 

 Als am 2. August 1934 Hindenburg stirbt, werden durch ein Gesetz vom Vortage die �mter Reichskanzler und Reichspr�sident im Titel F�hrer vereinigt. Seit September 1934 ist die Nazi-Diktatur fest etabliert.

 

 

Heldische Epoche des Ringens gegen eine Welt von Feinden

 

 Zur St�rkung des Wehrwillens l�sst Oberb�rgermeister Kerber den Nagelbaum aus dem Ersten Weltkrieg aus dem Naturkundemuseum holen und ihn �unbedacht� an alter Stelle vor dem Schwabentor wieder aufstellen. Er soll ein Zeichen sein, dass in der heldischen Epoche des Ringens gegen eine Welt von Feinden, die Opferkraft der Heimat die N�gel in seine Rinde trieb! Ungesch�tzt vor Witterungseinfl�ssen verrottet das Denkmal so sehr, dass es 1938 zu einer Brutst�tte von Ungeziefer geworden war und verbrannt wird [Sigm14]. Als ein Symbol f�r das, was folgen sollte?

 

 

 

 

 

 

EnEngelbert Dollfu� auf Gedenkbriefmarke

Der Anschluss

 

Als Kriegsverlierer hatte �sterreich als Ergebnis der Friedensverhandlungen in St. Germain ein Friedensdiktat unterzeichnet, welches das Land auf die Grenzen seiner deutschsprachigen Bev�lkerung reduziert. Die am 12. November 1918 ausgerufene Republik Deutsch��sterreich scheint nicht lebensf�hig, doch ein Anschluss an Deutschland wird von den Siegerm�chten ausdr�cklich verboten.

 

Die innenpolitische Entwicklung der Republik ist gepr�gt von Hunger, Not, Armut, und Inflation. So kommt es schlie�lich 1933 zur Aufl�sung des Parlaments und Ausrufung eines klerikalen St�ndestaates mit einem Verbot aller Parteien. W�hrend im M�rz 1934 die Sozialdemokraten dagegen aufstehen, versuchen am 25. Juli die �sterreichischen Nationalsozialisten einen Putsch und ermorden den diktatorisch regierendem Bundeskanzler Engelbert Dollfu�. Ihm folgt als Regierungschef sein Innenminister Kurt von Schuschnigg, der den katholisch gepr�gten Austrofaschismus fortf�hrt: Mein Name ist �sterreicher, meine Heimat ist �sterreich, mein Volk, dessen Sprache ich spreche, ist deutsch [Hani02].  

 

 

Bis in den Tod rot-wei�-rot!

 

 Schon in seinem Buch Mein Kampf hatte Hitler 1924 gefordert: Deutsch�sterreich mu� wieder zur�ck zum gro�en deutschen Mutterlande. Eine Gelegenheit dazu bietet sich, als Schuschnigg 1937 die �sterreichischen Nationalsozialisten verbieten l�sst. Darob zitiert ihn Hitler am 12. Februar 1938 zu einem Treffen auf den Obersalzberg und droht unverhohlen mit dem deutschen Einmarsch: Wir sind daran, die beste Wehrmacht zu schaffen, �ber die das deutsche Volk jemals verf�gt hat. Es w�re unverantwortlich vor der Geschichte, dieses Instrument nicht zu gebrauchen [Mann89].

 

Der F�hrer verlangt nicht nur die Wiederzulassung der Nazipartei, sondern auch deren Beteiligung an der Regierung. Indem er am 16. Februar Arthur Sey�-Inquart als Innenminister in sein Kabinett aufnimmt, beugt sich Schuschnigg den Forderungen des Berchtesgadener Abkommens, bekennt sich aber am 24. Februar vor dem Bundestag zu einem �sterreichischen Staatspatriotismus: Wir bekennen uns feierlich vor aller Welt zu unserem Vaterland und schlie�t seine Rede mit dem theatralischen Ausruf: Bis in den Tod rot-wei�-rot! �sterreich! Anschlie�end versucht er, die drohende Annexion mit einem f�r den 13. M�rz anberaumten Plebiszit �ber die nationale Unabh�ngigkeit �sterreichs abzuwenden. Wegen der Beliebtheit des Nationalsozialismus bei jungen W�hlern d�rfen an der Volksabstimmung nur B�rger �ber 24 Jahre teilnehmen.

 

Am 11. M�rz 1938 h�lt Kanzler Schuschnigg seine Abschiedsrede und schlie�t mit den Worten: Gott sch�tze �sterreich!

 

 

Sie haben mich mit einer solchen Liebe empfangen, wie ich sie noch nie erlebt habe

 

 

�berall begr��t in einem Blumenkrieg  die Bev�lkerung die vorr�ckenden deutschen Soldaten nicht nur freundlich, sondern begeistert. Hitler selbst rollt um 15h50 in der N�he seiner Geburtsstadt Braunau im Wagen �ber den Inn. G�ring vermeldet per Telefon nach Berlin: Also in �sterreich ist unglaublicher Jubel. Wir haben ja selber nicht geglaubt, da� die Anteilnahme so gro� sein w�rde. Gegen Abend f�hrt der F�hrer in Linz ein. Im Rathaus mit st�rmischen Sieg Heil! - Rufen empfangen trifft er dort mit Sey�-Inquart zusammen. Beide beschlie�en den sofortigen Anschluss, dem bereits am folgenden Tag ein Kabinettsbeschluss zum Gesetz �ber die Wiedervereinigung �sterreichs mit dem Deutschen Reich folgt: �sterreich ist ein Land des Deutschen Reiches.

 

Die Mitglieder der Bundesregierung erheben sich zur Feier der Stunde von den Sitzen und leisten den Deutschen Gru� [Hani02]. Bereits 48 Stunden sp�ter leisten die �sterreichischen Soldaten den Treueid auf den F�hrer. Auch den Stra�enverkehr stellt �sterreich von Links- auf Rechtsverkehr um.

 

Die dramatischen Ereignisse im Spiegel der Freiburger Presse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Simon Winder stammt die folgende Beschreibung von Hitlers Auftritt am 15. M�rz 1938 auf dem Wiener Heldenplatz:
A reliable sense of settled gloom can always be had by standing in the half-complete mess of Heroes� Square in Vienna. It was here that Hitler had perhaps his greatest triumph, in the spring of 1938. German Austrians had met the notionally invading Nazi troops in a delirium of mass joy, their humiliation in the grubby little Republic of Austria at an end.
 

 

By the time that Hitler appeared on the balcony of the Hofburg, looking out onto the square at an adoring crowd of some two hundred thousand, many thousands of others (leftists, monarchists, Austrian patriots, Habsburgs) had been arrested and anti-Jewish violence had broken out. On crossing the Austrian border with his motorcade, Hitler had first gone to visit the graves of his parents in Upper Austria and then visited Linz, where he had been a student. But it was Vienna where, as a subject of Franz Joseph, he had spent his early twenties as a humiliated semi-vagrant. Standing on the hideously ornate and tacky Hofburg balcony he effectively became Franz Joseph, but a Franz Joseph who would rule a reconstituted Empire just on behalf of its German element, in grudging cooperation with the Hungarians � the other �Nibelung� race � and ending the politics which had dominated pre-1914 Vienna: Jews and Slavs would now once more be put back in their places.  

 

Balkon der neuen Hofburg in Wien den Heldenplatz �berschauend

 

 

Heroes� Square is a miserable spot. An old barracks and parade-ground cleared into an arena for Imperial splendour, it was only part-built when the Empire ended, leaving just two pathetic statues, one of Prince Eugene, the other of Archduke Charles, and it is now a car park subject to gusts of wind which whirl together dirt and discarded plastic cups* [Wind13]. 

