Trendwende in Toplage: In Freiburg sind die Galeria-Kaufhof-Filialen gerettet | chilli:freiburg:stadtmagazin

Trendwende in Toplage: In Freiburg sind die Galeria-Kaufhof-Filialen gerettet business im Breisgau | 16.05.2024 | Lars Bargmann

Auf dem Bild ist Galeria-Kaufhof zusehen. Direkt am Bertoldsbrunnen: Das Galeria-Kaufhaus ist vorerst gerettet.

Nicht nur Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn ist am 27. April ein Stein vom Herzen gefallen. An jenem Samstag teilte die Galeria Karstadt Kaufhof GmbH mit, dass beide Filialen an der Kaiser-Joseph-Straße im Herzen der Stadt erhalten bleiben. Auch im Umfeld gibt es viele Neu-Eröffnungen. Es ist eine Trendwende, die da eingeläutet wird. Auch in Waldkirch, Emmendingen und Bad Krozingen gibt es kaum Leerstände. Aber viel Bewusstsein dafür, dass man für die Innenstädte alles tun muss, was möglich ist.

Waldkirch, ein Samstag Anfang Mai. Auf dem Wochenmarkt herrscht dichtes Gedränge, im Rathaus-Innenhof ploppt der Korken einer Sektflasche. Davor bieten Händler ihre Waren feil. Rund um den Marktplatz an der nach Freiburg benannten Hauptstraße gibt es so gut wie keine leeren Schaufenster. An der Ecke zur Turmstraße hängen zwei Werbeplakate der Telekom, dahinter ist die Ladenfläche verwaist. Eine Ausnahme unter 134 gewerblich genutzten Flächen in der Kernstadt. Die Waldkircher Verwaltung mit Oberbürgermeister Michael Schmieder hat im vergangenen Jahr zusammen mit der IHK Südlicher Oberrhein einen Zustandsbericht Innenstadt erarbeitet.

Zugpferd und Frequenzbringer

Heraus kam, dass die Innenstadt als Wirtschafts-, Arbeits-, Kultur- und Lebensraum auch nach der Pandemie gut dastehe. Zugpferd und Frequenzbringer sei der Wochenmarkt. Der IHK-Innenstadtberater Thomas Kaiser gab aber zu bedenken, dass ein Schutzmechanismus für innenstadtrelevante Sortimente fehle. „Deshalb ist es erklärtes Ziel unserer Stadtpolitik, diese wichtigen Frequenzbringer durch flankierende Maß­nahmen auch dort zu halten“, sagt Schmieder. 24 Einzelmaßnahmen stehen seither auf der Agenda. Etwa die – durchaus wünschenswerte – optische Aufwertung der Schuster- und Engelstraße oder die Installation von Trinkwasserspendern. Die wichtigste Lie­genschaft ist aktuell aber das leerstehende ehemalige Volksbank-Gebäude direkt am Marktplatz. Wie geht es weiter? „Hier mischen wir uns nicht nur ein, sondern selber mit“, sagt der OB. Der Gemeinderat hat zugestimmt, dass das Rathaus nach der Sanierung im Erdgeschoss eine rund 400 Quadratmeter große Fläche für 2,29 Millionen kaufen wird. „Unser Ziel ist es, dort ein großes Bürgerdienstleitungszentrum einzurichten. So müssen unsere Bürgerinnen und Bürger nicht länger in unserem etwas verschachtelten Rathaus herumirren“, sagt Schmieder. Auch das kann sich als Frequenzbringer erweisen.

Ein Bild der Filiale Karstadt.

Im Schatten des Münsters: Während die Karstadt-Filiale so bleiben kann, wartet das einstige Modehaus Kaiser noch auf neue Mieter und den Umbau.

