Interview Anna Loos: Gespräch über Trennung von Band Silly und erstes Album „Werkzeugkasten“

Interview mit Anna Loos

„Ich feiere unperfekte Momente“

Ein Gespräch über ihre Trennung von der Band Silly und ihr erstes Solo-Pop-Album.

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Die 48-Jährige ist Schauspielerin und Sängerin. Am 25. März veröffentlicht sie ihr erstes Solo-Album. 
Die 48-Jährige ist Schauspielerin und Sängerin. Am 25. März veröffentlicht sie ihr erstes Solo-Album.imago/Future Image/Nicole Kubelka

Berlin-Sie hat das Talent, viele Dinge gleichzeitig und energisch zu verfolgen: Anna Loos, gefragte Schauspielerin („Helen Dorn“, „Weissensee“), unentwegt tourende Sängerin der Band Silly, Mutter zweier Teenager-Töchter. Nun möchte die 48-jährige Berlinerin auch musikalisch ganz auf eigenen Beinen stehen. Nach zwei Jahren Vorbereitung erscheint am 8. März ihr erstes Solo-Pop-Album. Uwe Killing traf sie zum Interview.

KURIER: Sie präsentieren sich mit wasserstoffblonden Haaren und blassem Teint auf dem Cover zu Ihrem Album „Werkzeugkasten“. Warum?

Anna Loos: Wer mich kennt, weiß, dass ich immer wieder Lust auf andere Frisuren habe. Ich hab nach einer Idee gesucht, mein Album darzustellen.

Aber warum so extrem?
Ich fand, dass dieser durchschimmernde, zerbrechliche Look den Charakter, den Inhalt meines Albums „Werkzeugkastens“ darstellt. Ich war bei den Aufnahmen zwischenzeitlich beim Songwriting sogar etwas erschrocken, wie persönlich die Songs geworden sind. Gleichzeitig hat mich das auch glücklich gemacht, denn genau das habe ich gesucht.

„Ein Leben ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen.“ Anna Loos mit ihrem Ehemann Jan Josef Liefers bei einer Charity-Gala.
„Ein Leben ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen.“ Anna Loos mit ihrem Ehemann Jan Josef Liefers bei einer Charity-Gala.imago/Future Image

Es ist ein deutschsprachiges Pop-Album. Warum ging das nach so vielen Jahren nicht mehr mit den Silly-Musikern?
Es gab schon länger Dinge in meinem Kopf, die raus wollten, aber nicht unbedingt zu Silly gepasst hätten. In der Band wurde immer alles intensiv durchdiskutiert. Nicht nur jedes Wort, auch jeder Ton. Das hat den großen Vorteil, dass am Ende immer etwas entsteht, was jedes einzelne Bandenmitglied nie hervorbringen würde, aber mich hat vielleicht genau das mal interessiert. Im Gegensatz zu den Jungs hab ich noch nie ohne die anderen meiner Musik eine Form gegeben. Da die Band nicht plante, an einem neuen Silly-Album zu arbeiten, war Zeit für meine Vision. Und ich freue mich jetzt riesig, dass „Werkzeugkasten“ das Licht der Welt erblickt.

Ein Bruch für immer?
Wer weiß: In einem Jahr treffen wir uns vielleicht und haben eine tolle Idee für die Band. Doch im Moment haben wir sie nicht. Ich hab zwölf Jahre volle Power für Silly gegeben. Und es war eine tolle Zeit!

Wofür brennen Sie mehr: Musik oder Schauspielerei?
Ich liebe die Schauspielerei, aber natürlich liebe ich auch die Musik, sonst würde ich sie ja nicht machen. Ich suche in der Musik vielleicht die hundertprozentige Anna, und diese Suche ist sicher auch ein Antrieb, diese Kraft für die Arbeit aufzubringen.

Wie fühlte sich das an?
Die ersten Nummern klangen, ehrlich gesagt, noch sehr nach Silly. Ich brauchte etwas Zeit, um mich zu lösen. Ich habe vieles ausprobiert, meinen Musiker-Freunden und meinem Produzenten Mick Schröder immer wieder vorgespielt. Am Ende gab es mehr als 30 Songs.

Haben Sie auch ihren Mann Jan Josef Liefers um Rat gefragt, er ist schließlich auch Musiker?

Ja klar, Jan ist immer ein guter Ratgeber, spielt mir auch seine Song-Ideen vor. Wir kennen uns jetzt schon so lange und natürlich gut: Da kommen die richtigen Fragen auf den Tisch, wir streiten auch, aber haben uns in 19 Jahren noch nie angeschrien. Ein Leben ohne ihn kann ich mir nicht vorstellen. Der Song „Wie beim ersten Mal“ ist Jans Lied. Auch beim Titelstück „Werkzeugkasten“ wollte ich anfangs eigentlich eine Liebesnummer machen.