*Wenn jemand auf dem halbfertigen dreckigen Heldenplatz in Wien steht, kann er sich immer darauf verlassen, dass ihn eine gedr�ckte Stimmung beschleicht. Hier hatte Hitler im Fr�hling 1938 vielleicht seinen gr��ten Triumph. Die Deutsch-�sterreicher begegneten den eigentlich in ihr Land einmarschierenden Nazi Truppen in einem Delirium �bersch�umender Freude. Ihre Erniedrigung in der kleinen schmuddeligen �sterreichischen Republik war nun zu Ende.

Als Hitler auf dem Balkon der Hofburg erschien und auf den Platz mit etwa zweihunderttausend ihn anbetenden Menschen blickte, waren bereits mehrere tausend andere (Linke, Monarchisten, �sterreichische Patrioten, Habsburger) verhaftet und grausame Gewaltt�tigkeiten an Juden ver�bt worden. Nachdem sein Fahrzeugkolonne die Grenze zu �sterreich �berrollt hatte, besuchte Hitler zun�chst das Grab seiner Eltern in Ober�sterreich und anschlie�end die Stadt Linz, in der er zur Schule gegangen war. Doch es war Wien, wo er, der Untertan Franz Josephs, seine fr�hen zwanziger Jahre als gedem�tigter Stadtstreicher verbracht hatte. Auf dem abscheulich dekorierten und protzigen Balkon der Hofburg wurde Hitler nun effektiv zu Franz Joseph, aber zu einem Franz Joseph, der ein wiedererstandenes Reich allein mit Deutschen regieren w�rde, widerwillig nur in Zusammenarbeit mit den Ungarn - der anderen Nibelungenrasse. Damit �nderte sich die Politik, die in Wien vor 1914 vorgeherrscht hatte: Juden und Slawen w�rden jetzt wieder in ihre Schranken gewiesen.

 Der Heldenplatz ist ein elender Ort. Ein ehemaliger Kasernen- und Paradeplatz umgewandelt in eine Arena kaiserlicher Gr��e, die allerdings beim Untergang der Donaumonarchie erst halb fertig war. Geblieben sind zwei stereotype Denkm�ler, eines f�r den Prinzen Eugen, das andere f�r Erzherzog Karl, die nun inmitten einer Parkfl�che stehen, auf der Windst��e Dreck und weggeworfene Plastikbecher hochwirbeln.  

 

Der Heldenplatz am 15. M�rz 1938

Das alles ficht den F�hrer nicht an, als er in dem von ihm ungeliebten Wien* vor �ber 100 000 begeisterten Menschen auf dem Heldenplatz vom Balkon der neuen Hofburg aus die gr��te Vollzugsmeldung seines Lebens verk�ndet: Als der F�hrer und Kanzler der deutschen Nation und des Reichs melde ich vor der Geschichte nunmehr den Eintritt meiner Heimat in das Deutsche Reich. Die Menge antwortet ihm mit minutenlangem ohrenbet�ubendem Jubel und Heilrufen.

*wegen der dort lebenden Juden von ihm Stadt der Blutschande genannt [Krei89]

 

Nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in �sterreich 1938
begr��t eine �berzeugte Familie die neuen Machthaber (©Bundesarchiv, Bild_146-1969)

Das Ausland nimmt diese Ereignisse mit Staunen und Skepsis zur Kenntnis und reagiert auf den Bruch des Versailler Vertrages ohne gro�e Proteste. Ein recht seltsames Echo kommt dabei aus Prag, wenn die nationaltschechische Zeitung Narodny Politica schreibt: Alle Tr�ume der Habsburger sind im Nichts zerronnen. Ein anderer Traum, die gro�deutschen Pl�ne, haben sich verwirklicht. Bismarck ist �bertroffen. Erst Adolf Hitler ist die Herstellung der Gro�deutschen Nation gelungen. Er hat die Tschechoslowakei von der Habsburger Gefahr befreit. Die Tschechoslowakei braucht sich vor dem Anschlu� Oesterreichs nicht zu f�rchten. Strategisch hat sich nichts ge�ndert. Welch ein Irrtum, brodelt es doch bereits gewaltig im Sudetenland, dessen deutschst�mmige Bewohner auch heim ins Reich wollen und und nach Meinung der Nazis sollen.

 

 

Nie wieder Habsburg

 

Wenn man die Freiburger Presse der ereignisreichen Tage liest, so stellt man fest, dass auch hier die Gleichschaltung bereits voll durchgeschlagen hat. Ob Freiburger Zeitung oder Der Alemanne, die Texte beider Bl�tter selbst im Kulturteil stimmen h�ufig w�rtlich �berein. Erwartet hatte ich, dass mit dem Anschluss die alte Anh�nglichkeit der Freiburger an das Haus Habsburg in einem lokalen Leitartikel positiv erw�hnt worden w�re. Im Gegenteil.

 

In einem Artikel: Ein neues Europa im Werden kritisiert der Autor den Habsburger Familienstaat: ... Eine Leidensgeschichte, die mit der ungl�ckseligen habsburgischen Hausmachtspolitk, die mit der Volksfremdheit einer Dynastie, die immer schon Verr�ter am Deutschtum gewesen ist, Str�me von Blut und Tr�nen �ber eines der deutschen Kernl�nder gebracht hat, ist durch die unwiderstehliche Gewalt einer Volkserhebung, die das Reich aus Ohnmacht und Schmach zu Kraft und Herrlichkeit gef�hrt hat, abgeschlossen worden. Was alle deutschen Idealisten der Vergangenheit, was bis Adolf Hitler gr��te Realpolitiker der deutschen Geschichte, der eiserne Kanzler, nicht zu l�sen vermochten, das hat die nationalsozialistische deutsche Freiheitsbewegung, das hat der F�hrer und Kanzler, als dieser Bewegung verantwortlicher F�hrer, in knapp f�nf Jahren Staatslenkung und Verantwortung zur Erf�llung gebracht. Das Gro�deutsche Reich ist entstanden. Das Deutschlandlied und seine Strophe: Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt! hat neuen Sinn und neue Vollendung erfahren und selten wurde schw�lstigeres Deutsch geschrieben.

 

Auch in einem Geschichtsartikel wird kr�ftig auf das Haus Habsburg eingepr�gelt, wobei der Autor sich ungeniert aus Mein Kampf bedient: Keine Dynastie hat dem deutschen Volk mehr geschadet als die Habsburger. Die Unterdr�ckung durch Habsburg hat aber dazu gef�hrt, da� in habsburgischen Landen ein Deutschtum heranwuchs, das durch langen Kampf in seinem v�lkischen Denken und Handeln vielfach weiter ist, als im �brigen Reich, wo die Unterdr�ckung nicht so stark war. So hat die Unterdr�ckungspolitik des Hauses Habsburg nun doch noch dem deutschen Volke Segen gebracht, weil heute der F�hrer dem Deutschen Reich Volksgenossen zur�ckf�hren kann, die in ihrem Glauben an Reich, Volk und F�hrer eins sind, und die neben ihrem Glauben an Deutschland nur eine Parole kennen: Nie wieder Habsburg.

 

 

Lebhafter Tausch von deutschen Menschen

 

Lediglich die Innsbrucker Zeitung beschw�rt die langj�hrigen positiven Beziehungen in der Vergangenheit zwischen Freiburg und Innsbruck: Der Breisgau und dessen Hauptstadt haben von 1368 bis 1805, also fast ein halbes Jahrtausend zu Oesterreich geh�rt. Zwischen Freiburg und Innsbruck bestanden in der ganzen langen Zeit nicht nur politische, sondern auch viele geistige und pers�nliche Beziehungen. Beamte und Kriegsleute, Schulm�nner und Gelehrte. Schriftsteller, Dichter und K�nstler sind zwischen beiden St�dten hin- und hergegangen. Bis zur Gr�ndung der Universit�t Innsbruck im Jahre 1677 war Freiburg mehr als Wien f�r die Tiroler die Landesuniversit�t und auch nachher gab es zwischen den Hochschulen zu Innsbruck und Freiburg einen ziemlich lebhaften Austausch an Professoren und Studenten. Freiburger Akademiker haben im Jahre 1809 als Freiwillige am Kampfe Oesterreichs und der L�nder Vorarlberg und Tirol gegen Napoleon und dem Rheinbund teilgenommen �

 

Die Stadt Freiburg benennt zur steten Erinnerung an die Wiedervereinigung der Ostmark mit dem Reich eine Zufahrtsstra�e zu den Schwarzwaldkasernen der Freiburger Friedensgarnison nach dem gr��ten Feldmarschall �sterreichs Conrad von H�tzendorf. In dem Artikel wird auch an weitere bereits damals und auch heute noch vorhandenen �sterreichische Stra�ennamen erinnert: Innsbrucker, Maximilian, Maria-Theresia, Prinz Eugen.  

