Tatort Heimat – Brost-Stiftung
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Peter Lohmeyer durchsuchte vor Ort die Kindheit des Kollegen Dietmar Bär

Der kongeniale Partner bei den Ermittlungen hieß diesmal Peter Lohmeyer (immerhin in Schimanski-Jacke), Tatort war statt Köln die Bochumer Innenstadt. Freddy Schenk alias Dietmar Bär auf Spurensuche in der eigenen Kindheit und Jugend…

Zur Auftaktveranstaltung der Gesprächsreihe „Heimat Ruhr – vor Ort mit Peter Lohmeyer“ hatte der seinen Schauspielkollegen in eine leerstehende ehemalige Buchhandlung eingeladen, die der Bochumer Künstler Marcus Kiel mit Familienfotos von diversen Flohmärkten aus der Gegend sowie „kollektiven Erinnerungen“ in Form von Zeitungsauschnitten der WAZ gestaltet hatte.

Eingerahmt von Fotos aus der Jugend erinnerten sich die beiden Absolventen der Bochumer Schauspielschule an Kindertage im Ruhrgebiet, die für Bär noch heute mit dem Geruch von Brauereien verknüpft sind. „Damals brauten noch mehrere große Hersteller direkt in der Stadt, wenn neue Hefe aufgelegt wurde, roch das sehr intensiv.“ Während der Sohn eines angestellten Metzgergesellen aus Dortmund-Hombruch sich noch den Duft dampfender Teermaschinen zurück in die Nase holte, beschrieb Lohmeyer, aufgewachsen in Hagen, den nachhaltigen Geruch nach Zwieback, den der bekannte ortsansässige Hersteller herüberwehen ließ.

Dem Sohn eines evangelischen Pfarrers prägten sich kratzige Hemden am Heiligabend als nachhaltige Kindheitserinnerung ein, Bär sehnt sich nach dem Genuss von Joghurt zurück „in dem Joghurt UND Erdbeeren drin waren“. Für die „bekannte Fernsehfresse“ (Bär über Bär) ist das Ruhrgebiet immer Heimat geblieben, bis heute lebt er vor allem im Dortmunder Stadion auf. „Hier kann ich Heimat tanken, fühlen, was in mir ist.“ Der Borussia-Fan fühlt sich aber auch noch immer mit dem Bochumer Schauspiel emotional verbunden, er kehrt regelmäßig zu Engagements hierhin zurück.

„„Es gibt einen Unterschied zwischen Heimat und Zuhause, also dem Ort wo man gerade lebt. Ich muss keine Gräber besuchen, meine Eltern trage ich im Herzen.““

— Dietmar Bär

Die von der Brost-Stiftung initiierte Gesprächsreihe „Heimat Ruhr – vor Ort mit Peter Lohmeyer“ vereint Gespräche, Kunst und Bildung auf einzigartige Weise. Der Bochumer Künstler Marcus Kiel nähert sich dem Thema künstlerisch an, die Veranstaltungen finden bewusst an öffentlichen Orten wie leerstehenden Ladenlokalen statt, um einen breiten Austausch zu ermöglichen.

Lohmeyer: „Es sind Orte, die gelebt haben und nicht sterben dürfen. Wir müssen uns aktiv und offensiv um die Gestaltung unserer Heimat kümmern.“ Marcus Kiel entwickelt in seinem Atelier eine Basis für seine Installation, die Gäste waren eingeladen, einen Gegenstand mitzubringen, der für sie Heimat symbolisiert oder mit den Themenschwerpunkten wie Kindheit und Jugend verbunden ist. Kiel arbeitet in den nächsten Wochen im Ladenlokal, das während dieser Zeiten auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist.

„„Wir weigern uns, mit Heimat Ausgrenzung zu verbinden. Wir wollen uns einbringen, einmischen und das Ruhrgebiet besser machen.““

— Marcus Kiel

Als Beleg für einen lebenswerten Lebensraum Ruhrgebiet präsentierte Lohmeyer den Gästen im rappelvollen Ex-Buchladen die Studentin Zahar Audi. Geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen-Schalke, mit irakischen Wurzeln, hat schon viel gesehen, bleibt aber gerne in Gelsenkirchen. „Ich komme immer wieder hierher zurück. Heimat ist für mich, wo die Familie ist.“ Sie studiert Germanistik und Sozialwissenschaften auf Lehramt, „weil ich mich später mal um Kinder hier vor Ort kümmern will“.