Zerbrechlicher Look für „Werkzeugkasten“. Das Album enthält deutsche Pop-Songs, für die Anna Loos textete und komponierte. 
Zerbrechlicher Look für „Werkzeugkasten“. Das Album enthält deutsche Pop-Songs, für die Anna Loos textete und komponierte.Promo/Kristian Schuller

Eigentlich?
Der Text hat sich verselbstständigt. Es geht um mehr Menschen und auch um die ganze Bandbreite an emotionalem Werkzeug: vom kleinen Schrauberzieher bis zum großen Hammer. Das ist das Schöne an der Musik, sie steckt voll von all den Gefühlen, die unser Leben – und damit uns prägen. Das bringt uns zusammen.

Was ist für Sie ein guter Pop-Song?
Trotz der persönlichen Note artikuliert er für mich immer universelle Gefühle: die große Liebe, unsere Empfindungen für die uns nahe stehenden Menschen, Ängste, Euphorie, Überfordertsein. Egal wie verschieden wir sind, da liegt unser gemeinsamer Nenner. Ein guter Popsong drängt mir nicht das Leben eines anderen Menschen auf, sondern gibt mir die Essenz einer Emotion an die Hand, um eine Reise in mein Leben zu machen und mich gleichzeitig in Verbindung zu setzen. Ich will das Leben feiern, und zwar nicht nur die großen Erfolge, auch die unperfekten und kleinen Momente.

Wäre das Album vor zehn Jahren anders geworden?
Ganz sicher. Mit 48 blicke ich mit einer größeren Gelassenheit auf mein Leben. Ich sehe, dass sich aus falschen Entscheidungen auch viel Gutes entwickelt hat. Harte Momente hauen mich heute nicht mehr so um. Ich reflektiere genauer: Wo und womit geht es mir gut? Ich will mich nicht aufhalten mit Sachen, die ich nicht ändern kann oder die mich fertig machen.

Woraus schöpfen Sie Ihre Texte?
Sie basieren auf dem, was ich erlebt habe und was mir begegnet ist, natürlich manchmal gepaart mit ein wenig Fantasie. Zu jedem Song gibt es eine persönliche Geschichte.

Im Song „Paris“ ist von einer 16-Jährigen die Rede. In dem Alter lebten sie noch in der DDR.
In der Küche meiner Oma hing lange eine Karte, die sie von ihrem Sohn aus Paris geschickt bekommen hatte. Der lebte als Ingenieur im Westen und schickte ihr immer Ansichtskarten. Jedes Mal, wenn ich da drauf schaute, dachte ich: die Stadt der Liebe, der Freiheit... Da werden wir wohl nie hinreisen können. Mit 17 bin ich dann in den Westen geflüchtet und in Hamburg gelandet.

Und Paris?
Wurde später tatsächlich eine meiner Lieblingsstädte. Meine Eltern schenken uns ab und zu ein freies Wochenende, an dem sie auf die Kinder aufpassen. Dann fliege ich mit Jan Josef manchmal nach Paris. Solche Auszeiten zu zweit genießen wir, wir sind ja beide viel unterwegs. Wenn wir uns länger nicht zu Hause in Berlin sehen, besuchen wir uns schon mal gegenseitig bei Dreharbeiten irgendwo in Deutschland.

„Ich hab zwölf Jahre volle Power für Silly gegeben.“ Anna Loos mit Hans-Jürgen „Jäcki“ Reznicek bei einem Auftritt.
„Ich hab zwölf Jahre volle Power für Silly gegeben.“ Anna Loos mit Hans-Jürgen „Jäcki“ Reznicek bei einem Auftritt.imago/Eibner

Sie singen heute ausschließlich in Deutsch. War Englisch nie eine Option?
Für den Soundtrack des Filmes „Anatomie“ habe ich gemeinsam mit Michel van Dyke 2000 die Single „My Truth“ aufgenommen. Ich hatte einen Deal für eine komplett englischsprachige Platte. Doch ich spürte da schon, dass es nicht mein Ding ist. Ich habe mich aus dem Vertrag sogar wieder herausgeklagt. Deutsch ist meine Muttersprache. Sie ist ehrlich, und das suche ich in der Musik.

Wieso heißt Ihr Album „Werkzeugkasten“?
Ich finde: Es ist so ein schönes, vieldeutiges Wort. Ursprünglich war „Werkzeugkasten“ ein Vorschlag unter vielen. Als dann von Frauen in meinem Umfeld Vorbehalte kamen, das sei doch aber ein sehr männlicher Begriff, war ich ziemlich genervt. Und ich habe entschieden: Jetzt erst recht! Ich bin praktisch veranlagt. In meinem Baumarkt kennt mich jeder einzelne Mitarbeiter und ich möchte dafür stehen, dass Werkzeugkasten auch ein Begriff im Wortschatz der Frau ist!