 

Ein Jahr sp�ter findet sich im Jahrbuch der Stadt der Stadt Freiburg ein positiver Hinweis auf die alten Beziehungen zum Habsburger F�rstenhaus: Freiburg und Wien, die Stadt am Schwarzwald und die unter dem Kahlenberge, stehen r�umlich am weitesten voneinander ab, und sie leben auch jede nach ihrer unvereinbarten Eigenart. Indessen zwischen ihnen hat es lange Zeit einen lebhaften Tausch von deutschen Menschen gegeben und Verbindungen durch das gleiche F�rstenhaus und die staatliche Verwaltung. All das, was einst bestand und schon verschollen war, ist nun auf das Reich �bergegangen und zu neuer Bedeutung erwacht. Der wuchtige Turm des Freiburger M�nsters und die zierliche Spitze des Wiener Domes ragen nun wieder geschwisterlich auf das Wahrzeichen gleicher Sendung: Westmark und Ostmark [Nadl39]. Was meint der Autor mit Westmark. Ist dies ein Hinweis auf das Elsass?

 

Stolz pr�sentiert damals die Freiburger Zeitung die Ausdehnung des Gro�deutschen Volkreichs im Vergleich zum kleindeutschen 2. Reich Bismarcks. Fehlt da nicht noch was? 

 

 

In die Ostmark zieht der Fr�hling ein

 

Am 25. M�rz sagt Hitler in einer Rede in K�nigsberg: Gewisse ausl�ndische Zeitungen haben behauptet, wir seien mit brutalen Methoden in �sterreich eingefallen. Ich kann nur sagen, selbst im Tode verbreiten sie noch L�gen. Ich habe im Laufe meines politischen Kampfes viel Zuneigung von meinem Volk erfahren, aber als ich die fr�here Grenze �berschritt, haben sie mich mit einer solchen Liebe empfangen, wie ich sie noch nie erlebt habe. Nicht als Tyrannen sind wir gekommen, sondern als Befreier. Also singen markige Soldatench�re und lassen es aus allen Lautsprechern des Gro�deutschen Rundfunks schallen: In die Ostmark zieht der Fr�hling ein, und ein Volk wird gl�cklich sein �  

 

 

Die Deutschen �sterreichs treten heute geschlossen ein in die deutsche Volksgemeinschaft

 

In die ganze Ostmark? Nein! Unbeugsame B�rger h�ren nicht auf, dem Naziregime Widerstand zu leisten*. Andere �sterreicher vor allem Juden gehen freiwillig oder werden in die Emigration getrieben. Der Widerstand �u�ert sich betont �sterreichisch-national und richtet sich verst�rkt gegen die Beherrschung und Ausbeutung der Ostmark durch das Altreich. In der Tat finden sich im Wirtschaftsteil der Freiburger Zeitungen schon bald �berlegungen �ber die gestiegene Wirtschaftskraft des Reiches nach dem Anschluss, wobei der bekannt geringe Beitrag der Ostmark sch�ngeschrieben wird.

*Die einst so unbeugsamen Gallier m�gen mir dieses Plagiat verzeihen  

 

Der Schwenk der Kirche von der tragenden Kraft des Austrofaschismus der Herren Dollfu� und Schuschnigg zur bedingungslosen Unterst�tzung des Nationalsozialismus Sey�-Inquarts geschieht �ber Nacht, als nach dem Anschluss der Wiener Kardinal Innitzer folgenden Aufruf erl�sst: Die Katholiken der Wiener Erzdi�zese werden ersucht, Sonntag zu beten, um Gott dem Herrn zu danken f�r den unblutigen Verlauf der gro�en politischen Umw�lzung und um eine gl�ckliche Zukunft f�r �sterreich zu bitten. Selbstverst�ndlich mu� allen Anordnungen der Beh�rden gern und willig Folge geleistet werden. Weiter liest man in der Presse: Wir sehen in der Liebe zu unserem Volk den besten Dienst am Sch�pfer und geben freudig dem Volke, was des Volkes ist und Gott, was Gottes ist. Der h�chste Kirchenf�rst unseres Landes hat die langersehnte Stunde der deutschen Einigung gesegnet. So d�rfen wir, dem F�hrer offen ins Auge blicken, sagen: Die Deutschen �sterreichs treten heute geschlossen ein in die deutsche Volksgemeinschaft. Da stattet der F�hrer dem Kirchenf�rsten voller Dankbarkeit pers�nlich einen Besuch ab.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedenkm�nze
M�nchener Abkommen

Hitler, Mussolini
Chamberlain, Daladier

 

F�r �sterreich habet ihr alle geschworen

 

Doch nicht alle halten sich an die Vorgaben der Kirche. Im Jahre 1943 wird in Wien Im Namen des Deutschen Volkes die Franziskaner-Schwester Restitua (Helen Kafka) wegen der Verbreitung von Flugbl�ttern, die zur Wehrzersetzung und zum Hochverrat aufrufen, zum Tode verurteilt und hingerichtet. In der Urteilsbegr�ndung hei�t es: Bei den Flugbl�ttern � handelt es sich um eine Schm�hschrift mit der �berschrift Soldatenlied sowie um eine mit den Worten Deutsche katholische Jugend beginnende Hetzschrift, welche die Tagesangabe 8. Juni 1941 tr�gt. Das Soldatenlied hat folgenden Wortlaut:

 

Erwacht, Soldaten und seid bereit,
Gedenkt eures ersten Eid.
F�r das Land, in dem ihr gelebt und geboren,
F�r �sterreich habet ihr alle geschworen.
Da sieht ja schon heute jedes Kind,
Dass wir von den Preu�en verraten sind.
F�r die uralte heimische Tradition
Haben sie nichts als Spott und Hohn.
Den alt�sterreichischen General
Kommandiert ein Gefreiter von dazumal.
Und der �sterreichische Rekrut
Ist f�r sie nur als Kanonenfutter gut.
Zum Beschimpfen und Leuteschinden
M�gen sie andre Opfer finden.
Mit ihrem gro�en preu�ischen Maul
Sind sie uns herabzusetzen nichtfaul.
Daf�r haben sie bis auf den letzten Rest
Die Ostmarkzone ausgepresst.
Unser Gold und Kunstsch�tze schleppten sie gleich
In ihr abgewirtschaftetes Nazireich.
Unser Fleisch, Obst, Milch und Butter
Waren f�r sie ein willkommenes Futter.
Sie befreiten uns und ehe man's glaubt,
Hatten sie uns g�nzlich ausgeraubt.
Selbst den ruhmvollen Namen stahl uns die Brut
Und jetzt wollen sie auch noch unser Blut.  

Der Bruder Schn�rschuh ist nicht so dumm,
Gebt Acht, er dreht die Gewehre um.
Der Tag der Vergeltung ist nicht mehr weit,
Soldaten gedenkt eures ersten Eids.
�sterreich!
Wir �sterreicher auf uns gestellt.
Hatten Frieden und Freundschaft mit aller Welt.
Die Welt vergiftet mit ihrem Hass,
Sie machet sich jedes Volk zum Feind,
Sie haben die Welt gegen sich vereint.
Die M�tter zittern, die M�nner gegangen,
Der Himmel ist schwarz, mit Wolken verhangen.
Der schrecklichste Krieg, den die Menschheit gekannt,
Steht furchtbar vor unserem Heimatland.
Es droht uns Elend und Hungersnot,
Der M�nner und J�nglinge Massentod.
Kameraden trotzt dem verderblichen Wahn,
Was gehen uns die H�ndel der Preu�en an?
Was haben uns die V�lker getan?
Wir nehmen die Waffen nur in die Hand
Zum Kampf f�rs freie Vaterland.
Gegen das braune Sklavenreich,
F�r ein gl�ckliches �sterreich. 