Emmendingen, am selben Tag. In der Innenstadt haben Flohmarkthändler ihre Stände aufgebaut. Auf dem Weg vom Stadttor ins Zentrum steht ein eingeschossiges Gebäude. „Blum, Papier & Trends“ steht an der Attika. Aber Blum ist aus der Stadt an die B3 gezogen. Hinter den Schaufenstern gähnende Leere. Es gibt in der ganzen Innenstadt nur zwei leere Geschäfte, aber viele inhabergeführte Läden. Eine heile Welt? Das Rathaus hat als Pilotkommune schon 2021 am lokalen Aktionsbündnis „Pro Innenstadt“ der IHK teilgenommen. Dann schickte das Team um Oberbürgermeister Stefan Schlatterer eine Bewerbung für das Bundesförderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren (ZiZ) nach Berlin – und bekam mit der Förderzusage knapp 300.000 Euro. Das Programm läuft noch bis August 2025 und setzt viele Projekte um. Aktuell wird eine neue Aufenthaltszone mit einem City-Deck auf dem kleinen Marktplatz geschaffen, drei neue Trinkwasserbrunnen werden installiert und auch konsum­freie Zonen geschaffen. Noch im Mai startet das neue Format Forum Innenstadt, der erste Emmendinger Super-­Samstag am 4. Mai wurde gut angenommen. Schon bald soll der Wochenmarkt größer werden, bis in den September gibt es zudem an jedem zweiten Samstag kostenlose Konzerte. Wie in Freiburg hat auch das Emmendinger Rathaus seit Juli 2023 einen Pop-up-Store in der Innenstadt eingerichtet, damit Interessierte ihr Geschäftskonzept unter realen Bedingungen ohne finanzielles Risiko testen können.

Ein zentraler Baustein ist derweil noch am Werden: Das ehemalige Kaufhaus Krauss wird von der Freiburger Unmüssig-Gruppe seit anderthalb Jahren revitalisiert. Am Bauzaun hängen his­­torische Aufnahmen und Visualisierungen, wie es im Frühjahr im „Löwentor“ aussehen soll. Ein Drogeriemarkt wird einziehen, ein Optiker, ein Nonfoodhändler, eine Gastronomie. Darüber gibt es fast 40 Wohnungen. „Die Innenstädte wandeln sich von Konsumorten hin zu Aufenthaltsorten. Diesen Wandel müssen Kommunen aktiv gemeinsam mit allen Akteu­ren aus Kultur, Kunst, Gastronomie, Dienstleistung und Handel begleiten“, sagt die städtische Wirtschaftsförderin Petra Mörder.

Modehaus Kaiser

Modehaus Kaiser

Bad Krozingen, 4. Mai, nachmittags. Vier Tage zuvor hatte Bürgermeister Volker Kieber Grund zum Jubeln. Innenminister Thomas Strobel hatte dem Rathauschef mitgeteilt, dass ab dem 1. Januar auf den Ortsschildern „Große Kreisstadt Bad Krozingen“ stehen kann. Im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald ein Alleinstellungsmerkmal. Damit wird Kieber zum Oberbürgermeister und er bekommt einen zusätzlichen Dezernenten. Am Lammplatz unterhalten sich zwei Müllwerker. „Ja, die Staufener schauen ja schon immer ganz ehrfurchtsvoll auf Bad Krozingen“, sagt der eine. Der andere nickt. Die anderen Passanten interessiert das mit großen und kleinen Kreisstädten nicht so sehr.

Auf einem Schild in der Fußgängerzone steht: „Entspannt shoppen und genießen.“ Im Erdgeschoss eines langen Gebäudes ist das „Bad Krozinger Schaufenster“, eine Aktion der Wirtschaftsförderung. Hinter kleinen Glasscheiben werben Innenstadtgeschäfte für sich. Ein paar Meter weiter an der Bahnhofstraße 28 prangt beim Modehaus „eff“ in roten Lettern „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ am Schaufenster. Ansonsten muss man in der Innenstadt leere Ladenflächen mit der Lupe suchen. Die von der Wohnbau Baden AG gebaute neue Ortsmitte ist zwar architektonisch hochwertig, zieht aber nur wenig Publikum an. Es gibt ein Restaurant, einen Blumenladen, ein Frequenzbringer wäre wichtig. Wer vom Bahnhof in die Stadt schlendert, wird ob der überbordenden Schönheit nicht beeindruckt sein. Es ist das andere Ende der Fußgängerzone, das viel Potenzial hat, die Attraktivität der Innenstadt zu steigern. Was in Freiburg ein Dauer­thema ist.

