Expertin von Bares für Rares enthüllt Geheimnisse von Hohenzieritz
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Interview

Expertin von Bares für Rares enthüllt Geheimnisse von Hohenzieritz

Hohenzieritz / Lesedauer: 7 min

Millionen Menschen kennen Dr. Friederike Werner als Gutachterin bei „Bares für Rares“. Sie ist aber auch Expertin für die „Ägyptomanie“. 
Veröffentlicht:18.05.2024, 12:00

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Wie kommt eine Kunsthistorikerin aus München auf den kleinen Ort Hohenzieritz in Mecklenburg?

In diese schöne entlegene Gegend führte mich mein Spezialgebiet zwischen Kunstgeschichte und Ägyptologie, die sogenannte Ägypten-Rezeption, ehedem mein Promotionsthema. Und dann erforschte ich im Rahmen eines Projektes an der Universität Heidelberg 2012–2016 den Berliner Tafelaufsatz von 1804 zur Hochzeit des Prinzen Wilhelm von Preußen, dem Bruder Friedrich Wilhelms III. Über dieses Kunstwerk mit vergoldeten Bronzefiguren habe ich 2016 ein Buch veröffentlicht. Dieser Tafelaufsatz wirkt wie ein Bühnenbild mit Palmenhain, ägyptischen Figurinen, also sehr geheimnisvoll. Vorher war nichts darüber bekannt. Ich habe herausgefunden, dass Luise, Prinzessin zu Mecklenburg-Strelitz und Königin von Preußen, als Auftraggeberin ihre Hand im Spiel hatte. Während der Arbeit an diesem Thema habe ich immer wieder an den „Ägyptischen Saal“ auf Schloss Hohenzieritz gedacht, den Luises Vater, Herzog Carl II. zu Mecklenburg-Strelitz, 1795 ausstaffieren ließ; sollte es da eine geheime Verbindung geben?

Sie sprechen im Zusammenhang mit dem „Ägyptischen Saal“ von einer Sensation. Warum?

Der Saal als Herzstück von Schloss und Garten verbirgt tatsächlich eine bisher unentdeckte Idee, ein „ägyptisches“ Geheimnis. Von dort nimmt die preußische „Ägyptomanie“ durch Königin Luise als Mittlerin eine unvermutete Wendung, die bis 1850 in Berlin nachklingt. Erstmalig wird das Rätsel zweier verhüllter Tempel aufgezeigt. Eine spannende Kunst-Geschichte mit Hieroglyphen, Sphinxen, Göttern, Herrschern und Gelehrten.

Was reizte den Adel in Deutschland an Ägypten?

Herrschaft braucht Herkunft: Ägypten war religionsgeschichtlich, philosophisch und archäologisch en vogue, aber auch für seine ewig scheinende Herrschaftsform. In Ägypten schien außerdem alle Weisheit verborgen, die nur durch Einweihung seitens der Priesterschaft möglich war. All dies lag verschlüsselt in den im 18. Jahrhundert noch nicht wieder lesbaren Hieroglyphen. Etwas Spannenderes, Attraktiveres als das noch unerforschte Ägypten konnte es kaum geben, eben weil es Spielraum für Spekulationen bot. Auch die Freimaurer nahmen ägyptische Motive in ihren Logen auf, da man sich dort ebenso auf die „ägyptische“ Weisheit berief.

À propos Geheimnis. Sie beschreiben in Ihrem Buch, dass Carl II. den „Ägyptischen Saal“ verborgen hielt. Wie meinen Sie das?

Der Saal im Obergeschoss ist für den Besucher nicht so leicht einsehbar. Man gelangt über die Außentreppe in das recht hoch gelegene Erdgeschoss mit dem herrschaftlichen Gartensaal und den angrenzenden Salons, sodass der Besucher sich gleich wie in einer Beletage fühlt. So konnte man auf die im Schlossbau sonst übliche zentrale repräsentative Treppe in die wirkliche Beletage vollends verzichten. Stattdessen führt seitlich des Foyers eine bescheidene Stiege nach oben. Man erahnt den Saal nicht einmal, weder vom Foyer aus, noch von außen. Er verbirgt sich hinter der schlichten klassizistischen Fassade. Steht man in dem Saal, so öffnet er sich lichtdurchflutet zur Morgen- und Abendseite sowie ehemals in illusionistischer Deckenmalerei in den Himmel, den Kosmos.  Sicherlich hatte hierzu nicht jedermann Zugang.