Für den fünffachen Vater Peter Lohmeyer ist die taffe junge Frau aus Schalke, die als Schülerin vom Programm „RuhrTalente“ gefördert wurde und heute Stipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung ist, ein Wechsel auf die Zukunft der Heimat Pott. „Wir sehen was möglich ist, wenn wir unsere Ressourcen an der richtigen Stelle einsetzen.“


Bei der nächsten Veranstaltung der Reihe am 22. Mai begrüßt Peter Lohmeyer die Kabarettistin, Moderatorin, Schauspielerin und Regisseurin Gerburg Jahnke, ebenfalls im Ladenlokal in der Bongardstraße in Bochum.

„„Wir haben ganz viel Heimat und können hier vielen Menschen Heimat geben.““

— Peter Lohmeyer

Begrüßung des Vorsitzenden des Vorstands der Brost-Stiftung, Prof. Bodo Hombach

Verehrte Damen und Herren,
„Heimat-Ruhr – Vor Ort“ – Der Titel beschäftigt mich.
Ich weiß noch: „Vor Ort“ bezeichnete dem Bergmann das Ende des Stollens. Dort riss er das „Schwarze Gold“ aus der Erde. „Vor Ort“: Das war die wandernde Grenze in die Tiefe. Ein Ort des Lebensunterhaltes und der ständigen Gefahr. Was bedeutet „Heimat“ für die, die das halbe Leben „unter Tage“ verbrachten? Die Heimat der „Pöttersleute“ war sicher nicht der „schönste Wiesengrund“. Es war nicht das dahinschmelzende „Heimat, deine Sterne“ der Comedian Harmonists.
„Meiner Heimat Haus“ ist nicht für alle das gleiche Haus. Gerade hat das Museum Morsbroich in Leverkusen eine Ausstellung eröffnet. Ihr Titel: „Es gibt kein Wort … Annäherungen an ein Gefühl.“ Fünf Künstler zeigen Arbeiten zum Thema „Heimatgefühl“. Sie kommen nicht aus uns vertrauter Gegend. Sie stammen aus der Ukraine, Russland, Israel… Ich vermute: Die Heimat des Künstlers ist seine Kunst. Der Filmemacher Edgar Reitz hat den Begriff „Heimat“ rehabilitiert. Nach Missbrauch im „Dritten Reich“ war der verschüttet. Er erschien für immer unbrauchbar.
Am Ende von drei monumentalen Fernsehserien klang das Fazit resigniert: „Heimat ist immer etwas Verlorenes, eine Sehnsucht, die sich nie erfüllen lässt.“ Schuberts „Wanderer“ brachte es schon in der Romantik auf den Punkt: „Dort, wo du nicht bist, da ist das Glück.“
Am Begriff „Heimat“ erscheint uns alles unbestimmt. Sie macht uns aus, aber sie gehört uns nicht; sie ist uns vertraut, aber schwer definierbar. Sie ist etwas Persönliches, aber zugleich Teil einer kollektiven Fantasie.
Wir suchen typische Eigenschaften zwischen Duisburg und Dortmund, Bottrop und Hagen. Die werden längst von den Milliarden Tentakeln der WLAN-Kultur nivelliert und ausgesogen. „Meine Heimat ist, wo ich WLAN habe“, wird Mustermann zitiert. Wir brauchen kreative Lust, „im Nebel zu wandern“, wie es Hermann Hesse sagte.
Die Brost-Stiftung dachte: Wo Wortklauber und Begriffsstutzer versagen, wo ideologisierte Politik Schaden anrichtet, da ist die Kunst hilfreich! Eine Installation von Marcus Kiel, eine Performance zweier großartiger Schauspieler wie Peter Lohmeyer und Dietmar Bär wird uns Sinne öffnen, ohne den Verstand einzuschläfern. Schauen wir mal!
Klar ist: Am Ende werden wir klüger sein als wir es gerade sind. Dafür vorauseilenden Dank!