 

 

Hitlerjugend st�rt katholische Jugendkundgebung in Freiburg

 

Weiter hei�t es in der Urteilsbegr�ndung: In der Flugschrift Deutsche katholische Jugend wird eine angebliche St�rung einer katholischen Jugendkundgebung in Freiburg im Breisgau zum Anla� genommen, die F�hrung der Hitlerjugend in niedertr�chtiger Weise zu verd�chtigen und zu beschimpfen und die katholische Bev�lkerung gegen die nationalsozialistische Staatsf�hrung aufzuhetzen � Die oben w�rtlich wiedergegebene Flugschrift mit dem Titel Soldatenlied hat unzweifelhaft hochverr�terischen Charakter. In diesem Hetzgedicht werden die ostm�rkischen Soldaten aufgefordert, sich nicht l�nger f�r das nationalsozialistische Gro�deutschland, dessen F�hrer in niedertr�chtiger Weise beschimpft und verleumdet wird, einzusetzen, sondern die Waffen umzukehren und f�r die Wiederherstellung eines selbst�ndigen �sterreichischen Staates zu k�mpfen [Zept05].

 

 

Sudetenkrise

 

 Mit dem Anschluss �sterreichs war Hitlers Expansionsdrang im Osten nicht befriedigt. So unterst�tzt das Deutsche Reich die Bestrebungen der deutschst�mmigen und �sprachigen Sudeten in ihrem Kampf gegen die tschechische Herrschaft. Als sich die Krise im Herbst 1938 zuspitzt, kommt es zur M�nchener Konferenz. Dar�ber schreibt Stephen Clarke in seinem Buch 1000 Years of Annoying the French: The motive for the summit was that Hitler wanted international permission to repossess the Sudetenland, a mainly German-speaking region that had become part of Czechoslovakia after World War One* [Clar10].

*Der Grund f�r dieses Treffen war, dass Hitler eine internationale Zustimmung f�r die Wiedergewinnung des Sudetenlands, eines deutschsprachigen Gebiets, welches nach dem Ersten Weltkrieg Teil der Tschechoslowakei geworden war, wollte.

 

Die Reaktionen Frankreichs und Gro�britanniens auf diese Forderung sind unterschiedlich: Britain was disturbed by France's eternal anti-German belligerence and felt rather guilty about the vengefulness of the Treaty of Versailles, while France was aghast at Britain's apparently short memory. Meanwhile, America wisely decided to stay out of all this old-fashioned European posturing - it was just recovering from the Depression and didn't need a war to bankrupt it again. All of which explains why the Munich Conference in September 1938, between France, Britain, Italy and Germany, was such a farce*.

*Das andauernde antideutsche S�belrasseln Frankreichs verst�rte die Briten, die sich wegen der im Versailler Vertrag ausgedr�ckten Rachegedanken ziemlich schuldig f�hlten, w�hrend Frankreich �ber das scheinbar kurze Ged�chtnis der Briten entsetzt war. W�hrenddessen entschied Amerika, sich aus all dem altbackenen europ�ischen Imponiergehabe herauszuhalten. Die USA erholten sich gerade von der gro�en Depression und hatten keinen Krieg n�tig, um erneut pleite zu gehen. Alles das erkl�rt, warum die M�nchener Konferenz zwischen Frankreich, Gro�britannien, Italien und Deutschland im September 1938 zu einer Farce geriet.

 

The French Premier, Edouard Daladier, was all for saying non, and warned Britain's PM, Neville Chamberlain, that if the Western powers capitulate, they will only hasten the war they wish to avoid. Daladier even predicted that Hitler was aiming for a domination of the continent in comparison with which the ambitions of Napoleon were feeble. Quite something, coming from a Frenchman*.

*Der franz�sische Premier, Edouard Daladier, war fest entschlossen, nein zu sagen, und warnte den britischen Premierminister Neville Chamberlain dass, sollten die Westm�chte nachgeben, sie nur den Ausbruch des Krieges, den sie vermeiden wollten, beschleunigen w�rden. Daladier sagte sogar voraus, dass Hitler die Herrschaft �ber Europa anstrebe, dem gegen�ber der Ehrgeiz Napoleons verblasse. F�r einen Franzosen ist diese Bemerkung recht au�ergew�hnlich.

 

Aufr�stung 1938. Feierliche Vereidigung von SS-Truppen auf den F�hrer
 vor der M�nchener Feldherrnhalle (©LIFE-Archiv)

Next morning Chamberlain had a private meeting with Hitler at which they co-signed a non-aggression pact � Chamberlain then flew home � where he famously waved his peace for our time letter, the scrap of paper signed by Hitler that morning. Pointedly excluding his supposed French allies, Chamberlain spoke to the assembled crowd: We regard the agreement signed last night... as symbolic of the desire of our two peoples never to go to war with one another again  � In archive film footage, Chamberlain looks like a nice old man who wants everyone to be friends ... On the other side of the Channel, Daladier, like Chamberlain, returned home from Munich to a hero's welcome. His reaction, though, was less rosy-eyed. Looking out at the cheering crowds, he apparently told an aide, Ah, les cons* [Clar10].

*Am n�chsten Morgen hatte Chamberlain ein privates Treffen mit Hitler, bei dem sie gemeinsam einen Nichtangriffspakt unterzeichneten. Anschlie�end flog Chamberlain heim, wo er bekanntlich seinen Frieden f�r unsere Zeit Brief schwang, den Fetzen Papier, den Hitler eben unterzeichnet hatte. Seine sogenannten franz�sischen Verb�ndeten bewusst ausschlie�end, sprach Chamberlain zu der versammelten Menge: Wir betrachten das in der letzten Nacht unterzeichnete Abkommen als symbolisch f�r den Wunsch unserer beider V�lker, niemals wieder gegeneinander Krieg zu f�hren. In den alten Filmen sieht Chamberlain wie ein netter alter Mann aus, der m�chte, dass alle Freunde sind. Auf der anderen Seite des Kanals kehrte Daladier wie Chamberlain ebenfalls aus M�nchen zur�ck und wurde wie ein Held gefeiert. Seine Reaktion war jedoch weniger blau�ugig. Als er die jubelnde Menge erblickte, sagte er angeblich einem Mitarbeiter: Oh, diese Deppen.

 

 

Nicht nur Kristall zerschlagen

 

Die Kampagne gegen j�dische Mitb�rger hatte in Freiburg dazu gef�hrt, dass von den rund 1300 Mitgliedern der Gemeinde bis November 1938 etwa die H�lfte ausgewandert waren. Nun findet die Verfolgung der Juden �berall im Reich ihren spektakul�ren H�hepunkt am 9. November 1938 in der sogenannten Reichspogromnacht (auch Reichskristallnacht). Noch am 7. November hatte der unverd�chtige Winston Churchill in der London Times geschrieben: I have always said that if Great Britain were defeated in war, I hope that we shall find a Hitler to lead us back to our rightful position among the nations* [Hoch89]. Als er am 10. November die Berichte aus dem Reich in der Times liest, hat er sicherlich gew�nscht, der Bleistift w�re ihm drei Tage vorher abgebrochen.

