Spitzenduo: Erfurt wird ein profilierterer Katholikentag | Evangelische Zeitung

Spitzenduo: Erfurt wird ein profilierterer Katholikentag

Es kann losgehen: Kurz vor Beginn zeigt sich die Katholikentagsspitze in Vorfreude. Mehr Profil und faires Ringen um Antworten in Krisenzeiten – darauf hoffen Bischof Ulrich Neymeyr und ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp.

Zeitgemäße Profilschärfung – dieses Versprechen will der Katholikentag in Erfurt einlösen. Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sind die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, und der Bischof des gastgebenden Bistums Erfurt, Ulrich Neymeyr, zuversichtlich, dass es klappt. Das Friedens-Leitwort des fünftägigen Christentreffens, das am 29. Mai beginnt, ist schon mal hoch aktuell. Zugleich fällt der Katholikentag mitten in den Wahlkampf.

KNA: Frau Stetter-Karp, Bischof Neymeyr, worauf freuen Sie sich denn am meisten?

Stetter-Karp: Auf die vielen Menschen – ich hoffe auf viele gute Begegnungen. Und ich freu mich auf Erfurt, das einen guten Rahmen für unseren Katholikentag bildet: Mitten in Deutschland, passend zu den Fragen zwischen Ost und West und spannend, weil wir uns an einem Ort treffen, den man nicht per se mit prallem Katholizismus verbindet, aber mit einer höchst lebendigen katholischen Minderheit.

Neymeyr: Ich freu mich, neben den Begegnungen auf die Gottesdienste, die mit viel Mühe vorbereitet worden sind.

KNA: Erfurt löst eine lange erhobene Forderung ein: Das Programm des Katholikentags ist auf 500 Veranstaltungen eingekürzt, tausend weniger als vor zwei Jahren in Stuttgart. Ein schmerzhafter Prozess?

Stetter-Karp: Schmerzhaft würde ich nicht sagen. Es war eine bewusste Abwägung: Was ist eine gute Größe, um lebendige Debatten zu ermöglichen? Um den Katholikentag zu fokussieren? Wir haben klar gesehen, dass die Diaspora einen kleineren Katholikentag mit sich bringen wird. Und dass es insgesamt nicht ohne Folgen bleiben kann, wenn Jahr für Jahr Hunderttausende in ganz Deutschland aus der Kirche austreten.

Neymeyr: So ist es. Und wenn man es positiv sieht, lässt sich sagen: Es hat auch Vorteile auszuwählen. Es ist ein profilierterer Katholikentag.

KNA: Das Leitwort lautet “Zukunft hat der Mensch des Friedens”. Aber was macht heute einen Menschen des Friedens aus? Die Vorstellungen gehen im Zuge der Kriege in der Ukraine und Nahost inzwischen auseinander. Frieden schaffen ohne Waffen – solch ein Satz ist inzwischen umstritten. Wie nehmen Sie das wahr?

Stetter-Karp: Für meine Generation, die Älteren, ist das natürlich eine Enttäuschung. Ich war als junge Frau in der Abrüstungsdebatte in den 1980er Jahren politisch sehr aktiv, jetzt sehe ich das nuancierter. Umstritten war der Einsatz für den Frieden damals allerdings auch schon. Ich denke, für uns Christen ist es gut, in der Friedenssuche wach und aufmerksam zu bleiben und um Antworten zu ringen. Von einer “Remilitarisierung Deutschlands” zu sprechen, wie manche es tun, geht jedenfalls an den Realitäten vorbei. Wir erleben Putins Versuch, den Untergang des Ostblocks ungeschehen zu machen. Und das ist eine völlig andere Situation als in den 1980er Jahren.

KNA: Wir erleben derzeit auch viel gesellschaftlichen Unfrieden. Kann der Katholikentag etwas dazu beitragen, diese Gräben zu überwinden?

Neymeyr: Ich denke, ja. Mit einer guten Debattenkultur, die auch kritische Stimmen einbindet. Das wird schon eine Herausforderung, ob es gelingt – auch an den Ständen der Kirchenmeile – ins Gespräch zu kommen und auszuhalten, verschiedener Meinungen zu sein. Und trotzdem zuzuhören, was den anderen bewegt.

KNA: Was kann denn der Katholikentag in der aktuellen politischen Gemengelage bewegen?

Neymeyr: Wir diskutieren ja aktuell die Frage des Lebensschutzes, Stichwort Schwangerschaftsabbruch, Stichwort assistierter Suizid. Ich glaube, da kann der Katholikentag schon eine Meinung beisteuern und hoffentlich auch innerkatholisch zu gemeinsamen Wegen führen.

Stetter-Karp: Das gilt auch für die Außenpolitik, gerade mit Blick auf Putin, der versucht, das Recht des Stärkeren durchzusetzen. Da können wir als Katholikinnen und Katholiken Haltung zeigen und deutlich machen: Wir stehen für die Demokratie, für Freiheit, freie Meinungsvielfalt und Menschenwürde.