Ein Bild von der neuen Ortsmitte Bad Krozingen.

Gut gemacht, aber braucht noch viel mehr Leben: Die neue Ortsmitte in Bad Krozingen sucht Frequenzbringer.

Freiburg, Kajo, Sonntag, 5. Mai. Verkaufsoffene Sonntage zählen in Freiburg zu den am heftigsten umstrittenen Themen in der Politik. Aber auch wenn die Geschäfte zu sind, es ist viel Volk auf den Gassen unterwegs. Am Bertoldsbrunnen hängen zwei Galeria-Kaufhof-Logos an der blassroten Fassade mit der Hausnummer 195. Es ist buchstäblich verdient, dass gleich beide Filialen in der Innenstadt erhalten bleiben, während bei der angeschlagenen Warenhauskette bundesweit 16 von 92 dichtgemacht werden und 1400 Beschäftigte ihre Jobs verlieren. „Jede der fortzuführenden Filialen muss das Potenzial haben, die notwendige Profitabilität zu erzielen. Bei dieser Bewertung spielt neben sozio­demographischen Rahmenbedingungen der Standorte insbesondere auch die Miethöhe eine zentrale Rolle“, teilte die Kette mit. Maximal elf Prozent vom Umsatz, das ist die Miet-Obergrenze für den Konzern, sagt Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus. Auch die Häuser in Lörrach und Offenburg sind vorerst gerettet. „Das sind gute Nachrichten für die Region“, sagt IHK-Innenstadtberater Thomas Kaiser, die Nähe zu Frankreich und zur Schweiz sei ein Standortvorteil. Und ohne die Warenhäuser „ginge ein Stück Großstadtkultur verloren“.

Auf dem Bild ist der Marktplatz von Waldkirch.

Waldkirch: Direkt am Marktplatz will das Rathaus ein Bürgerzentrum bauen.

Während bei den Warenhäusern neuer Wind heranzieht, gibt es andernorts in der City schon frischen Wind. An der Grünwälder Straße, in der jüngeren Vergangenheit eines der Leerstands-Sorgenkinder, haben mit dem kurdischen „Sweet Dunya“ und dem deutschen Grünwälder Café zuletzt zwei neue Cafés eröffnet. Am Eingang zur Dietler-Passage soll zudem bald ein neues asiatisches Restaurant eröffnen.

Die wichtigste Adresse aber bleibt die Kajo. Und auf der herrscht trotz Galeria-Jubel nicht überall eitel Sonnenschein. Die beiden Gebäude vom Modehaus Kaiser warten weiter auf ihre Wiedererweckung. Der Eigentümer des Herrenhauses, der anonym bleiben möchte, wollte sich auf Anfrage nicht zur Zukunft äußern. Beim größeren Damenhaus ist Mitinhaber Matthias Sasse indes „sehr optimistisch“, schon bald mit den nächsten guten Nachrichten aufwarten zu können. Sein Wunschtraum wäre eine Eröffnung bereits Ende des Jahres. Die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung sei sehr gut. Das ganze Haus hat auf zwölf Stockwerken 14.000 Quadratmeter Fläche – zwei Fußballfelder. Wer darauf am Ende wo spielt, darüber könne er aufgrund vertraglicher Verpflichtungen aktuell nichts sagen. Der Bauantrag, auch für eine revitalisierte Verkaufsfläche auf 5500 Quadratmetern – sei gestellt. Darüber gibt es noch 800 Quadratmeter Büroflächen und 42 Wohnungen. Die Nachfrage nach den Handelsflächen sei „riesig“. Er könne diese Liegenschaft drei Mal belegen. Die erst durch den Online-Handel getroffene und dann durch die Coronakrise einen heftigen Nackenschlag einsteckende Freiburger Innenstadt richtet sich wieder auf. Die Trendwende ist eingeleitet.

Auf dem Bild ist Emmendingen zusehen.

Fachwerk in der Emmendinger City: Der erste Super-Samstag war ein Erfolg.

Fotos: © bar, Stadt Waldkirch