*Ich habe immer gesagt, ich hoffe, wenn Gro�britannien in einem Krieg besiegt worden w�re, dass wir einen Hitler finden werden, der uns an den uns zustehenden Platz unter den Nationen zur�ckf�hrt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reichsredner Walter Gunst

 

In der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 brennt die Freiburger Synagoge. Als Brandstifter werden der ausgewiesene Antisemit und F�hrer der 65. SS-Standarte Schwarzwald in Freiburg Walter Gunst und der SA-Brigadef�hrer Joachim Weist identifiziert [Wegm12].

 

Die SS mit ihrem Motto: Meine Ehre hei�t Treue hatte sich bereits im Juli 1929 lokal im katholischen Freiburg - im Jargon der Partei wegen der starken Zentrumspartei als Schwarze Waldhauptstadt bezeichnet - etabliert [Wegm15].

 

Gunst (links) in schwarzer Uniform mit umgeschnallten
SS-Ehrendegen bei einer politischen Kundgebung in Freiburg. Er schaut ebenso gelangweilt wie seine Kollegen von SA und Wehrmacht
(©Stadtarchiv).

 

 Gunst, gelernter Anstreicher, seit 1926 NSDAP Mitglied, hatte sich in Leipzig 1927 �ber die SA und seit 1931 in der SS vom Unterf�hrer bis 1935 zum Kommandanten des SS-Standarte Elbe hochgedient. In Sachsen ist Gunst als Brauner Bonze und notorischer Suffkopp bekannt. W�hrend seine Korruption und Unterschlagungen anf�nglich noch durchgehen, stolpert der verheiratete Familienvater von drei Kindern schlie�lich �ber eine Sexaff�re, die im Februar 1936 zu seiner Amtsenthebung f�hrt. Die SS will jedoch auf den ausgebildeten Reichsredner nicht verzichten, degradiert ihn lediglich und versetzt ihn im September 1936 in die Provinz nach Freiburg. Hier setzt er seine Redekunst zur Spendenwerbung beim F�rderverein der SS ein u. a. mit einem Vortrag �ber: Der Jude als Parasit im Leben der V�lker. Dabei wendet er sich besonders gegen das Mitleid mit den anst�ndigen Juden, denn diese seien die hinterlistigen.

 

Freiburger Synagoge in flore 1926 (©Landesarchiv Baden-W�rttemberg)

 

Lassen Sie die Paragraphen zu Hause, das ist eine politische Angelegenheit

 

So ist Gunst als Brandstifter der Freiburger Synagoge pr�destiniert. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 l�sst Gunst Benzin besorgen, schl�gt die T�r zum Geb�ude ein und leert mit seinen Helfern die Kanister in der Synagoge aus, w�hrend gleichzeitig die Gestapo die Kellerr�ume nach Dokumenten durchsucht. Als zwischen drei und vier in der Fr�h der Brand ausbricht, kommt es, wie zu erwarten, zu einem heftigen Verbalabtausch zwischen den ahnungslosen Gestapoleuten und den z�ndelnden SS-M�nnern. Diese lassen in einer perfiden Anwandlung Rabbiner Siegfried Scheuermann, Kantor David Ziegler und Lehrer Loeb David Maier aus den Betten holen und zwingen die M�nner, dem Brand der Synagoge zuzusehen [Goeb13].

 

�ber das Eintreffen der Feuerwehr, die wegen Verdacht auf Brandstiftung mit einem Kriminalbeamten anr�ckt, schreibt der damalige Student der Jurisprudenz Wolf Middendorff nach dem Kriege: An der Brandstelle erkennt der begleitende Kriminalbeamte zwei hohe SS-Offiziere, die ihn barsch zur�ckweisen, so da� er seine Arbeit nicht aufnehmen kann. Ein Kollege, der zwischen f�nf und sechs an der Brandstelle vorbeikommt, beobachtet, wie sich die Feuerwehr darauf beschr�nkt, die Nachbargeb�ude zu sch�tzen. Er wird ebenfalls verjagt und macht daraufhin eine Meldung an die Freiburger Staatsanwaltschaft. Als diese die offensichtliche Brandstiftung an die Generalstaatsanwaltschaft nach Karlsruhe meldet, hei�t es, der Brand der Freiburger Synagoge sei keine Neuigkeit. In ganz Deutschland brennen die Synagogen und der Generalstaatsanwalt f�gt noch hinzu: Lassen Sie die Paragraphen zu Hause, das ist eine politische Angelegenheit [Midd79].

 

 

Sie tunke den Araber von dene Jude i

 

Die Journalistin K�the Vordtriede erinnert sich an den 10. November in Freiburg: Nichtsahnend ging ich an jenem Morgen in die Stadt, und ehe ich noch die brennende Synagoge und die eingeschlagenen, ausgeraubten Schaufenster des einzigen noch vorhandenen Gesch�ftes mit j�dischem Inhaber sah, kam ich an einen Brunnen, um den eine ganze Menge Leute standen. Ich fragte eine Frau, was es da g�be, und sie antwortete: �Sie tunke den Araber von dene Jude i!� Sie verwechselte die Worte Araber und Rabbiner. Der Ungl�ckliche wurde mit dem Kopf in das schon kalte Wasser getaucht.

 

Goebbels und die deutsche Regierung betonten in ihren langen Er�rterungen ihre Milde und Nachsicht [...]. Das war das Allerwiderlichste [Vord99].

 

 

Zu feige, um mich dem Geschehen zu stellen und etwas zu sagen

 

Im Reich sind die brennenden Synagogen eine Z�sur. Von nun an ist der Gewalt gegen Juden und ihren Einrichtungen keine Grenze gesetzt. Fast alle B�rger schauen zu, akzeptieren die Geschehnisse. So auch der Dichter Reinhold Schneider, der sich sp�ter gro�e Vorw�rfe machte: Am Tag des Synagogensturms h�tte die Kirche schwesterlich neben der Synagoge erscheinen m�ssen. Es ist entscheidend, da� das nicht geschah. Aber was tat ich selbst? Als ich von den Br�nden, Pl�nderungen, Greueln h�rte, verschlo� ich mich in meinem Arbeitszimmer, zu feige, um mich dem Geschehen zu stellen und etwas zu sagen [Meck23].

 

 

Wetzt die langen Messer am Synagogenstein

 

Middendorff berichtet weiter �ber den 10. November Als ich am Morgen des 10. November 1938 in Freiburg auf dem Wege zur Universit�t war, sah ich, dass die Synagoge halb zerst�rt war. Offensichtlich hatte sie gebrannt. Die teilweise geschw�rzten Au�enmauern standen noch, der Platz rund um die Synagoge war von SS-Leuten abgesperrt, die jeden Zutritt verweigerten und streng darauf achteten, dass niemand fotografierte [Wolt18].

 

Verbrannte und gesprengte Synagoge (©Stadtarchiv Freiburg)

Trotz des strengen Fotografierverbots schie�t Middendorff von einem Fenster der Universit�t aus heimlich obiges Bild der zerst�rten Freiburger Synagoge. Dieses �einzige� Foto wurde als Erinnerung vielfach kopiert und war auch auf der Informationstafel beim Gedenkbrunnen, der den Grundriss der Alten Synagoge nachzeichnet, zu sehen. Als der Historiker Markus Wolter nachwies, dass der gef�hlte Held von 1938 eine tiefbraune Vergangenheit* hat, kommt die Stadt in Erkl�rungsnot.

*Wolf Middendorff, NSDAP-Mitglied von 1935 bis 1945, schrieb u.a. den folgenden Vers: Wetzt die langen Messer am Synagogenstein, da� sie besser flutschen in den Judenbauch hinein. [Wolt18].

