News

Die bewegte Geschichte der Echternacher Prozession

  • Department Geisteswissenschaften
    Department Geographie und Raumplanung
    15 Mai 2024
  • Kategorie
    Outreach
  • Thema
    Geisteswissenschaften, Geographie & Raumplanung

Lange Reihen von fünf Personen sind durch weiße Taschentücher miteinander verbunden. Sie „hüpfen“ zu folkloristischer Musik auf einer zwei Kilometer langen Strecke durch die Straßen von Echternach. So sieht, kurz gesagt, die tanzende Prozession oder Sprangpressessioun auf Luxemburgisch aus. 

Diese besondere Feier belebt die Stadt an der Grenze zu Deutschland an jedem Pfingstdienstag. Doch bevor sie 2010 von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt wurde, hat sie eine Reihe Veränderungen erfahren, wie Hérold Pettiau und Tom Becker, Forscher am Institut für Geschichte bzw. am Departement für Geographie und Raumplanung der Fakultät für Geisteswissenschaften, Erziehungswissenschaften und Sozialwissenschaften, erklären.

Während die UNESCO Spuren dieser Prozession bis ins Jahr 1100 zurückverfolgt, räumen die beiden Forscher ein, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wann die Prozession in Echternach zu einem „Tanz” wurde. Der Gründer der Abtei, Willibrord, wurde 658 geboren und starb 739. „In den Jahrzehnten danach haben wir Erwähnungen von Wundern, d. h. Menschen, die an seinem Grab beten und von Krankheiten geheilt werden“, erklärt Hérold Pettiau. Zu dieser Zeit glich diese Bewegung jedoch eher einer Pilgerreise.

Tänze zu „dekadent“

Der Einfluss des Heiligen Willibrords, der heute nach Unserer Lieben Frau von Luxemburg als zweitwichtigster Schutzpatron des Landes gilt, reichte seinerzeit über die heutigen Landesgrenzen hinaus. Tom Becker erinnert daran, dass eine Inschrift an der Wand der Kirche von Waxweiler in Deutschland auf eine tanzende Prozession im Jahr 728 verweist, ein Datum, das er angesichts der Erwähnungen Ende des 10. Jahrhunderts in einem Text des Prümer Mönchs Bernon und im 15. Jahrhundert von „tanzenden Heiligen“ an Christi Himmelfahrt in der Eifel für falsch hält. 

„Willibrord wurde in gewisser Weise zu einem grenzüberschreitenden Heiligen, da die Eifel zu dieser Zeit zu Luxemburg gehörte“, so Tom Becker. Im 18. Jahrhundert, im Jahr 1778, ließ der Erzbischof von Trier die Tanzprozession in Prüm jedoch verbieten. Tanzen galt damals als dekadent, und „es gibt zahlreiche Hinweise auf kirchliche Verurteilungen von Tänzen im Mittelalter und bis in die Neuzeit hinein, auch wenn die Kirche sich anpassen musste“, so Hérold Pettiau. 

Das Tanzverbot war in Echternach nur vorübergehend und die Tänze wurde unter der französischen Herrschaft wieder aufgenommen, um sich dauerhaft zu verankern.

Rückläufige Besucherzahlen

Im Laufe der Jahre haben sich jedoch die treibenden Kräfte hinter der Veranstaltung geändert. So wird beispielsweise der halbtägige Urlaub am Pfingstdienstag für Beamte nicht mehr systematisch gewährt, sondern einfach dem Kontingent des Erholungsurlaubs hinzugefügt. In den Schulen ist die vorherige Zustimmung der Eltern erforderlich, bevor die Kinder teilnehmen können, was die Teilnehmerzahl beeinträchtigen kann. Diese ist nach Angaben der Erzdiözese im Jahr 2022 unter die Marke von 10.000 Personen gesunken. 

„Es gibt jedes Jahr weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer“, räumt Tom Becker ein, der eine deutliche Veränderung dieser Tradition sieht. „Einerseits gibt es die religiöse Dimension im Rahmen der Verehrung des Heiligen Willibrord. Auf der anderen Seite gibt es einen eher folkloristischen Aspekt und die Idee eines Festes in den Straßen der Stadt.“ Die Prozession bleibt zwar weiterhin bestehen, aber ihre Auslegung entwickelt sich weiter. 

Der Forscher hebt auch die Beteiligung von Bevölkerungsgruppen mit ausländischer Herkunft wie den Portugiesen an der Aufrechterhaltung der Tradition hervor. Die Prozession ist außerdem dank des ihr gewidmeten Dokumentationszentrums das ganze Jahr über in öffentlich zugänglich – Eine Möglichkeit, diese Tradition weit über den Pfingstdienstag hinaus weiterzutragen.

Bild oben: © Cathol.lu SCP S.Feltes

Lesen Sie auch

  • Die Oktave, eine Pilgerreise wie keine andere

    Outreach
    Geisteswissenschaften
    Mehr erfahren
  • Ein brennendes Kreuz beim Buergbrennen

    Wenn der Winter in Rauch aufgeht

    Forschung
    Geisteswissenschaften
    Mehr erfahren

Diesen Beitrag teilen