Willkommen bei der Taunusbühne - 75 Jahre Hohensteiner Burgspiele
 
16.05.2024 | Burg Hohenstein

75 Jahre Hohensteiner Burgspiele

Ein Rückblick von Karl-Heinz Degenhardt

75 Jahre Hohensteiner Burgspiele
Ein Rückblick von Karl-Heinz Degenhardt

Bei Herrn Rektor Weisser durfte ich 1949 in der Realschule Bad Schwalbach Klasse 1a die Rolle des Grafen Philipp IV von Katzenelnbogen lesen. Meine „Gräfin" war Ilse, für die alle Jungen schwärmten. Das Stück aus dem wir lasen, nannte sich „Gräfin Anna von Katzenelnbogen" und Autor war unser Klassenlehrer Rektor Weisser. Mit ihm besuchten wir dann auch eine Aufführung auf der Burg Hohenstein. Historischer Hintergrund dieses Stückes war der erfolglose Giftmordversuch des Pfarrers Johann von Bornich 1474. Dieser wollte die 2. Ehefrau des Grafen Philipp vergiften, damit der Graf keine weitere Nachkommen zeugen kann. Für seine Tat wurde er in Köln verurteilt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

In Hohenstein wurden nach dem Krieg viele Heimatvertriebene angesiedelt. So auch Artur Michel und seine Frau, die Unterkunft in einem kleinem Häuschen fanden, dass im Burghof stand. Im Erdgeschoss war außerdem ein kleiner Schankraum und Artur Michel war der Wirt. Er organisierte mit Einheimischen und den Flüchtlingen 1949 die ersten Burgspiele. Man spielte „Gräfin Anna von Katzenelnbogen". Weitere Aufführungen fanden in den folgenden Jahren statt. So z.B. „Götz von Berlichingen", dessen eiserne Faust auf dem Schanktisch daran erinnerte.

Der Ev. Pfarrer Ritzkowski hatte mich überredet eine Jugendgruppe für seine Konfirmanden zu übernehmen. So kam es am 1. Juni 1961 in Bad Schwalbach zur Gründung des „Sing und Spielkreises".

Artur Michel wollte Schillers „Räuber" für die Burg inszenieren. Die Hauptrollen der Brüder Karl und Franz hatte er schon besetzt, aber für die restlichen Rollen fand er keine Darsteller. Viele seiner Spieler waren beruflich stark eingespannt oder fortgezogen. Als Artur Michel dann im April 1962 die folgende Kritik in der Zeitung las, hoffte er, die richtige „Räuberbande" zur Ergänzung seines Ensembles gefunden zu haben.

„Eine großartige Leistung hat der Sing-und Spielkreis der Ev. Jugend unter Leitung von Karl-Heinz Degenhardt mit der „Barabbas Aufführung" in der Reformationskirche vollbracht. Die Laienspieler verfassten nicht nur das Textbuch nach Pär Lagerkvists gleichnamigen Roman, sondern warteten auch mit ausgefeiltem Können auf ".

Mit Schillers Räubern konnte man uns nicht locken. So machten wir Herrn Michel den Vorschlag, 1963 Eichendorffs Freier zu spielen.

Landrat Dr. Herbert Günther war erst kurz im Amt und stand dem Projekt kritisch gegenüber, trotzdem war er bereit, die Schirmherrschaft zu übernehmen. Er wurde zu einem der größten Fans der Bühne und versäumte kaum eine Aufführungen auf Burg Hohenstein. Günther war es auch der die Kontakte zur Landesregierung herstellte. In den folgenden Jahren waren viele Hessische Minister Schirmherren der Burgspiele.
Die Proben für „Die Freier" fanden ausschließlich auf der Burg statt.