 

Freiburger Synagoge am 10. November 1938 gegen Mittag. Deutlich sind in dem gro�en Fenster Teile der eingest�rzten Decke zu sehen. Ein Schupo bewacht den Treppenaufgang, st�rt sich aber nicht an dem fotografierenden Josef Vollmer. (©Stadtarchiv Freiburg)

Wie gut, dass sich im Fr�hjahr 2018 ein weiteres Foto findet, welches die ausgebrannte Synagoge am Mittag des 10. November zeigt. Zwar ist durch den Brand in der Nacht das Dach eingest�rzt, doch ist von Sprengungen nichts zu sehen. Tats�chlich l�sst das St�dtische Tiefbauamt unter dem Kommando des Stadtbauinspektors, SS-Untersturmbannf�hrers und Sprengmeisters Wilhelm Kunzmann das Gotteshaus wegen Einsturzgefahr erst im Laufe des folgenden Tages �niederlegen�. So ist Middendorffs Aufnahme wohl am sp�ten Nachmittag des 10. oder am 11. November entstanden. In den folgenden Monaten wird der Standort der Synagoge dem Erdboden gleichgemacht [Wolt18a].

 

 

In Schutzhaft

 

Die Freiburger Zeitungen verschweigen den Synagogenbrand und berichten  stattdessen �ber Abwehrreaktionen gegen das j�dische Verbrechertum: Die allgemeine Emp�rung �ber das ruchlose Verbrechen des Juden Gr�nspan* in Paris machte sich da und dort in Zusammenrottungen Luft. Eine gro�e Anzahl Juden mu�te zu ihrer eigenen Sicherheit in Schutzhaft genommen werden.

 

*Herschel Grynszpan, ein 15-j�hriger polnischer Jude aus Hannover, war nach Frankreich gereist und soll sich in Paris arbeits- und mittellos als Strichjunge durchgeschlagen haben. Dort lernt er den Legationssekret�r der Deutschen Botschaft Ernst vom Rath kennen. Herschel, der von den Ausweisung polnischer Juden aus Deutschland h�rt, bittet vom Rath f�r seine Eltern. Als er Anfang November von seiner Schwester erf�hrt, dass die Beh�rden die Eltern Ende Oktober nach Polen abgeschoben hatten, rastet Herschel aus. Am 7. November begibt er sich in die Deutsche Botschaft und streckt vom Rath mit mehreren Sch�ssen nieder. Schwer verletzt erliegt der Legationssekret�r am 9. November seinen Verletzungen [Meck18].

 

Lediglich der Alemanne berichtet am 10. November 1938 in einer einspaltigen Notiz �ber den Synagogenbrand in Freiburg

 

 

Tats�chlich werden in Freiburg noch in der Nacht und am folgenden Tag zahlreiche j�dische Mitb�rger verhaftet, von denen die Beh�rden 137 m�nnliche Juden �ber 18 Jahre mit der Reichsbahn als Sch�blinge ins KZ Dachau n�rdlich von M�nchen verbringen [Wegm12].

 

Mit der Einlieferung von etwa 30 000 Juden in Konzentrationslager reichsweit soll vor allem deren Auswanderungswilligkeit erzwungen werden. In Dachau allein gibt es in den ersten Wochen der Internierung 185 Tote. So kommen nach einigen Monaten nur 60 Freiburger wieder heim, ausgehungert, krank und mit schweren Erfrierungen [Midd79]. Bedingung f�r ihre Freilassung ist der Verkauf ihrer Gesch�fte, Geb�ude und Grundst�cke.

 

Kr�nze und Lichter am Platz der alten Synagoge in Freiburg am Abend des 10. November 2012

 

Sigmund und Lina Fleischmann

 

Unter den R�ckkehrern aus Dachau ist auch der 1874 geborene H�ftling Nummer 23221 Professor a. D. Sigmund Fleischmann aus der Sternwaldstra�e, verhaftet am 11. November 1938, dem ich einen Stolperstein setzen lie�. Er stirbt 1939 in Freiburg an den Folgen der Internierung in Dachau. Seine Frau Lina wird am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und im Mai 1944 in Auschwitz ermordet [Meck06b].

 

In der Tat sind die Ereignisse der Reichskristallnacht der Ausl�ser einer aggressiven antij�dischen Politik. Zynisch wird den Juden die Zahlung einer S�hneleistung f�r die von den Nazis angerichteten Sch�den in der exorbitanten H�he von einer Milliarde Mark auferlegt, w�hrend die Finanzbeh�rden die Arisierung j�discher Unternehmen vorantreiben.

 

Seit dem 15. November 1938 d�rfen Juden keine deutschen Schulen und Universit�ten mehr besuchen, ab dem 1. Januar 1939 keine Gesch�fte mehr betreiben [Haum15]. In Freiburg ist man dem schon weit voraus, denn bereits ab dem 1. April 1937 betreibt die K.G. Fritz Richter die Kaufh�user des Warenhausjuden Sally Knopf.

 

1939 v�llig gleichgeschaltet: 1. Maifeier auf dem M�nsterplatz (©Freiburger Stadtarchiv)

Der Reichstag tritt in Ermangelung seines Geb�udes in der Krolloper zusammen:
1939 stehende Ovationen f�r den F�hrer stehend auf der Regierungsbank vorne rechts. Reichstagspr�sident unter dem Hakenkreuz ist G�ring (©LIFE-Archiv) .

 

Das Naziregime versinkt immer tiefer in L�gen und Leichen. So wird der Angriff auf Polen mit �bergriffen angeblicher polnischer Freisch�rler auf den Sender Gleiwitz begr�ndet. Guttural verk�ndet der F�hrer am 1. September 1939 in der Krolloper vor dem versammelten Reichstag: Polen hat heute Nacht zum erstenmal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regul�ren Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zur�ckgeschossen; und so t�nt es auch aus den Volksempf�ngern.

 

Es war eine doppelte L�ge, denn bereits um 4 Uhr 45 hatten deutsche Truppen die Grenze zu Polen �berschritten und ab 4 Uhr 47 hatte die im Danziger Hafen liegende und als Schulschiff ausgewiesene Schleswig-Holstein das polnische Munitionslager auf der Westerplatte beschossen.

 

Noch 1938 in Amerika: Man of the Year.

 

 

De Gaulle auf einer 2 Eurom�nze.

Vor 70 Jahren:
Appel du 18 juin 1940

 

 

 

 

 

La France a perdu une bataille! Mais la France n'a pas perdu la guerre!

 

 

 

Es ist der Beginn des 2. Weltkrieges,

 

 

Doch erst neun Monate nach Kriegsausbruch am 11. und 13. Juni 1940 beschie�en die Franzosen in alter Tradition Freiburg diesmal jedoch aus der Ferne. Ohne gro�e Wirkung werden die s�dlichen Stadtteile getroffen. Dann folgen der deutsche Blitzkrieg und der Sieg. Doch anders als 1914 gibt es in Freiburg keine Euphorie, die sich auch nach der raschen Niederwerfung des Erbfeindes nicht einstellen will.

 

 

Im anschlie�enden Waffenstillstand mit Frankreich, der in dem ber�chtigten Eisenbahnwagen im Wald von Compiegne unterzeichnet wird, suchen die deutschen Besatzer vergeblich durch eine wohlwollende Kollaboration mit dem Vichy-Regime die Ruhe im Westen, um den Angriffsplan Barbarossa gegen die Sowjetunion im Osten (als Kreuzzug gegen den Kommunismus deklariert, doch diesmal ertrinkt der F�hrer nicht) ungest�rt durchf�hren zu k�nnen.

 

Siegestroph�e aus dem Wald von Compi�gne 1940 am Brandenburger Tor [Leon18].

Die feierliche �berf�hrung der Asche Napoleons II. 1940 in den Pariser Invalidendom, als eine vers�hnliche Geste gedacht, mag die Franzosen jedoch nicht �ber den verlorenen Krieg und den erneuten Verlust des Elsass' hinwegtr�sten. General De Gaulle im fernen London versichert in einer Radioansprache am 18. Juni 1940 - es ist der 125. Jahrestag der Schlacht bei Waterloo - wie weiland Preu�ens Friedrich Wilhelm: Frankreich hat eine Schlacht verloren, aber nicht den Krieg!