Das gilt übrigens auch für die gesellschaftliche Situation in Deutschland selbst. Der Katholikentag wird ein deutliches Zeichen gegen den erstarkenden Rechtsextremismus und gegen Menschenfeindlichkeit setzen. Die AfD, in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft, verstärkt eine fatale Entwicklung. Für den Katholikentag ist das inakzeptabel.

KNA: Es fällt auf, dass auch bei diesem Katholikentag sich die erste Reihe der CDU rar macht, vor allem auf Podien. Woran liegt’s?

Stetter-Karp: Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat mir persönlich gesagt, dass er großes Interesse am Katholikentag hat. Er ist aber parallel auf einer Auslandsreise. Ich freu mich, dass er zur Eröffnung kommen kann. Das Ganze als eine Entfremdung wahrzunehmen, scheint mir überinterpretiert. Wir haben eine ganze Reihe prominenter CDU-Leute auf den Podien.

Neymeyr: Ich freue mich, dass viele Menschen kommen, die für unser Land Verantwortung tragen: Bundespräsident, Bundeskanzler, die Außenministerin und andere Minister. Da ist erst einmal zweitrangig, in welcher Partei die sind. Natürlich wird auf dem Katholikentag wahrnehmbar sein, dass wir am Sonntag darauf Europawahl haben. Am 1. September sind Landtagswahlen, und wir haben die Ergebnisse der Thüringer Kommunalwahlen, die am Sonntag vor dem Katholikentag stattfinden. Durch diese Terminierung findet der Katholikentag im Wahlkampf statt.

KNA: Welches Gewicht hat denn die Außenwirkung des Katholikentags für die Wahrnehmung des Katholizismus in Deutschland?

Stetter-Karp: Die Außenwirkung spielt schon eine große Rolle. Auch was daran alles festgemacht wird – das würde ich nicht unterschätzen. Ich war beim vergangenen Katholikentag in Stuttgart 2022 überrascht, wie mächtig die Fragen nach den Zahlen sind – als ginge es nur um Quantität und nicht auch um Qualität und Vielfalt. Gleichzeitig habe ich in den Medien differenzierte Analysen wahrgenommen, die Wertschätzung der offenen Debatten und des Freimuts, mit dem der Katholikentag auf Veränderungen drängt.

Neymeyr: Mit Blick auf Erfurt und Thüringen freue ich mich schon sehr, dass wir als katholische Kirche fünf Tage lang wirklich präsent sind – nicht nur mit unseren Gebäuden, sondern auch mit Veranstaltungen. Ich hoffe da auch auf manchen positiven Aha-Effekt bei den vielen Nicht-Christen hier. Für mich war das auch eine Motivation, den Katholikentag hierher einzuladen.

KNA: Ist der Katholikentag das letzte große katholische Lagerfeuer, um das man sich in Deutschland versammelt?

Stetter-Karp: Ich fremdele etwas mit dem Bild. Aber was die öffentliche Wirkung angeht, denke ich schon, dass es ein einzigartiges Format ist.

KNA: Herr Bischof, können Sie als alter Pfadfinder dem Lagerfeuer-Bild etwas mehr abgewinnen?

Neymeyr (lacht): Ich war seit 1978 bei jedem Katholikentag und finde schon: Ja, das hat was von Lagerfeuer. Man übernimmt sich nicht mit dem Programm, freut sich auf die Begegnungen. Und da bin ich wirklich gespannt, wie das hier in Erfurt wird. Die Bedingungen sind auf jeden Fall optimal, schon allein wegen der Stadtgröße von gut 200.000 Einwohnern. Da ist es für den Katholikentag weder zu eng, noch verliert er sich.

KNA: Wir erleben innerkirchlich große Spannungen und Unsicherheiten, was wünschen Sie sich diesbezüglich vom Katholikentag?

Stetter-Karp: Ich wünsche mir, dass es offene Diskussionen gibt über die Frage, welcher Weg für die Kirche in Deutschland für die nächsten Jahre tragfähig ist. Die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hat ja unlängst gezeigt, dass 96 Prozent der Katholiken hinter den Reformanliegen des Synodalen Wegs stehen. Ich hoffe, dass das in Erfurt erlebbar wird und das Signal “Rückenwind” vom Katholikentag ausgeht. Freilich wird es auch die anderen geben – und es ist gut, dass auch sie Platz beim Katholikentag finden.

KNA: Aber kommen die tatsächlich zu so einem Event?

Neymeyr: Die Katholiken, die die katholischen Reformanliegen skeptisch sehen, werden wohl eher nicht kommen. Ich hoffe trotzdem, dass möglichst viele Menschen, möglichst unterschiedlicher Couleur nach Erfurt kommen – in der katholischen Kirche ist für viele Platz.