Eine Frau sitzt verzweifelt vor ihrem Computer. Kriminelle tarnen sich bei Amazon oder Ebay als seriöser Shop und kommen so an Kundendaten. Ihre Opfer stehen plötzlich selbst unter Betrugsverdacht.

Gekaperte Online-Shops und Dreiecks-Masche

Neue Betrugsmaschen beim Online-Shopping

Stand
AUTOR/IN
Jörg Hommer
ONLINEFASSUNG
Eva Gnädig

Betrüger hacken sich in seriöse Online-Shops, etwa bei Amazon, und stehlen Kundendaten. Oder sie betrügen mit der "Dreiecksmasche": Opfer stehen plötzlich unter Betrugsverdacht.

Online-Betrüger werden immer raffinierter. Ihre Maschen sind auf Verkaufsplattformen wie Amazon oder Ebay zugeschnitten.

Betroffen: Verkaufsplattformen wie Amazon & Co. 

Erkennen lassen sich die kriminellen Angebote schwer - nur eines eint sie: die geradezu unverschämt günstigen, vermeintlichen Schnäppchen-Preise. 

Masche 1: Gekaperter Online-Shop  

Die Betrüger verschaffen sich Zugang zu einem bereits bestehenden, seriösen Shop. Über ihn bieten sie nun scheinbar unglaublich günstige Waren an und locken damit Kunden ins Netz.

Nach der Bestellung fordern die Betrüger die Kunden unter einem Vorwand auf, die Rechnung direkt auf ein Konto im Ausland zu überweisen. Wenn die Kunden das tun, ist das Geld weg - Ware bekommen sie keine. Und der eigentliche Shop gerät ins Visier der Ermittler. 

Seriöser Shop auf Amazon wird zu Betrüger-Plattform 

So geht es Silke L. aus Baden-Württemberg vor einigen Monaten. Sie betreibt einen Online-Shop für Badezimmer-Artikel auf Amazon Marketplace. Plötzlich rufen bei ihr täglich Hunderte verärgerte Kunden an, fordern ihre bestellte Ware, die es in Wirklichkeit aber gar nicht gibt und die Silke L. selbst nie angeboten hat.  

Monatelang hat Silke L. nun keinen Zugriff mehr auf ihren Shop, Betrüger haben ihn gekapert und der Betreiberin den Zugriff versperrt. Hilflos muss sie mitansehen, wie Betrüger über ihren Shop nicht existierende Waren anbieten, und die Kunden abzocken. Silke L.s eigenes Geschäft bricht komplett ein, ihre Einnahmen bleiben aus - für sie existenzgefährdend. 

Amazon scheint nicht zu reagieren 

Silke L. wendet sich an Amazon - lange Zeit mehr oder weniger erfolglos. "Ich verstehe es einfach nicht. Dafür, dass wir Händler ziemlich hohe Gebühren an Amazon bezahlen, ist kein Service vorhanden. Und das geht eigentlich nicht." Sie erreicht niemanden, bekommt keinen Zugriff auf ihr Konto. 

Zwar schließt Amazon nun ihren Shop und verhindert damit weiteren Betrug, aber ihren Shop bekommt Silke L. erstmal nicht zurück.  

Was tut Amazon gegen Betrüger? 

Was unternimmt Amazon gegen Betrug auf seiner Plattform, wie im Fall von Silke L.? Amazon antwortet Marktcheck:

"Für Verkaufspartner gibt es mehrere Schritte, um den eigenen Account zu schützen, unter anderem sollte das Passwort regelmäßig geändert und die Zwei-Faktor-Authentifizierung genutzt werden. (...) Verkaufspartner sollten sich bei Verdachtsfällen sofort über den Verkäuferservice an Amazon wenden, damit wir der Sache nachgehen können."

Eine Antwort, warum das bei Silke L. so lange gedauert hat, bleibt Amazon schuldig. Erst über einen Monat später bekommt sie ihren Shop zurück. Dazu schlechte Bewertungen und viel Ärger.

Für sie bange, existenzgefährdende Wochen: "Man ist verzweifelt, ganz ehrlich. Ist ja immer Geld, was verdient werden muss. Und wenn das fehlt, kann man eigentlich Richtung Arbeitsamt gehen."

