Wie Bluthochdruck das Augenlicht zerstören kann

Bluthochdruck kann auch die Gefäße am Auge schädigen. Mit welchen Sehstörungen sich ein Gefä­ß­ver­schluss bemerkbar macht, was bei einem Schlaganfall im Auge zu tun ist und wie man Durch­blu­tungs­stö­run­gen rechtzeitig erkennt und vorbeugt, erläutert Professor Dr. med. Sandra Liakopoulos von der Deutschen Ophthal­molo­gischen Gesellschaft e.V. (DOG) anlässlich des Welthy­per­to­nie­ta­ges am 17. Mai 2024. Die DOG-Expertin gibt zudem einen Ausblick auf die fas­zi­nie­ren­den Erkenntnisse, die Künstliche Intelligenz aus einer einfachen Augen­hin­ter­grund­un­ter­su­chung ableitet.

Ein hoher Blutdruck greift nicht nur die Gefäße am Herzen oder in den Beinen an, sondern schädigt auch Arterien und Venen in den Augen – und mitunter stellen Augenärztin oder Augenarzt eine Hypertonie fest, noch bevor Betroffene davon wissen. „Dafür genügt eine einfache Untersuchung des Augen­hin­ter­grun­des mit Spaltlampe und Lupe“, erklärt Professor Dr. med. Sandra Liakopoulos, die an der Uni­ver­si­täts­au­gen­kli­nik in Frankfurt am Main tätig ist und das Zentrum Bildanalyse für klinische Studien an der Uni­ver­si­täts­kli­nik Köln leitet. „Liegt ein Bluthochdruck vor, erscheinen die Gefäße der Netzhaut enger, rigider, sie verhärten sich“, erläutert die DOG-Expertin.

Sehsturz kann zur Erblindung führen

Auch wenn das zunächst keine Schmerzen verursacht, muss der Bluthochdruck behandelt werden. Sonst drohen Ver­än­de­run­gen an den Gefäßen, der Netzhaut oder dem Sehnerv, in fort­ge­schrit­te­ne­ren Fällen sogar Blutungen und Infarkte. „Ein solcher Sehsturz, bei dem ein Blutgerinnsel ein Augengefäß verschließt, ist besonders bedrohlich und immer ein Notfall“, betont Liakopoulos. „Denn der Gefä­ß­ver­schluss unterbricht die Sau­er­stoff­ver­sor­gung der Netzhaut, was zum Absterben von Sehzellen und damit zur Erblindung führen kann.“ Während Verschlüsse von Arterien im Auge selten sind, kommen Venen­ver­schlüsse sehr viel häufiger vor.

Schlagartig Nacht auf einem Auge

Dabei treten unter­schied­liche Symptome auf. „Bei einem Venen­ver­schluss sieht der Betroffene auf einem Auge zunehmend verschwommen, oft wie durch einen grauen Schleier“, erklärt die DOG-Expertin. Der arterielle Verschluss macht sich dagegen schlagartig bemerkbar. „Dann wird es auf einem Auge von einem Moment auf den anderen schwarz, oft legt sich ein Schatten auf das gesamte Blickfeld“, beschreibt die Expertin. Unbehandelt führt ein arteriell bedingter Augeninfarkt in rund 95 Prozent der Fälle zu einem schweren und dauerhaften Sehverlust im betroffenen Auge.

Zweiten Infarkt verhindern

Wer plötzlich auf einem Auge nichts mehr sieht, sollte deshalb sofort ein Krankenhaus aufsuchen, das über Augenklinik und Neurologie verfügt. „Dieses Symptom muss man sehr ernst nehmen, weil ein Infarkt am Auge das Risiko für einen nachfolgenden Hirninfarkt um das 15-fache erhöht“, betont Liakopoulos. Ärztinnen und Ärzte untersuchen deshalb Hals­schlag­adern und Herz, und sie prüfen, ob die Auto­im­mu­ner­kran­kung Rie­sen­zel­lar­te­ri­itis vorliegt. „Um das zweite Auge vor einem Infarkt zu schützen oder gar einen Hirn- oder Herzinfarkt zu verhindern, wird außerdem die tägliche Einnahme von blut­ver­dün­nen­den Medikamenten verordnet“, so Liakopoulos.

Lysetherapie am Auge wird erprobt

Auch wenn bei einem arteriellen Verschluss meist Sehkraft unwie­der­bring­lich verloren geht, kann in den ersten 4,5 Stunden eine Lysetherapie erwogen werden, um den Blutfluss im betroffenen Gefäß wieder herzustellen und Sehkraft zu retten. „Wie gut das intravenös verabreichte Lyse-Medikament auf das Blutgerinnsel im Auge wirkt, wird derzeit in einer großen Studie mit 30 Zentren in ganz Deutschland untersucht“, berichtet die DOG-Expertin.

Injektionen und Laser

Kommt es zum Verschluss eines venösen Gefäßes am Auge, ist ebenfalls Dringlichkeit angesagt. „Wer auf einem Auge zunehmend verschwommen sieht, sollte unverzüglich eine Augenärztin oder einen Augenarzt aufsuchen“, rät Liakopoulos. Ist tatsächlich eine Vene verstopft, stehen verschiedene Therapien zur Verfügung, um die Sehkraft wieder zu verbessern. „Hat sich etwa Wasser in der Makula eingelagert, dem zentralen Punkt für die Sehschärfe, können Anti-VEGF-Injektionen die undichten Gefäße wieder verschließen“, erläutert die Augenärztin. Ein Lasereingriff kann erforderlich werden, um zu vermeiden, dass sich in nicht durchbluteten Netz­hauta­re­a­len neue, schädliche Gefäße bilden.

Risi­ko­fak­to­ren meiden

Wer sein Augenlicht schützen will, ist daher gut beraten, Risi­ko­fak­to­ren für Gefäß­ver­schlüsse zu minimieren. „Dazu zählen Erkrankungen wie Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte oder Diabetes mellitus, die gut behandelt sein sollten“, sagt Liakopoulos. Auch der Lebensstil trägt dazu bei, Infarkte und Thrombosen zu vermeiden. „Rauchen, regel­mä­ßi­ger Alkoholkonsum, ungesunde Ernäh­rungs­weise, mangelnde Bewegung und ungenügende Flüs­sig­keits­zu­fuhr begünstigen Gefäß­ver­schlüsse“, erklärt Liakopoulos. Menschen mit Risi­ko­fak­to­ren sollten den Augen­hin­ter­grund mindestens alle zwei Jahre untersuchen lassen.

Bluthochdruck, Geschlecht, Alter – was KI alles erkennt

Hier eröffnet die Künstliche Intelligenz (KI) große Chancen. „Es ist faszinierend, was die KI an einer Aufnahme des Augen­hinter­grunds alles errechnen kann“, sagt Liakopoulos. Nicht nur Gefä­ß­ver­än­de­run­gen, Bluthochdruck und das Risiko für Herz­kreis­lau­f­er­kran­kun­gen würden von den Algorithmen erkannt. „Die KI kann sogar das Geschlecht mit einer Zuver­läs­sig­keit von 97 Prozent und das Lebensalter auf drei Jahre genau bestimmen“, so die DOG-Expertin. In Zukunft könnte KI beim Screening allgemeiner Erkrankungen daher eine große Rolle spielen.

Quelle: DOG Deutsche Oph­thal­mo­lo­gi­sche Gesellschaft

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