Das Spiel im Freien, mit all seinen Herausforderungen, war für uns eine ganz neue Erfahrung und auch der Weg von Bad Schwalbach zu den Proben wurde zum Problem, denn nur der Spielleiter besaß ein Auto. Also fuhr ich immer als erster mit einem voll besetzten VW - Käfer zur Burg und begann mit den ersten Darstellern zu proben. Rolf Ahrend war schon über 18 und besaß auch einen Führerschein. Er schaffte dann nach und nach mit meinem Käfer die restliche Gruppe zur Burg. Dann erst konnte mit der gesamten Gruppe geprobt werden. Weitere Probleme bereitete die Beleuchtung auf der Freilichtbühne. Natürlich fehlte es uns an Geld, um die notwendigen Scheinwerfer und Schaltkästen zu kaufen. Hier vollbrachte Hans-Eberhard Fuhr mit viel Improvisationstalent ware Wunder. Es gab damals noch keine kompakten Lichtregler, und auch Halogenleuchten waren noch nicht auf dem Markt. Von seinem selbst gebastelten Leuchtpult, noch mit großen Dreh- und Schiebewiderständen ausgerüstet, zauberte Hans-Eberhard die richtige Stimmung auf die Bühne und hatte somit einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg unserer Aufführung.
Glücklicherweise besaß die Gemeinde Katzeneinbogen einen großen Fundus an historischen Kostümen, wo wir auch bei späteren Inszenierungen oft Kostüme ausliehen. Heute hat die Taunusbühne einen eigenen Kostümfundus, der mit jedem neuen Stück wächst, denn eine Gruppe „die Nähstube" trifft sich regelmäßig, um maßgeschneiderte Kostüme für jedes Stück zu erstellen.

1964 spielten wir dann die „Gräfin Anna von Katzenelnbogen". Von der Hohensteiner Spielgruppe spielten Berthold Schiffner und Kurt Mussil mit. Beide waren schon 1949 in den gleichen Rollen zu sehen. Herr Michel führte Regie, fand aber als Bürgermeister selten Zeit für die Proben, so dass ich als Darsteller oft mit Regie führte. Auch diesmal gab es für die Schulen der Umgebung eine Sondervorstellung. Mit dem Zug und zu Fuß kamen zu einer Aufführung über 750 Schüler, die dicht gedrängt auf Bänken Platz fanden. Diese „armen Kinder" kannten kein Smartphone und nur wenige Eltern hatten einen Fernseher. Aufmerksamkeit bei der Aufführung - Note 1 plus.

„Wo habt ihr denn dieses alte Weib her" fragte Tierarzt Dr. Becker. Es war seine eigene Tochter Erika, die er nicht erkannte. Das Ehepaar May, Maskenbildner beim Staatstheater Wiesbaden waren für die Verwandlung verantwortlich. In späteren Jahren war es das Ehepaar Feil, beide ebenfalls Maskenbilder beim Staatstheater Wiesbaden, die halfen und vor allem auch ihr Wissen weiter gaben, so dass die Taunusbühne jetzt in ihren Reihen viele erfahrenen Kräfte für die Maske hat.

Zu den Aufführungen kam auch der berühmte Film- und Fernsehregisseur Ludwig Berger. Von der Aufführung „Die Freier" war er sehr begeistert. Spieler der „Gräfin Anna" lud er nach Schlangenbad ein und gab uns dort auf seiner Terrasse Regie Unterricht. Bei einem späteren Besuch erzählte er mir einmal, er bekäme, wie Harry Buckwitz, der Intendant in Frankfurt war, für eine Fernsehinszenierung 200.000 DM. Dieser gäbe das meiste Geld für die Ausstattung aus, er für die Spieler. Und es waren die damals berühmtesten Schauspieler die er engagierte. Über seine Verdienste für Film und Fernsehen kann man bei Wikipedia nachlesen und auch sein von Max Beckmann gemaltes Porträt sehen, dass in seinem Wohnzimmer in Schlangenbad hing. Er besuchte auch später unsere Aufführungen und begann sogar ein Stück für uns zu schreiben, dass auf der Burg spielen sollte.

1965 begannen auf der Burg größere Restaurierungsmaßnahmen. Dabei wurde das alte Haus in dem Artur Michel wohnte abgerissen und eine neue Gaststätte gebaut. Erst 1969 konnte man auf der Burg wieder Theater spielen. Gespielt wurde "Das Glas Wasser" von Eugene Scribe.

