ALMA : Alma Mahler-Werfel
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La Grande Veuve  (1945 - 1964)

Alma Mahler Abstandhalter Alma Mahler
     
Alma mit einer Partitur Gustav Mahlers
in Ihrem Haus in Beverly Hills
 
Alma mit dem Porträt Gustav Mahlers

Als La grande veuve, als die große Witwe Gustav Mahlers und Franz Werfels, bezeichnete Thomas Mann Alma Mahler-Werfel in ihren letzten 19 Lebensjahren. Boshafter fiel das Urteil von Claire Goll über die Witwe aus, die nach Golls Meinung nach Werfels Tod ihr Auge auf Bruno Walter geworfen hatte. Sie verglich Alma Mahler, deren Figur ihre Vorliebe für Champagner und Bénédictine nicht bekommen war, mit einer auseinanderquellenden Germania und schrieb über sie:

„Um ihre welkenden Reize aufzufrischen, trug sie gigantische Hüte mit Straußenfedern; man wußte nicht, ob sie als Trauerpferd vor einem Leichenwagen oder als neuer d‘Artagnan aufzutreten wünschte. Dazu war sie gepudert, geschminkt, parfümiert und volltrunken. Diese aufgequollene Walküre trank wie ein Loch.“

 

 
Alma Mahler (Cartoon von Dolbin) Abstandhalter Alma Mahler

   
Alma Mahler-Werfel
(Karikatur von Dolbin)
 
Alma bei Ihrer Ankunft am Flughafen
in Tulln bei Wien im September 1947

Ihre alte Heimatstadt Wien besuchte Alma Mahler-Werfel nur noch einmal kurz im Jahre 1947. Ihre Mutter war im Herbst 1938 gestorben; ihr Stiefvater Carl Moll, ihre Halbschwester Maria und Richard Eberstaller, die beide langjährige NSDAP-Mitglieder gewesen waren, hatten im April 1945 Selbstmord begangen. Bei ihrem Besuch ging es ihr überwiegend um die Regelung von Vermögensfragen. Mit dem österreichischen Staat verwickelte sie sich in gerichtliche Auseinandersetzungen um Edvard Munchs Gemälde „Sommernacht am Strand“, das ihr Walter Gropius einst anlässlich der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter geschenkt hatte und das Carl Moll nach Alma Mahler-Werfels Emigration in die USA im April 1940 an die heutige Österreichische Galerie Belvedere verkauft hatte. Alma verlor den Prozess, weil sie nicht glaubwürdig belegen konnte, dass ihr Stiefvater dies ohne ihr Einverständnis getan hatte. Der Verkaufserlös des Bildes war außerdem verwendet worden, um notwendige Reparaturen an ihrem Haus am Semmering vorzunehmen. Eine persönliche Bereicherung Molls hatte nicht stattgefunden. Bis in die 1960er-Jahre bemühte sie sich um die Herausgabe des Bildes und weigerte sich, noch einmal österreichischen Boden zu betreten. Zur Sprache kam in der Gerichtsverhandlung auch, dass Alma Mahler-Werfel Ende der 30er-Jahre über ihren Schwager versucht hatte, Bruckners handschriftliche Partitur der ersten drei Sätze seiner 3. Sinfonie an die Nazis zu verkaufen.

 

 
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Alma Mahler-Werfel mit dem Porträt Ihres verstorbenen Ehemanns Franz Werfel
 
Alma an Werfels Schreibtisch in Ihrem Haus in Los Angeles

Zu ihrem siebzigsten Geburtstag erhielt Alma Mahler-Werfel ein ungewöhnliches Geschenk, das auch dokumentiert, wie sehr sie der Kulturszene verbunden war. Ein befreundetes Ehepaar hatte Monate vor dem Geburtstag Bekannte und Freunde von Alma Mahler-Werfel angeschrieben und sie gebeten, jeweils ein Blatt Papier zu gestalten. Zu den 77 Gratulanten, die auf diese Weise im Geburtstagsbuch ihre Glückwünsche überbrachten, zählten unter anderem ihr ehemaliger Ehemann Walter Gropius, Oskar Kokoschka, Heinrich und Thomas Mann, Carl Zuckmayer, Franz Theodor Csokor, Lion Feuchtwanger, Fritz von Unruh, Willy Haas, Benjamin Britten, ihr ehemaliger Schwiegersohn Ernst Krenek, Darius Milhaud, Igor Strawinsky, Ernst Toch, die Dirigenten Erich Kleiber, Eugene Ormandy, Fritz Stiedry, Leopold Stokowski sowie der ehemalige österreichische Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg. Arnold Schönberg, der wegen eines vorherigen Zerwürfnisses mit Alma Mahler-Werfel nicht eingeladen worden war, sich an dem Buch zu beteiligen, widmete ihr einen Geburtstagskanon mit dem Text: Gravitationszentrum eigenen Sonnensystems, von strahlenden Satelliten umkreist, so stellt dem Bewunderer dein Leben sich dar.