Ermittler oft machtlos gegen Kriminelle

Solche Betrugsmaschen tauchen immer wieder im Internet auf, vor allem vor Aktionswochen wie zum Beispiel der Black Week oder während des Weihnachtsgeschäfts. Das beobachtet auch Hans-Joachim Henschel vom Landeskriminalamt Niedersachsen. Die Identität der Betrüger bleibt oft unklar.

"Die Täter können von überallher stammen, vom Inland oder Ausland. Das können Einzeltäter sein, das können mehrere Täter sein, die untereinander vernetzt arbeiten und sich gar nicht kennen. Die nutzen Anonymisierungs-Dienste aus, um den Geldfluss zu verschleiern", weiß Henschel. 

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Masche 2: Dreiecksmasche  

Die Betrüger bieten auf einer Verkaufsplattform wie Amazon ein Produkt zum Schnäppchenpreis an, zum Beispiel einen Fernseher. Der Käufer bezahlt ihn beim Betrüger und übermittelt seine Adressdaten für den Versand. Mit diesen Daten bestellt der Betrüger dann das gleiche Produkt bei einem seriösen Shop. Auf Rechnung, die dann an den ursprünglichen Kunden adressiert ist.  

Der bekommt die Ware also nicht vom Betrüger, sondern vom seriösen Händler geliefert. Die Ware landet beim Kunden. Doch das Geld landet beim Betrüger. Der seriöse Händler wartet vergeblich auf sein Geld - und zeigt den Kunden schließlich an. Der keine Ahnung hat, dass er einem Betrug aufgesessen ist. Doch bis das klar wird, ist viel Zeit vergangen - kostbare Zeit. 

Täter spielen auf Zeit 

Die Verzögerung hierbei gehört zur Methode. Andreas Mackenthun vom Landeskriminalamt Hamburg sagt: "Auf diese Weise gewinnen die Täter Zeit, um ihre Spuren zu verwischen und ihre Beute in Sicherheit zu bringen. Gerade bei Internet-Ermittlungen spielt Zeit eine große Rolle, denn schon nach einer Woche sind viele Internetspuren nicht mehr zurück verfolgbar. IP-Adressen beispielsweise lassen sich dann nicht mehr ermitteln. So haben die Täter ein leichtes Spiel." 

Und werden nur selten geschnappt. Denn die Polizei ermittelt erstmal gegen den arglosen, unbescholtenen Kunden. 

Am Anfang: ein scheinbares Schnäppchen auf Amazon 

So geschehen bei Dirk Uhlenbrock. Er kauft bei Amazon eine Hunde-Transportbox. Normalerweise kostet sie um die 200 Euro. Er freut sich über ein Schnäppchen, als er ein Angebot für 90 Euro findet. "Ich war ein wenig skeptisch, weil es von einem chinesischen Händler kam. Aber ich habe Amazon vertraut, dachte, dieses Produkt könnte zweite Wahl oder ein Auslaufmodell sein", so Uhlenbrock. 

Er bezahlt die Box. Sie wird auch geliefert, neu und einwandfrei. Alles ist prima - ein paar Wochen lang. Dann kommt ein Schreiben von der Polizei, eine Anzeige: Gegen ihn laufe ein Ermittlungsverfahren wegen Online-Betrugs.  

Plötzlich Ermittlungsverfahren am Hals 

Laut Anzeige soll er die Hundebox mit einer fremden Identität bestellt haben – und zwar beim Onlinehändler Fressnapf. Dirk Uhlenbrock ist Opfer der aktuellen Dreiecks-Betrugsmasche geworden, die ihn am Ende zum vermeintlichen Täter macht.

Zum Glück geht es für ihn gut aus: Seine Hundebox hat er noch, sie war für ihn schließlich sogar kostenlos. Denn Amazon hat ihm sein Geld zurücküberwiesen, weil er auf der Plattform an einen Betrüger geraten ist. Und Fressnapf verlangt keine Zahlung von ihm. Ein fader Beigeschmack aber bleibt.

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Jörg Hommer
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Eva Gnädig