Slowakei: Robert Fico nach Schüssen in Lebensgefahr - ZDFheute

: Nach Schüssen: Robert Fico in Lebensgefahr

15.05.2024 | 20:36 Uhr
Der Ministerpräsident der Slowakei, Robert Fico, ist durch Schüsse lebensgefährlich verletzt worden. Ein Mann wurde festgenommen. Die Regierung spricht vom "politischen Motiv".

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlová angeschossen und verletzt worden. Britta Hilpert berichtet aus Bratislava.

15.05.2024 | 09:08 min
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist nach einer Kabinettssitzung in der Stadt Handlova lebensgefährlich verletzt worden. Mehrere Schüsse seien auf den Regierungschef abgefeuert worden, hieß es in einem am Mittwochnachmittag veröffentlichten Post in seinem Facebook-Profil.
Er sei per Helikopter nach Banska Bystria geflogen worden, da ein dringender Eingriff nötig und der Weg nach Bratislava zu weit sei. Am Abend schwebte Fico noch in Lebensgefahr. Ärzte kämpften um das Leben des Regierungschefs, erklärte Verteidigungsminister Robert Kalinak am Abend.
Der Angreifer wurde nach Angaben der Polizei festgenommen.

Reaktionen auf das Fico-Attentat

Reaktionen aus der Slowakei

Die slowakische Staatspräsidentin Zuzana Caputova reagierte geschockt auf das Attentat. "Ein körperlicher Angriff auf den Ministerpräsidenten ist zuallererst ein Angriff auf eine Person, aber es ist auch ein Angriff auf die Demokratie," sagte sie. "Die hasserfüllte Rhetorik, derer wir in der Gesellschaft Zeuge geworden sind, führt zu hasserfüllten Aktionen. Bitte, lasst uns damit aufhören."

Ihr Nachfolger im Amt, der designierte Präsident Peter Pellegrini, verurteilte den Anschlag als eine "noch nie dagewesene Gefährdung der slowakischen Demokratie". "Wenn wir andere politische Meinungen mit Pistolen auf den Plätzen ausdrücken und nicht in den Wahllokalen, gefährden wir alles, was wir in den 31 Jahren der slowakischen Unabhängigkeit gemeinsam aufgebaut haben", warnte der sozialdemokratische Politiker.

Die Ampel-Regierung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich "erschüttert" über die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef Robert Fico gezeigt. Scholz sprach bei X von einem "feigen Attentat". Gewalt dürfe "keinen Platz haben in der europäischen Politik". 

Bundeswirtschaftsminister und Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) wünschte "gute Besserung" und mahnte zur verbalen Abrüstung. Diejenigen, die sich dem demokratischen Spektrum zugehörig fühlen, sollten ihre Worte "sorgsam wägen". Vor allem mit Blick auf die AfD warnte Habeck, "dass aus Worten Taten folgen und dass diese Taten dann meistens eine geistige Vorbereitung haben".

Stimmen aus Brüssel

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Angriff auf Fico als "abscheulich" verurteilt. "Solche Gewalttaten haben in unserer Gesellschaft keinen Platz und untergraben die Demokratie, unser höchstes gemeinsames Gut", schrieb sie auf X. Ihre Gedanken seien bei Fico und seiner Familie. EU-Ratspräsident Charles Michel postete, dass Gewalt und derartige Angriffe sich durch nichts rechtfertigen lassen würden. 

Auch der Generalsekretär der Nato, Jens Stoltenberg, zeigte sich "schockiert und entsetzt" über die Attacke. "Ich wünsche ihm Kraft für eine schnelle Genesung", postete er auf X. Seine Gedanken seien bei ihm, seinen Angehörigen und dem slowakischen Volk.

Wolodymyr Selenskyj

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat das Attentat aufs Schärfste verurteilt. "Es müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit Gewalt in keinem Land, in keiner Form oder Sphäre zur Norm wird", schrieb er auf X. Die Ukraine sei solidarisch mit der Slowakei und wünsche Fico rasche Genesung.

Wladimir Putin

Der russische Präsident Wladimir Putin bezeichnete den Schusswaffenangriff als "abscheuliches Verbrechen". "Ich kenne Robert Fico als mutigen und willensstarken Mann. Ich hoffe sehr, dass diese Eigenschaften ihm helfen, diese schwierige Situation zu überstehen", teilte er in einer vom Kreml veröffentlichten Erklärung mit.

Weitere Stimmen

Österreichs Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) war ebenfalls entsetzt. Erst vor wenigen Tagen habe er mit Fico telefoniert und "intensiv über Sicherheitsthemen gesprochen" postete er auf X. Ungarns Regierungschef Viktor Orban kündigte auf seiner Facebook-Seite an, für Ficos "möglichst baldige Genesung" zu beten. 

