I Come with the Rain | Kritik | Film | critic.de

I Come with the Rain – Kritik

Das Schweigen der Lämmer: Tran Anh Hungs vorletzter Film I Come with the Rain hat wohl das, was allgemein als Kultpotenzial bezeichnet wird.

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Tran Anh Hung outet sich als Fan von Thomas Harris: Kline (Josh Hartnett) hat sich wie Will Graham in die Psyche des Monsters versetzt, um es zu stellen. Und wie Clarice Starling führt ihn die Konfrontation mit dem Bösen zurück in die Untiefen eben jener eigenen Psyche.

In der famosen Eingangssequenz von I Come with the Rain trifft Kline auf seinen Hannibal Lecter, Hasford (Elias Koteas). Das Bild ist flach und plan, kontrastarm, beinahe eintönig. Kline kauert vor einer Wand. Der Blauton seines Hemdes hebt sich kaum von dem Graublau der Wand ab. Im Gegenschnitt Hasford, blauer Pullover, graue Hose. Es ist dunkel, das wenige Licht wirft Schatten. Hasford attackiert seinen Gegner mit dem Baseballschläger. Dann entlädt er dessen Waffe. Es wird Licht, Kline krümmt sich umgeben von Müll. Hasford zerrt ihn an die Wand und hält ihm ein Skalpell vor Augen. Er öffnet nicht die Adern, sondern das Hemd des jungen Mannes. Dann passiert das gänzlich Unerwartete: Hasford beißt ihm in den Oberarm. Die Sequenz endet mit dem ungläubigen, angsterfüllten Blick Klines. Alles scheint möglich, in jedem Moment dieses furiosen Auftakts. Hungs Inszenierung erzeugt klirrende Spannung und ein Gefühl des Unwohlseins.

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In den vergangenen Jahren war zu beobachten, dass der DVD-Markt (neben den Spuren der Filme im weltweiten Netz) seine eigenen Kultobjekte hervorbringt. Im Prinzip funktioniert das zunächst ähnlich wie beim Kino-Mainstream: Es handelt sich um Filme, die stark diskutiert werden, ihr Publikum extrem spalten, in ihrer Visualität innovativ, originell oder zumindest auffällig sind und gerne eine vermeintlich philosophische Dimension enthalten. Die Vernetzung von Form und Inhalt sticht hierbei besonders hervor. Inception (2010), Sucker Punch (2011) und The Tree of Life (2011) waren zuletzt solche Beispiele. Dem gegenüber stehen DVD-Premieren, die häufig noch deutlicher einen Genre-Rahmen suchen, nur um diesen wiederum mehr oder weniger zu sprengen. Walhalla Rising (2010) fällt einem schnell ein – Geniestreich oder hohle Verpackung? Regisseur Nicolas Winding Refn jedenfalls ist selbst eine Kultfigur und hat schnell Nachahmer für sein Setting gefunden. Centurion (2010) lässt ebenfalls vor-zivilisatorische Männer in weiter Landschaft wüten, orientiert sich dabei allerdings eher an 300 (2007) denn an Refn.

I Come with the Rain könnte sich einreihen in diese Liste der Videotheken-Erfolge, die auch in Foren eine Langlebigkeit beweisen. Denn Hungs Film ist so kryptisch wie ambitioniert, liefert jede Menge hauptsächlich krude, religiöse und pseudophilosophische Diskurse und verpackt all dies in wunderschönen Bildern, die mal mitten im Genre sind, mal herausbrechen. Vor allem die Farbe Grün, wunderbar satt auf der hochwertigen Blu-ray, hat es Hung angetan. Das ist bekannt aus seinen frühen Festivalerfolgen Der Duft der grünen Papaya (Mùi du du xhan – L’odeur de la papaye verte, 1993) und Cyclo (Xich lo, 1995). Aktuell sind seine visuellen und kompositorischen Fähigkeiten auch auf der großen Leinwand in Naokos Lächeln (Noruwei no mori, 2010) zu sehen.

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I Come with the Rain bricht spätestens in der zweiten Hälfte auseinander, wenn die Montage ohne jeglichen Rhythmus von Ort zu Ort, von Figur zu Figur springt. Da ist dann schon alles geklärt, selbst die Eingangssequenz entmythisiert. Der Film läuft weiter, hohl und redundant. Doch da ist er ja in bester Gesellschaft. Dem möglichen Kultstatus sollte es keinen Abbruch tun.

Trailer zu „I Come with the Rain“


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