„Pompejanischrote Malerei“: Im „Ägyptischen Saal“ gibt es nur noch diesen etwa einen Quadratmeter großen Rest der einstigen Wandbemalung.
„Pompejanischrote Malerei“: Im „Ägyptischen Saal“ gibt es nur noch diesen etwa einen Quadratmeter großen Rest der einstigen Wandbemalung. (Foto: Frank Wilhelm)

Große Teile des Schlosses, insbesondere das Obergeschoss mit dem „Ägyptischen Saal“, werden von der Nationalparkverwaltung genutzt, sodass er für die Öffentlichkeit kaum zugänglich ist. Was ist überhaupt noch zu sehen vom Thema Ägypten?

Die Bausubstanz des Schlosses ist zum Glück instandgesetzt. Der „Ägyptische Saal“ hat seine Struktur behalten, mit allen Türen, den Fenstern, zwei Säulen am Haupteingang und den Nischen für die Öfen, allerdings nur noch auf einer Seite. An einer Wand kann man noch hieroglyphische, pompejanischrote Malerei betrachten, etwa einen Quadratmeter groß. Ansonsten ist nichts mehr zu sehen von der einstigen Pracht. Die Malerei und die Innenausstattung mit dem wertvollen Mobiliar sind verloren. Ob je etwas davon zurückkehrt?

Kult um die Königin: Der Luisentempel im Park von Schloss Hohenzieritz.
Kult um die Königin: Der Luisentempel im Park von Schloss Hohenzieritz. (Foto: Frank Wilhelm)

Wann verschwand die Inneneinrichtung?

Seit 1919 wurde das Schloss museal genutzt. Erst die Wirren der Zeit nach 1945 und die unterschiedlichen Nutzungen haben dazu geführt, dass die Ausstattung zerstreut und die Malerei erheblich beschädigt worden ist. Zum Glück wurde in den 1950er-Jahren entschieden, das Gebäude als Denkmal zu bewahren.

Auch die alte Schmiede an der Dorfstraße weist mit den Säulen ägyptisierende Elemente auf.
Auch die alte Schmiede an der Dorfstraße weist mit den Säulen ägyptisierende Elemente auf. (Foto: Frank Wilhelm)

Es sollen noch historische Tapeten von Hohenzieritz existieren?

Der ganze Saal war ausgemalt, nur die Säulen waren interessanterweise mit marmorartig gefleckter Tapete beklebt. Die Schlösserverwaltung sagte mir, dass diese Tapeten zusammengerollt und verpackt auf Schloss Mirow lagern.

Welchen Stellenwert nimmt Carl II. bei der Ägypten-Rezeption im 18. Jahrhundert ein?

Der Herzog gilt als offener, gebildeter Herrscher, in der Freimaurerei bewandert. Als Prinz war er Freimaurer, als Regent Protektor verschiedener Logen. Er pflegte gute Beziehungen zu Preußen, besonders zu Friedrich Wilhelm II., der in Potsdam seine hieroglyphisch gestaltete Gartenpyramide errichtete und seine Orangerie mit einer Sphinx und ägyptischen Figuren schmückte. Da diese beiden Herrscher im regen Austausch standen, liegt die gegenseitige Kenntnis der höfischen Ausstaffierung nahe. Man dürfte sich beeinflusst und inspiriert haben. Carl II. schuf mit seinem Saal dann eine so respektable hieroglyphische Szenerie, die in der Architekturgeschichte bislang ohnegleichen ist.

Hängt damit auch der bis heute anhaltende Kult um Luise zusammen?