Die Autobiographie "Mein Leben"

1951 übersiedelte Alma nach New York, wo sie vier kleine Eigentumswohnungen in einem Haus in der Upper East Side erworben hatte. Sie selber lebte in der dritten Etage und nutzte eine Wohnung als Wohnraum, die zweite als Schlafraum. Die in der Etage darüber liegenden zwei Wohnungen wurden von August Hess, dem ehemaligen Kammerdiener von Werfel, und von ihren Gästen genutzt. Seit längerer Zeit arbeitete sie bereits an einer Autobiografie, die auf ihren Tagebüchern basierte. Als Ghostwriter unterstützte sie zuerst Paul Frischauer, mit dem sie sich aber bereits 1947 zerstritten hatte, als er ihre zahlreichen antisemitischen Ausfälle monierte. In den 1950er-Jahren arbeitete sie mit E. B. Ashton zusammen. Auch er sah wegen ihrer antisemitischen Äußerungen und den zahlreichen Angriffen auf noch lebende Personen die Notwendigkeit, ihre Tagebücher zu zensieren. 1958 erschien in englischer Sprache „And the bridge is love“.

Alma Mahler New York Abstandhalter Alma Mahler
     
Almas Haus in New York
120 East 73rd Street
 
Almas Bibliothek in Ihrem Appartement
in New York mit dem Porträt Gustav Mahlers

Die Reaktionen auf diese englische Ausgabe waren verhalten. Verärgert reagierte insbesondere Walter Gropius, der auf die Darstellung ihrer frühen Liebesbeziehung verletzt reagierte. Die Reaktionen auch von anderen Freunden und Bekannten, wie etwa Paul Zsolnay, machten Alma Mahler-Werfel deutlich, dass eine deutschsprachige Ausgabe, über die bereits nachgedacht wurde, nicht ohne weitergehende Veränderungen veröffentlicht werden sollte. Willy Haas wurde die Aufgabe übertragen, die Fassung für den deutschsprachigen Markt vorzubereiten, bei der er erneut weitere Glättungen des ursprünglichen Textes vornehmen sollte. Bereits ihre vorherigen Ghostwriter hatten ihr nahegelegt, ihre rassenpolitischen Äußerungen doch zu streichen. Erst die Reaktionen auf die englische Ausgabe ließen sie umdenken: „Lasse bitte die ganze Judenfrage in der Versenkung verschwinden“, schrieb sie Willy Haas.

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Almas Musikzimmer in Ihrer New Yorker Wohnung mit einem Bild ihres Vaters Emil Jakob Schindler
 
Alma mit dem Dirigenten Eugene Ormandy

Ihre deutschsprachige Biografie „Mein Leben“ fand keineswegs die von ihr erwartete positive Aufnahme. Das Buch galt als „schlüpfrig“, zweideutig, widersprüchlich und reizte in seiner ich-bezogenen Darstellungsweise zur Karikatur. Langjährige Wegbegleiter wie Carl Zuckmayer und Thomas Mann hatten sich bereits nach der Veröffentlichung der englischen Version von ihr zurückgezogen.

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Alma Mahler 1962 in
New York, zwei Jahre
vor Ihrem Tod
 
Almas Bibliothek in Ihrer New Yorker Wohnung
mit dem berühmten Porträt Oskar Kokoschkas,
das Sie als Lucretia Borgia zeigt

Almas Tod

Alma Mahler-Werfel starb am 11. Dezember 1964 im Alter von 85 Jahren in ihrem New Yorker Appartement. Die erste Trauerfeier fand zwei Tage später statt. Soma Morgenstern hielt die Trauerrede. Beigesetzt wurde Alma Mahler-Werfel allerdings erst am 8. Februar 1965 neben dem Grab ihrer Tochter Manon auf dem Grinzinger Friedhof in Wien.

Die Nachrufe, die nach ihrem Tod erschienen, bezogen sich unter dem Eindruck ihrer Autobiografie meist auf ihre Ehen und Liebesaffären. Die Mischung aus Anziehung, Bewunderung und Abneigung, die sie bei vielen auslöste, kommt auch in einem Gedicht zum Ausdruck, das der Liedermacher und Satiriker Tom Lehrer spontan nach ihrem Tod schrieb und veröffentlichte.

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Alma auf dem Totenbett (Photographie von Trude Fleischmann, Dezember 1964)

Friedrich Torbergs Nachruf auf Alma Mahler-Werfel, der 1964 erschien, erklärt, warum so viele Kulturschaffende von dieser Frau fasziniert waren:

„Wenn sie von jemandes Talent überzeugt war, ließ sie für dessen Inhaber – mit einer oft an Brutalität grenzenden Energie – gar keinen anderen Weg mehr offen als den der Erfüllung. Dazu war er dann sich und ihr und der Welt gegenüber verpflichtet und sie empfand es als persönlichen Affront, wenn eine von ihr erkannte oder gar geförderte Begabung nicht allgemein anerkannt wurde. Das geschah übrigens nur wenigen, und denen blieb sie rührend treu. Erfolg betörte sie, aber Erfolglosigkeit beirrte sie nicht. Ihre Einsatzfreude, ihre Hingabe, ihre Aufopferungsfähigkeit kannte keine Grenzen und mußte schon deshalb faszinierend und aneifernd wirken, weil sie nichts von kritikloser Vergötterung an sich hatte, weil ihre Urteilskraft sich durch nichts vernebeln ließ.

Daran lag es wohl auch, daß so viele schöpferische Männer an ihr hängen blieben. Hier setzte ihre eigene Produktivität sich fort und um [...]. Sie hatte eine Art, zu arrangieren und zu dirigieren, die ihr mit geometrischer Zwangsläufigkeit den Mittelpunkt zuwies, und alle waren dessen froh: denn dieser Mittelpunkt stand fest und setzte die andern in Szene, nicht sich.“