"Das wollte ich schon immer" - Weddingweiser Mastodon

35 Jahre Curry Baude am Bahnhof Gesundbrunnen:
"Das wollte ich schon immer"

17. Mai 2024

Warum ein Curry-Wurst-Imbiss, frage ich Reina Lehmann bei einem Becher heißen, schwarzen Kaffees. „Das wollte ich schon immer, schon als Kind, wenn ich diese kleinen Wurststände gesehen habe, dachte ich, das will ich mal machen“, antwortet der Besitzer der Curry Baude am U-Bahnhof Gesundbrunnen, den ich anlässlich des bevorstehenden 35. Jubiläums der Berliner Instanz in Sachen Wurst treffe.

Reina Lehmann in der Baude I Foto: Andaras Hahn

Als Jugendlicher wollte Reina Lehmann dann Starkstromelektriker werden, hat aber keine Lehrstelle bekommen und wurde Fleischer. Warum? „Weil Großvater, Onkel und Bruder auch Fleischer waren, da lag das nah“, erzählt Lehmann. Gelernt hat er seinen Beruf in einer Fleischerei in der Gerichtstraße im Wedding, wo er auch aufgewachsen ist. 1982 begann er, Imbisse in Berlin mit seiner selbsthergestellten Wurst zu beliefern. Im Februar 1989 kaufte er die Curry Baude, um neben der Wurst-Herstellung ein zweites Standbein zu haben.

Erst Grenzgebiet, dann Viererreihen

Die Curry Baude, die Anfang 1989 noch unmittelbar an der innerdeutschen Grenze stand, hatte schon vor Reina Lehmann ihren Namen. „Damals wurden dort aber eher Schnaps und Bier getrunken, wir haben dann hier alles umgebaut, um das Geschäft auf die Wurst umzulenken“, sagt Lehmann. Ob ich wüsste, was eine Baude sei, fragt er, als ich wissen will, warum er den Namen behalten hat. Zum Glück habe ich meiner schlesischen Großmutter immer gut zugehört, wenn sie vom Riesengebirge und den Bauden, also den Schutzhütten, erzählte. „Genau“, sagt Lehmann, „und den Gedanken fand ich eben schön, die Curry Baude als eine Art Schutzhütte, nur eben in der Stadt“. Vor dem Mauerfall sei die Gegend am Bahnhof Gesundbrunnen sehr ruhig gewesen, da sie im Grenzgebiet lag, aber als Ende 1989 die Grenze geöffnet wurde, hätten die Leute in Viererreihen bei ihm an der Curry Baude angestanden und auch mit der Herstellung und Belieferung der anderen Imbisse sei er kaum hinterhergekommen, erinnert sich Reina Lehmann lachend.

Wenn man im Internet nach der besten Curry-Wurst der Stadt sucht, ist die Wurst der Curry Baude immer eine der Besten auf der Liste. Auf die Frage, was das Geheimnis seines Erfolgs ist, sagt Reina Lehmann: „Nie etwas ändern!“ Dazu gehöre die richtige Einstellung des Bräters genauso wie die Gewürzmischung in Wurst und Sauce und natürlich die kumpelhaft-familiäre Atmosphäre, die von Reina Lehmann und seinen Mitarbeiter:innen ausgeht. Man müsse auch immer wissen, wie man wie anspreche. „Wenn ich einen Rocker in Lederkluft vor mir habe, den kann ich doch nicht siezen, der lacht mich ja aus“, erklärt Reina Lehmann verschmitzt.

Eine treue Stammkundschaft

Über die 35 Jahre ist so eine treue Stammkundschaft herangewachsen: Die über 90-jährige Hilde, die jeden Morgen zum Kaffee kommt, Krankenschwestern nach der Nachtschicht, BSR-Angestellte, die ihre erste Runde Müllabfuhr hinter sich haben, Geschäftsleute oder Polizist:innen, die ihre Mittagspause an der Curry-Baude verbringen – und natürlich Theo, der Hund, der während unseres Gesprächs bei Reina Lehmann eine Wurst abstaubt. Mit zu den schönsten Erinnerungen zählen für Reina Lehmann auch zwei Hochzeitspaare, die als treue Curry-Bauden-Fans ihr Hochzeitessen dort eingenommen hätten oder ein Paar, dass sich an der Curry Baude kennengelernt habe und jedes Jahr extra nach Berlin zum Wurstessen bei Reina Lehmann anreise.

Bis 2020 habe er noch andere Imbisse mit seinen selbst hergestellten Würsten beliefert, mittlerweile habe er die Herstellung seiner Würste aber an eine andere Fleischerei übergeben. „Um 100 Kilogramm Wurst herzustellen, muss man nämlich fast eine Tonne Gewicht bewegen – weil man alles zehnmal anfassen muss – das schafft man irgendwann nicht mehr“, erklärt der 71-jährige Unternehmer mit prüfendem Blick auf das Geschehen im und vor dem Imbiss. Dort steht seine Enkelin Anna Falkner am Tresen, die – während wir das Interview führen – allein die hungrigen Curry-Wurst-Jünger:innen an diesem Himmelsfahrts-Feiertag versorgt. Seit ihrer Teenager-Zeit arbeitet sie immer mal wieder bei ihrem Großvater. Anfangs hat sie Geschirr gespült, um sich das Taschengeld aufzubessern, mittlerweile kümmert sich die 25-Jährige – neben dem Verkauf – um den Instagram-Kanal, entwirft die Curry-Bauden-T-Shirts und organisiert die Party zum 35. Jubiläum.

Auf die Frage, was er sich für die Zukunft der Curry Baude wünsche, sagt Reina Lehmann, er wünsche sich schon, irgendwann ein bisschen weniger zu arbeiten, aber dann frage er sich immer, was er dann mit der ganzen freien Zeit machen solle. – Na, dann: Auf die nächsten 35 Jahre!

Curry Baude-Geburtstagsparty

Anstoßen, Curry-Wurst-essen und tanzen bis zum Morgengrauen könnt ihr mit dem Curry-Bauden-Team am Samstag, den 18. Mai 2024 ab 21 Uhr im Humboldthain-Club (S-Bahnhof Humboldthain).

Instagram Curry Baude

Fotos: Susann Schütz, Samuel Orsenne, Andaras Hahn

Susann Schütz

Susann wurde Anfang der 1980er Jahre im (Ost-)Harz geboren. Sie kam nach ein paar Jahren in Kiel, Hamburg, Paris im Jahr 2008 nach Berlin und lebt seit 2016 im Wedding. Sie arbeitet fürs Radio, geht gern im Wedding und überall in Berlin spazieren, immer auf der Suche nach den Spuren der jüngeren und älteren Vergangenheit. Im Wedding fühlt Susann sich wohl, obwohl sie ihn auch manchmal satt hat. Sie sagt sich aber, so ist das eben mit den Orten, die wir zu Hause nennen.

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