Aus der Jugendbühne wurde 1965, als inzwischen mehrere Mitglieder über 18 waren, ein Verein, der sich beim Amtsgericht als Volksbühne Untertaunus eintragen ließ. Beim Zusammenschluss von Rheingau und Untertaunus wurde der Namen in Taunusbühne Bad Schwalbach geändert.

Als Ev. Jugendgruppe hätten wir nicht überlebt, denn von der Kirche bekamen wir keine Unterstützung. Wir mieteten Räume zum Proben und zur Lagerung von Kostümen und Kulissen. Die Miete bezahlten wir aus den Mitgliedsbeiträgen und den Einnahmen aus den Aufführungen. Wir wurden außerdem Mitglied im Bund deutscher Volksbühnenspieler. Man wählte mich zum 2. Vorsitzenden im Landesverband Hessen und außerdem für den Bund zum Spielberater. Im Landesverband waren damals 17 Vereine zusammen geschlossen. Heute sind etwa 250 Vereine Mitglied im Landesverband, der mit Schulungen für alle Bereichen des Theaters hilft, die Qualität der Aufführungen seiner Vereine zu verbessern. Unsere Gruppen wurden meist als Laienspieler bezeichnet, was uns im Bundesvorstand nicht gefiel und deshalb gaben wir uns 1970 in Heidenheim den neuen Namen Bund Deutscher Amateurtheater – BDAT. Oft mußte ich zu Sitzungen mit dem Flugzeug in die damals noch geteilte Stadt Berlin und ich vertrat den Bund auch International. Zahlreiche Aufführungen anderer Vereinen besuchte ich und es kam durch diese Kontakte auch zu Gastspielen bei diesen Vereinen. z. B. mit Buochs in der Schweiz. Die Schweizer kamen auch zu uns und spielten auf der Burg. Auch eine Frankfurter Bühne gastierte zweimal auf der Burg.
Wir spielten auf einer Holzbühne, die jedes Jahr neu aufgebaut werden musste, was nicht einfach war und viel Kraft kostete. Eigentümer der Burg ist das Land Hessen und wird von der Abteilung Burgen und Schlösser verwaltet. 1974 war Finanzminister Reitz Schirmherr der Burgfestspiele. Mit ihm traf ich mich auf der Burg. Außerdem brachte er Herrn Direktor Lill und den Landeskonservator Herrn Kiesow mit. Ihnen gefiel nicht was sie im Burghof sahen, denn dort stand die Hütte einer Lumpensammlerin – Kulisse für unser Stück „Lumpen". Herrn Kiesow ließ sich überzeugen, dass eine gemauerte Bühne kein Fremdkörper im Burghof ist. Der Finanzminister versprach zu helfen. Noch im gleichen Jahr kam im November vom Ministerium der Anruf, dass im laufenden Haushalt Mittel frei geworden sind und wenn wir schnellstens Pläne vorlegen, diese für eine Bühne auf Hohenstein ausgegeben werden könnten. Am nächsten Tag fuhr ich mit meiner Frau zur Burg. Sie erstellte einen Plan mit Massenberechnung und noch im gleichen Jahr wurde die Bühne gebaut. Dies war die erste Unterstützung vom Land Hessen für die Burgspiele. Auch in den folgenden Jahren half das Land immer wieder beim Ausbau der Infrastruktur.

Im Logo der Taunusbühne ist die Burg Hohenstein abgebildet, denn die Burg ist ihre wichtigste Spielstätte. 2023 spielte man 17mal das Lustspiel „Pension Schöller". Viele Aufführungen waren ausverkauft.

Der Schirmherr Bürgermeister Bauer schrieb in seinem Grußwort:
Die Taunusbühne hat sich zu einer wahren Institution entwickelt und uns mit fantastischen Inszenierungen immer wieder begeistert. Jedes Mal gelingt es dem talentierten Ensemble uns in eine andere Welt zu entführen und uns mit seiner Leidenschaft für das Theater anzustecken. Das ist ein wahrhaftiger Schatz für unsere Gemeinde und die ganze Region.