Nein, erst mit dem Tode der Königin Luise von Preußen in Hohenzieritz 1810 geriet das Schloss zum Wallfahrtsort, ganz unabhängig vom „Ägyptischen Saal“ von 1795. Die offizielle Luisenverehrung findet in ihrem Sterbezimmer im Erdgeschoss statt, und ein Luisentempel im Schlosspark wurde 1815 errichtet. Dass der „Ägyptische Saal“ und das Geheimnis Carls II. sehr wohl mit Luise zu tun haben, wird ja jetzt erst durch mein Buch bekannt, was zeigt, dass das Geheimnis im herzoglichen Sinne lange erfolgreich verborgen blieb. Das Schloss und Königin Luise dürfen jetzt in neuem Licht betrachtet werden.

Wer aufmerksam ist, kann im Umfeld des Schlosses weitere Beispiele für die Ägypten-Rezeption der damaligen Zeit finden?

Vor dem „Ägyptischen Saal“ würde ich die Besucher zuerst in den Park schicken. Nur mit den Staffagen der Gartenanlage, dem Heiligen Hain, der Moschee und verschiedenen anderen, heute teils nicht mehr vorhandenen Bauten, ist der Saal als Krönung des Ganzen überhaupt erst verständlich. Als Nachwirkung des Hohenzieritzer Ägypten-Bildes finden wir an der Dorfstraße die Schmiede, die in den 1820er-Jahren entstand. Auch sie ist mit ihren vier Säulen ägyptisierend gestaltet. Die Schmiede spielt auf Hephaistos an, den griechischen Gott des Feuers und der Schmiedekunst, analog dem ägyptischen Ptah als Schöpfergottheit der Welt. Die Hofkirche mit dem Blick in den Himmel, wie in einem antiken Pantheon, wäre eine eigene Betrachtung wert.

Sie beschreiben ausführlich die drei Kronleuchter aus dem „Ägyptischen Saal“, die ebenfalls verschollen sind. Wenn einer davon bei „Bares für Rares“ auftauchte, würden sie ihn auf Anhieb erkennen?

Ich würde den Leuchter sofort erkennen. Genauso wie alles andere, was aus diesem Schloss stammt. Das wäre einfach umwerfend. Ich hoffe ja immer, dass in der Sendung etwas Schönes zum Thema „Ägyptomanie“ auftaucht.

Wie sind Sie zur Expertin bei „Bares für Rares“ geworden? Hat Horst Lichter Sie angerufen und gefragt: „Hallo Friederike, hier ist der Horst. Magst Du in meiner Sendung mitmachen?“

(Friederike Werner lacht) Nein, so war es nicht. Ich bin von einer Mitarbeiterin der Produktionsfirma angesprochen worden, ob wir uns unterhalten könnten. Es gab dann einen Cast zu Hause in meiner Münchner Wohnung mit drei Probeexpertisen von eigenen Gemälden und Antiquitäten. Danach wurde ich irgendwann zu den ersten Drehtagen eingeladen. Was sehr, sehr schön und total überraschend war.

Können Sie sich an Ihre erste Begegnung mit Horst Lichter erinnern?

Ja, das war im März 2019 direkt am Set. Es war eine so freundliche, lustige und herzliche Atmosphäre. Ich hatte gleich den Eindruck, und so ist es auch, dass Horst Lichter sehr auf seine Crew aufpasst. Er achtet darauf, dass die Stimmung gut ist, dass es jedem gut geht. Dafür hat er ein außerordentliches Talent. Er schafft wirklich einen Wohlfühlort.

Millionen Menschen gucken täglich „Bares für Rares“. Werden Sie in München auf der Straße erkannt?

Manchmal werde ich angesprochen und rechne gar nicht damit – wie beispielsweise mit Freunden neulich am Viktualienmarkt. Bei lecker Himbeerkuchen rief plötzlich jemand: „Hallo Friederike, wohl bekomm’s und weiterhin viel Spaß mit euren tollen Kunstwerken!“