 

 

 

 

 Der Oberrhein ist judenrein

 

Im Jahre 1940 leben von urspr�nglich 1138 j�dischen Mitb�rgern noch etwa 600 in Freiburg. Sie werden am 22. Oktober 1940 zusammen mit anderen Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in der nach den Gauleitern B�rckel (Gau Saarpfalz) und Wagner benannten Aktion in das Camp de Gurs in den Pyren�en verschleppt. Das Lager Gurs liegt in dem von Vichy aus regierten und von den Deutschen unbesetzten Teil Frankreichs.

 

*Das schlichte Mahnmal am Annakirchlein wurde von Andreas Meckel am 22. Oktober 2006 der �ffentlichkeit �bergeben.

 

  Der Deportationsbefehl erreichte die Freiburger Juden vollkommen �berraschend und fand perfiderweise an einem hohen j�dischen Festtag, dem heiteren Laubh�ttenfest, statt. Binnen Stunden mussten die Betroffenen ihre Habseligkeiten zusammenpacken und ihren �brigen Besitz per Unterschrift an das Reich abtreten [Amts10].

 

 

Mit nur wenig Habseligkeiten unter den Augen der Staatspolizei.
Man beachte die Gaffer an den Fenstern.
Das Foto zeigt den Abtransport der Juden in L�rrach im Rahmen der B�rckel-Wagner Aktion. Uniformierte Gestapo-Beamte kommandieren die erniedrigten Menschen herum,
die unter den Augen ihrer Mitb�rger auf den Abtransport warten

Den ganzen 22. Oktober lang wurden j�dische Freiburgerinnen und Freiburger aus ihren Wohnungen geholt. Sie mussten auf Sammelpl�tzen wie dem Hof der Hebelschule im St�hlinger stundenlang und teils die ganze Nacht warten, ehe sie irgendwann in Z�ge nach Gurs gesetzt wurden. Insgesamt sieben Z�ge brachten 6538 Frauen, M�nner und Kinder aus ganz Baden und der Pfalz in das s�dfranz�sische Lager. Konnte ein solches Geschehen in Freiburg unbemerkt bleiben? Wohl nur von denen, die nichts sehen wollten. Die Freiburger Bahnsteige seien schwarz von Menschen gewesen� [Boch10].

 

Deportation 1940. Der nach Gurs verschleppte Kurt L�w fertigte diese Kohlezeichnung w�hrend seiner Haftzeit im Lager an. Auf dem Polizeilastwagen sind Gefangene zu erkennen, auch ein Junge wird abtransportiert.

 

Hausrat und Immobilien wurden in den folgenden Monaten an die Freiburger Bev�lkerung versteigert oder verkauft - meist deutlich unter Wert [Amts10].

 

Erzbischof Gr�ber bittet in einem Brief den p�pstlichen Nuntius in Berlin um eine Intervention des Papstes zur Schonung der katholischen Juden. Vergebens, ist doch im Dritten Reich Jude keine Frage der Religion, sondern der Rasse [Haum15].

 

Viele Menschen �berleben die Strapazen des drei Tage und vier N�chte dauernden Bahntransports nach Gurs nicht. Bereits am 23. Oktober 1940 kann Gauleiter Wagner seinem F�hrer voller Stolz melden: Der Oberrhein ist als erster Gau des Reiches judenrein, w�hrend der Freiburger Journalist Karl Willy Straub seine Geschichtskenntnisse bem�ht: Freiburg ist wieder einmal judenfrei [Haum15].

 

Mahnmal der verschleppten Juden
am Platz der Alten Synagoge

 

Warum nach Gurs in S�dfrankreich? Anf�nglich spukt in den K�pfen vieler Nazis die Idee, die Juden auf die franz�sische Insel Madagaskar zu deportieren. Als aber im Laufe des Krieges diese M�glichkeit schwindet, wird Gurs zur Vorh�lle von Auschwitz. Typhus oder Schw�che raffen die Lagerinsassen dahin. 

 

Unter den rund 360 namentlich bekannten war auch der Staatsrechtsprofessor Robert Liefmann; er starb in Gurs an dem Tag, als dem in Freiburg l�ngst mit einem Lehrverbot belegten Wissenschaftler eine Professur in New York zugesprochen wurde [Amts10].

 

M�nchen: Parole der Wochw 29/1942. Trauten sich damals Tr�ger des Judensterns noch unter die Leute?

 

Die es schaffen zu �berleben, werden in die Vernichtungslager Auschwitz und Majdanek transportiert [Kauf98]. Am 6. August 1942 verl�sst ein erster Transport das Lager in Richtung Osten.

 

 

Alles muss durch die v�llige Verw�stung hindurch

 

Im Jahre 1941 berauscht Heidegger sich an der Vorstellung, die Technik m�ge die Erde in die Luft sprengen, damit das jetzige Menschentum verschwinde, als Reinigung des Seins von seiner tiefsten Verunstaltung. Und nachdem Deutschland die Welt in Brand gesteckt hat, bringt der gr��te Denker des Jahrhunderts, der Held des geheimen Deutschland, der H�lderlin im Turm der Philosophie, der geniale Fortsetzer des Griechentums, diesen Satz zu Papier: Alles muss durch die v�llige Verw�stung hindurch. Nur so ist das zweitausendj�hrige Gef�ge der Metaphysik zu ersch�ttern [Assh14].

 

Da hat der F�hrer sich auch seine Meinung gebildet. Er sagt am 7. November 1941: Ich bin auch hier eiskalt. Wenn das deutsche Volk einmal nicht mehr stark und opferbereit genug ist, sein eigenes Blut f�r seine Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen, st�rkeren Macht vernichtet werden [�] Ich werde dann dem deutschen Volk keine Tr�ne nachweinen.

 

 

 

Das letzte Aufgebot 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

G�tterd�mmerung

 

Der Pfarrer einer Gemeinde im Odenwald schreibt am 26. November 1944 in die Ortschronik: Wir gehen deutlich dem Zerfall entgegen.. Und immer weiter wird das Volk betrogen und vom Endsieg gesprochen, der unser sei. Nur totale Gewissenlosigkeit vermag ein solch verbrecherisches Spiel mit dem Volk und Vaterland zu treiben � [Ster09].

 

Dr. Goebbels verga� die M�glichkeit der Niederlage (Aus dem Stadtmuseum in K�ln)

 

Als Anfang 1945 das Ende des Dritten und diesmal Gro�deutschen Reiches naht, n�tzen alle Erinnerungen an den Alten Fritz, dessen Preu�en ebenfalls von Feinden umringt war, und die Beschw�rung des Mirakels des Hauses Brandenburg* nichts. Auch dauert Hitlers Krieg keine sieben, sondern nur knapp sechs daf�r aber zu lange Jahre.

*Hier bem�hen die Nazis den Tod Pr�sident Roosevelts am 11. April 1945 und vergleichen ihn mit dem Tod der Zarin Elisabeth, der erbitterten Feindin Friedrichs, im Januar 1762, was zu einer Kehrtwendung der russischen Politik gegen�ber Preu�en f�hrte

 

 

Heine schreibt in seiner Schrift Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland: Das deutsche Volk l��t sich nicht leicht bewegen, ist es aber einmal in irgend eine Bahn hineinbewegt, so wird es dieselbe mit beharrlichster Ausdauer bis ans Ende verfolgen [Hein34].

 

 

 

Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein

 

Am 19. M�rz 1945 sechs Wochen vor seinem Selbstmord gibt der F�hrer seinem Volk noch diese Weisheit mit auf den Weg, in der er die v�llige Zerst�rung Deutschlands empfiehlt: Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, R�cksicht zu nehmen. Im Gegenteil, ist es besser, selbst diese Dinge zu zerst�ren. Denn das Volk hat sich als das schw�chere erwiesen, und dem st�rkeren Ostvolk geh�rt ausschlie�lich die Zukunft. Was nach diesem Kampf �brig bleibt, sind ohnehin nur die Minderwertigen, denn die Guten sind gefallen.

