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Die Kunst zu gewinnen - Moneyball – Kritik

Die Abstraktion des Sports. In Bennett Millers Sachbuchadaption bleibt vom Baseball nicht viel mehr übrig als ein paar Gleichungen.

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Spricht man hierzulande von der MLB, ist das wohl den wenigsten ein Begriff. Es handelt sich dabei um die Major League Baseball, die amerikanische Baseball-Profiliga um Spieler wie Barry Bonds oder Alex Rodriguez. In unserem europäischen Geist existiert der vielleicht populärste Sport der USA nur als vages Konstrukt, dank der steten Versorgung mit amerikanischen Film- und Fernsehproduktionen vermittelt sich uns ein unscharfes Bild von seinem außerordentlichen Stellenwert in der US-Alltagskultur. Wenig verwunderlich ist es da, dass Bennett Millers Sportdrama Moneyball am amerikanischen Box-Office beachtliche Ergebnisse erzielen konnte. Und das, obwohl Miller einen deutlich anderen Fokus legt, als man zunächst vermuten möchte.

Erst nach dem Betrachten des Films wird deutlich, wie programmatisch eine der ersten Szenen ist. Brad Pitts Figur des Managers Billie Bean sitzt des Nachts mit einem tragbaren Radio im verlassenen Stadion. Er ist in Gedanken versunken, um ihn herum verschwinden leergefegte Sitzreihen in der Tiefe des Bildes. Das Spiel findet auswärts statt, im Moment ist es eine Art meditativer Ort, in dem der Protagonist seinen Gedanken nachgehen kann. Diese Szene verrät in ihrer Atmosphäre des Alleinseins den Duktus des Films. Zwar ist er in den Kontext des Sports eingebettet, doch um diesen geht es eigentlich nicht. Moneyball ist die Geschichte eines einsamen Verlierers. Damit machen die Drehbuchautoren Steven Zaillian und Aaron Sorkin (The Social Network, 2010) Michael Lewis´ nicht-fiktionale Buchvorlage zum veritablen Hollywood-Drama nach realem Vorbild.

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Billie Bean war einst ein hochgehandelter Nachwuchsstar des Baseballs, doch seine Karriere verlief alles andere als glorreich. Nun ist er als Manager für die Oakland Athletics, das sowohl finanziell als auch leistungstechnisch schwächste Team der Liga, tätig. Während eines Aufenthalts in Cleveland lernt er den Yale-Absolventen Peter (Jonah Hill) kennen, der ein abstrus klingendes Konzept zur Aufstellung von Mannschaften vertritt. Laut einer penibel ausgearbeiteten statistischen Analyse soll es Spieler geben, deren Wert zu niedrig eingestuft wird und die hochgradig unterschätzt werden. Mit Hilfe des jungen Wirtschaftswissenschaftlers unternimmt er einen gewagten Versuch, um die Würde des Teams und die Meisterschaft zu erkämpfen.

Interessant ist vor allem, wie Miller versucht, den Blick vom eigentlichen Ereignis des Spiels zu lösen und eine Abstraktion durchzuführen. Der Film eröffnet mit authentischen Aufnahmen eines Aufeinandertreffens der Oakland Athletics mit den New York Yankees. Eine genaue Aufklärung über den Ausgang des Spiels ist für den Sportunkundigen nicht mehr nötig, wenn während der Aufzeichnungen der Wert der beiden Mannschaften in Zahlen gegenübergestellt wird. Später wird dies noch gesteigert durch Collagen von Zahlentabellen und Gleichungen. In einigen Szenen wird Moneyball zur Reflexion über eine unfaire Sportwirtschaft, etwa wenn Bean seinen Kollegen sehr pointiert die finanzielle Situation des Teams nahezubringen versucht oder Bemerkungen zum nobel anmutenden Schreibtischstuhl der Konkurrenz macht. Bennetts Augenmerk gilt dem hochkomplizierten System hinter dem Sport und dem Starspieler-Rummel.

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Dreh- und Angelpunkt bleibt dabei die gleichzeitig geknickte wie hochambitionierte Figur Brad Pitts. Die Angst vor dem Verlieren hat Beans Leben fest in den Griff genommen, Verluste hat er auch im Privaten zu beklagen. Die Spiele seiner Mannschaft sieht er sich nie an. Er geht in den Fitnessraum oder fährt weg, nur kurz schaltet er das Radio ein oder blickt auf den Fernseher, dem er ansonsten den Rücken zukehrt. Wieder bleibt das sportliche Ereignis größtenteils abwesend, umso mehr gehören diese Momente einem stark agierenden Brad Pitt. Neurotisches Verhalten während der Spiele, schiere Besessenheit, wenn es um die Durchsetzung seiner neuen Aufstellung geht.

Da gibt es Momente, in denen Moneyball unvermeidlich ins Pathetische abzurutschen droht. Vor allem wenn die private Vergangenheit des Protagonisten aufgearbeitet wird, spürt man das durch und durch Amerikanische des Films. Glücklicherweise besitzt er dank der durchweg guten Schauspielerleistungen ein weiches Polster. Neben dem spielfreudigen Pitt ist es Jonah Hill, dessen Auftritte sich angenehm hervortun. Nur schwerlich mag man sich dieser Figur mit ihrem unsicheren Blick entziehen.  Der akkurat gekleidete Zahlenjongleur, der trotz einer gewissen Wandlung stets eine natürlich wirkende Knabenhaftigkeit beibehalten kann, sorgt für die amüsantesten Augenblicke des Films.

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Im Grunde ist Moneyball ein Film über den Umgang mit Misserfolgen, nicht ganz kitschfrei, aber stellenweise sehr gelungen. Pitts Charakter ist ein gezeichneter Mann, dessen Leben von Verlusten regelrecht vergiftet wurde. Wenn sich der Film dem Ende zuneigt und der Zuschauer über die Ereignisse nach der Narration aufgeklärt wird, bleibt dennoch etwas Tröstliches: Kalkulierung mag sich zwar als Hilfsmittel erweisen, ist aber kein Patentrezept gegen alles. Auch die Statistik scheitert einmal, und dann ist das einzig Richtige, eine Herzensentscheidung zu treffen und darüber zu lächeln, ein Verlierer zu sein.

Trailer zu „Die Kunst zu gewinnen - Moneyball “


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