Jedes Jahr am 21. Juni am Nachmittag werden die Tore des Gartens Piramides de Güimar, eines ethnografisch-botanischen Parks auf Teneriffa, unentgeltlich geöffnet. Da findet eine Besonderheit statt, die astronomisch wie auch astrologisch interessierte Personen von weit und fern anzieht: ein doppelter Sonnenuntergang.

Die Pyramiden von Güimar funktionieren wie ein Sonnenkalender.
Die Pyramiden von Güimar funktionieren wie ein Sonnenkalender.
Thomas Ruzicka

Man muss rechtzeitig kommen, um einen ordentlichen Platz zu ergattern, von dem aus sich diese Attraktion beobachten lässt. Etwa 300 Menschen können sich entlang des schmalen Weges aufstellen, der an den Pyramiden zwei bis vier entlangführt. Auf der Nase haben die Sonnengucker eine dieser Sichtbrillen aus Papier, mit denen man keine Augenschäden kriegt, wenn man in die gelbe Scheibe schaut.

Das Ereignis, das dazu führt, dass die Sonne – scheinbar – zweimal untergeht, beruht darauf, dass hinter einem der Berge westlich des Parks der Himmelskörper zuerst hinter einem der Abhänge verschwindet. Gleich danach, bei der Hangausbuchtung darunter, taucht ein Teil der Scheibe nochmals auf. Erst dann geht die Sonne hinter dem steilen Gebirge vulkanischen Ursprungs gänzlich unter, und es beginnt, dunkel zu werden.

Eine der insgesamt sechs Güimar-Pyramiden Teneriffas
Eine der insgesamt sechs Güimar-Pyramiden Teneriffas
Thomas Ruzicka

Es ist ein magisches Phänomen. Erreicht wird es dadurch, dass die Hauptachsen der insgesamt sechs Stufenpyramiden in der Ortschaft Güimar beim Bau auf die Sonnenwenden ausgerichtet wurden. Wie immer bei solchen altertümlichen Kalendern konnten sich die Bauern darüber informieren, wann die Tage kürzer beziehungsweise länger werden. Ein Wissen, das für den Ackerbau von Bedeutung war.

Tatsächlich aber ist der Pyramidenkomplex gar nicht so alt, wie es den Anschein hat. Er dürfte erst im 19. Jahrhundert seine jetzige Form bekommen haben. Trotzdem war der norwegische Ethnologe und Abenteurer Thor Heyerdahl fasziniert, als er 1991 davon erfuhr. Er nahm an, dass die Stätte auf die Ureinwohner Teneriffas, die Guanchen, zurückgeht. Mit einem Sponsor, dem Reeder Fred Olsen, dessen Fähren Teneriffa ansteuern, errichtete er rund um die Stufenpyramiden einen Park.

Ein Museum zu seinen Theorien und ein Nachbau des Papyrusbootes RA II, mit dem er 1970 den Atlantik von Osten nach Westen überquerte, runden das Angebot ab. (Johanna Ruzicka, 13.5.2024)