Rumäniens Staatspräsident Klaus Iohannis verurteile "aufs Schärfste solche extremistischen Taten, die unsere europäischen Grundwerte bedrohen." Auch Polens Regierungschef Donald Tusk war schockiert von dem Angriff. "Robert, meine Gedanken sind in diesem sehr schwierigen Moment bei dir", schrieb Tusk auf der Plattform X.

US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Rishi Sunak verurteilten den Angriff ebenfalls.

(Quelle: AFP, dpa)

Schüsse auf Fico nach Kabinettssitzung

Die von Fico geführte Dreiparteienregierung hält immer wieder Sitzungen außerhalb der Hauptstadt Bratislava wie nun eben in Handlova ab. Die Polizei evakuierte das Kulturhaus, in dem die Regierungssitzung abgehalten worden war.
Ein Augenzeuge sagte der Nachrichtenagentur Reuters, er habe mehrere Schüsse gehört. Auch ein Reporter der Tageszeitung "Dennik N" hörte Schüsse und beobachtete dann, wie Rettungskräfte Fico in einen Wagen trugen. Reuters berichtet, Fico sei während des Transportes bei Bewusstsein gewesen. Zeugen berichteten von Blut am Kopf und am Bauch, berichtete ZDF-Korrespondentin Britta Hilpert.

Auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico sind bei einem Attentat mehrere Schüsse abgefeuert worden, aktuell soll er in Lebensgefahr schweben. Britta Hilpert berichtet.

15.05.2024 | 02:00 min

Tatverdächtiger ist 71-Jähriger aus der Region

Bei dem Tatverdächtigen handele es sich um einen 71-jährigen Slowaken aus einer Kleinstadt in der Nähe, berichtete Hilpert aus der Hauptstadt Bratislava. Er sei direkt vor Ort festgenommen worden und habe verwirrt gewirkt. Der Tatverdächtige sei Mitglied in einem Literaturklub, habe Gedichte veröffentlicht und sich in Schriften gegen Gewalt ausgesprochen. Dies sei allerdings schon einige Jahre her. Die Hintergründe zur Tat seien aber noch völlig unklar.
"Es ist mittlerweile ein Video aufgetaucht", so Hilpert weiter, "auf dem zu sehen ist, wie Fico nach dieser Regierungssitzung in der Kleinstadt zu den Menschen auf dem Platz ging, um das Gespräch zu suchen."
Und da in dieser kleinen Menge - muss man sagen - ist er wohl auf Fico zugegangen und aus nächster Nähe sind dann diese Schüsse gefallen.
Britta Hilpert, ZDF-Korrespondentin

In der Slowakei lieferten sich Peter Pellegrini und sein Widersacher Ivan Korcok einen harten Wahlkampf. Das Ergebnis fiel äußerst knapp aus, was die Spaltung im Land zeigt.

08.04.2024 | 01:14 min

Fico beklagte Klima der Feindschaft

Das Attentat hatte nach Einschätzung der Regierung ein "politisches Motiv". Das sagte Innenminister Matus Sutaj Estok am Mittwochabend vor Journalisten in der Klinik in Banska Bystrica, wo Fico operiert wurde.
Trotz eines Informationsembargos gelangte der TV-Senders TA3 an eine Videoaufnahme aus der Klinik. Darin sagt der benommen wirkende mutmaßliche Attentäter: "Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu." Als konkretes Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS, gegen das seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren.
Fico hatte vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen die Regierung zu schaffen. Es sei nicht auszuschließen, dass es in einem solchen Klima irgendwann zu einer Gewalttat komme.

Annäherungskurs gegenüber Russland

Fico prägt seit knapp zwei Jahrzehnten die Politik in der Slowakei. In vier Amtszeiten als Regierungschef hat er sich bei einem großen Teil der slowakischen Bevölkerung beliebt gemacht, etwa mit der Ablehnung harter Sparmaßnahmen während der Finanzkrise ab 2008.
Mit seinem harten Kurs beim Thema Migration und der Annäherung seines Landes an das Russland Wladimir Putins hat er weit über die Slowakei Aufsehen erregt. Nach dem Wahlsieg seiner Partei Smer-SD im vergangenen September war Fico erneut Regierungschef des Lands mit rund 5,4 Millionen Einwohnern geworden.

Vor etwa fünf Jahren musste der slowakische Ministerpräsident Fico wegen Korruptionsvorwürfen sein Amt räumen. Kaum wieder im Amt versucht er Maßnahmen gegen Korruption abzuschaffen. Die EU-Kommission protestiert - und droht mit einem Entzug der Fördergelder.

31.01.2024 | 02:04 min
Quelle: AP, AFP, dpa, Reuters, ZDF

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