 

Noch sind nicht alle Guten gefallen, denn an eben diesem 19. M�rz 1945 verteilt der F�hrer Kriegsauszeichnungen an im Hof der Reichskanzlei angetretene Kindersoldaten. Darunter ist der 12-j�hrige Jungzugf�hrer Alfred Zeck, den die Wehrmacht von der Schlesienfront nach Berlin hatte einfliegen lassen. Kind Alfred bekam f�r die Rettung von zw�lf Soldaten aus feindlichem Beschuss das Eiserne Kreuz II. Klasse.

 

 

C'est sur le mur d'Ulm que flotte notre drapeau

 

 

Die Franzosen w�nschen nicht nur, sondern haben es gegen Kriegsende ganz besonders eilig. Franz�sische Truppen sto�en, um vollendete Tatsachen zu schaffen, Anfang 1945 schnell in den S�dwesten Deutschlands vor, was den Amerikanern so gar nicht behagt.

 

In der franz�sischen Presse liest sich das Vordringen des Generals Jean-Marie Gabriel de Lattre de Tassigny wie folgt: A la surprise totale des Allemands et de l'�tat-major interalli� le g�n�ral de Lattre pousse ses forces vers le sud et s'empare de Freudenstadt, au pied de la For�t-Noire, coupant en deux le dispositif ennemi. De l� il revient vers le Rhin, entre Offenburg et Kehl, lance les offensives dans deux autres directions: au sud de Stuttgart, vers la fronti�re suisse et le Danube. Le 21 avril, Stuttgart est pris; le 24, c'est sur le mur d'Ulm que flotte notre drapeau. Le 26, nos chars entrent � Constance. Deux jours apr�s, nos troupes franchissent la fronti�re autrichienne* [LeMo94]. Die Trikolore weht �ber den Mauern von Ulm, franz�sische Truppen ziehen in �sterreich ein; der Gedanke an Napoleon mag de Lattre bei seinem Vormarsch befl�gelt haben.

*Zur allgemeinen �berraschung der Deutschen und der alliierten Milit�rf�hrung st��t General de Lattre mit seinen Truppen nach S�den vor, nimmt die Stadt Freudenstadt am Fu�e des Schwarzwalds ein und treibt so einen Keil zwischen die feindlichen Kr�fte. Von dort aus kehrt er zwischen Offenburg und Kehl an den Rhein zur�ck und startet Offensiven in zwei Richtungen: s�dlich von Stuttgart zur Schweizer Grenze und zur Donau. Stuttgart wird am 21. April genommen, am 24. weht unsere Fahne auf den Mauern von Ulm und am 26. rollen unsere Panzer durch Konstanz. Zwei Tage sp�ter �berschreiten unsere Truppen die �sterreichische Grenze.

Gern h�tten die Franzosen nach dem Beschluss von Jalta ganz Baden und noch ein bisschen mehr als Besatzungszone genommen, doch nach dem Willen der Amerikaner wird Deutschlands S�dwesten anders und v�llig unhistorisch unter den Siegerm�chten aufgeteilt.

Durchschlag der Kapitulationsurkunde vom 9. Mai 1945 im Milit�rhistorischen Archiv Freiburg

Franz Grillparzer hatte den unheilvollen Weg der Deutschen vorausgeahnt: Von der Humanit�t durch Nationalit�t zur Bestialit�t. Die Verdr�ngung der Erinnerung daran prangert Bert Brecht an mit den Worten: Was sind das f�r Zeiten, wo ein Gespr�ch �ber B�ume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen �ber so vielen Untaten einschlie�t.

 

 

Der Dichter
Reinhold Schneider
auf 55 Cent

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Auf dem Weg

 nach Europa

 

 

Zur�ck nach Weimar

 

 

 

 

Du wirst nicht fallen, mein geliebter Turm

 

Und Freiburg? Am 21. April 1945, einen Tag nach F�hrers Geburtstag, hatten die Franzosen bereits Freiburg nicht etwa zum f�nften Mal erobert, sondern waren einfach mit dem 2. Regiment der Chasseurs d'Afrique in die Ruinen der Altstadt einmarschiert. Diesen Tr�mmerhaufen hatten die Engl�nder der Stadt beschert, als sie am 27. November 1944 mit der 3rd Bomber Group der Royal Air Force zum ersten Mal, aber daf�r um so nachhaltiger in Freiburgs Geschichte eingriffen.

 

 

 

An den Turm der Freiburger M�nsters

Sonett

 

 Steh' unersch�ttert herrlich im Gem�te,
Du gro�er Beter glaubensm�chtiger Zeit!
Wie Dich verkl�rt des Tages Herrlichkeit,
wenn l�ngst des Tages Herrlichkeit vergl�hte.

 

  So will ich bitten, dass ich treulich h�te
das Heilige, das Du ausstrahlst in den Streit,
und will ein Turm sein in der Dunkelheit
des Lichtes Tr�ger, das der Welt erbl�hte.

 

 Und sollt' ich fallen in dem gro�en Sturm,
so sei's zum Opfer, dass noch T�rme ragen,
und dass mein Volk der Wahrheit Fackel werde.

 

  Du wirst nicht fallen, mein geliebter Turm.
Doch wenn des Richters Blitze Dich zerschlagen,
steig in Gebeten k�hner aus der Erde!

 

Reinhold Schneider 1942 

 

 

Denn sie s�en Wind und werden Sturm ernten

 

Beim Bombenangriff auf Freiburg erinnert man sich unwillk�rlich an das Wort des Propheten Hosea, Kapitel 8, Vers 7: Denn sie s�en Wind und werden Sturm ernten. Nach Coventry und anderen St�dten Englands brannten die deutschen St�dte und endlich Freiburg.

 

 Der Schriftsteller Christoph Meckel, der seine Kindheit in Freiburg verbrachte, beschreibt die Feuersbrunst nach der Bombardierung des Stadtzentrums: Und an der Stelle, wo, einige Kilometer entfernt, die Silhouette Freiburgs gew�hnlich zu sehen war, brannte eine einzige, gewaltige Flamme. Die Bergw�nde waren �berflutet von zuckendem Feuerschein, die T�ler seitab versunken in schwarzen Schatten, deutlich traten die Tannen an den H�ngen des Ro�kopfs hervor. Fetter orangefarbener Rauch sch�umte hoch hinauf in die Nacht, w�lzte sich gefr��ig �ber die Bergk�pfe und verschlang alles Dunkel [Meck04].

 

Bei der Gedenkfeier im Freiburger M�nster am 27. November 2014 zum Bombenangriff vor 70 Jahren blickte der evangelische Stadtdekan Markus Engelhardt auf die Deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts zur�ck und sagte: Wenn man das tut, erkennt man irgendwann eine unheimliche Sukzession des Brennens. Und zwar in einer sich schrecklich steigernden Intensit�t. Am Anfang, lange vor 1933 schon, im Kaiserreich, brannten die Herzen. F�r den preu�ischen Militarismus. Gegen die angeblich so privilegierten und erfolgreichen Juden. Gegen Sozialdemokraten und Kommunisten, die � so hie� es damals - dem tapferen, �im Felde unbesiegt� gebliebenen Heer 1918 an der Heimatfront hinterr�cks den Dolchsto� versetzt hatten. Gegen die Schande des Versailler Vertrags und die sog. Verzichtpolitiker, die ihn unterzeichnet hatten. Gegen die erste deutsche Demokratie, die die gro�e Mehrheit des Volkes innerlich ablehnte, ja verachtete. Das alles brachte viele deutsche Herzen zum Brennen. Dann, am 30. Januar 1933, brannten die Fackeln der Zehntausende, die durchs Brandenburger Tor zogen, um dem Machtergreifer zu huldigen. Bald darauf brannten die B�cher. Dann, am 9. November vor 76 Jahren, brannten die Synagogen und Gesch�fte. Dann brannten die Gas�fen. Und wegen all dem brannte schlie�lich auch unser Freiburg [Enge14].

 

 

This page was last updated on 01 May, 2024