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Dienstag, 14. Mai 2024
Unternehmensinsolvenzen steigen, größte Zuwächse im Handel

Creditreform: Insolvenzentwicklung in Europa

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 14.05.2024 | |  
Die insolvenzentwicklung in Österreich. Die insolvenzentwicklung in Österreich. Die Ergebnisse der traditionellen Creditreform-Studie zur Insolvenzentwicklung in Europa zeigen, dass die Unternehmensinsolvenzen in West- und Osteuropa steigen, wobei es die größten Zuwächse im Handel und im Baugewerbe gibt. Die Insolvenzursachen liegen in einem toxischen Mix aus Inflation, hohen Energiekosten, rückläufigem Konsum und schwierigen Finanzierungsbedingungen. Im deutschsprachigen Raum kommt noch die sehr schwache Konjunktur hinzu.

Der Anstieg der Insolvenzen setzt sich fort. In Westeuropa wurden im Jahr 2023 169.496 Unternehmensinsolvenzen registriert. Dieser Wert liegt um 20,9% über dem Vorjahresstand (140.168 Fälle). Die Insolvenzzahlen übertrafen damit erstmals wieder das Vor-Corona-Niveau. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der Creditreform Wirtschaftsforschung.

„Das Insolvenzgeschehen im vergangenen Jahr stand im Zeichen der Rezession. Inflation, Zinsen, Energiekosten und auch die Nachwehen von Corona haben viele Unternehmen massiv belastet. Jetzt sehen wir die Auswirkungen auch deutlich in den Zahlen“, fasst Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung in Neuss, die Entwicklung des Jahres 2023 zusammen.

Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer von Creditreform Österreich, sagt: „2023 wurden in Westeuropa so viele Insolvenzen gezählt wie zuletzt 2016. Die verschärften Finanzierungsbedingungen strapazieren die Reserven der Unternehmen deutlich. Die Zentralbank (EZB) dämpfte mit Zinserhöhungen die Inflation, aber auch Konsum und Investitionen. So konnten die Unternehmen kaum Erträge erwirtschaften.“

In den meisten der untersuchten 17 Staaten Westeuropas stiegen die Insolvenzzahlen. Rückgänge gab es nur in Dänemark, Luxemburg, Spanien und Portugal. Besonders stark war der Anstieg in den Niederlanden (plus 54,9 Prozent) und in Frankreich (plus 35,6 Prozent). In Schweden, Irland, Finnland, Norwegen und Deutschland stiegen die Insolvenzfälle um mehr als 20%.

„2024 wird eine Fortsetzung der schlechten Wirtschaftslage des vergangenen Jahres, die zu einer weiteren Zunahme der Insolvenzen führen wird. Zudem liefert die Finanzkrise 2009 einen Ausblick für die Insolvenzentwicklung der kommenden Jahre. Trotz wirtschaftlicher Erholung blieben die Zahlen damals für lange Zeit auf einem hohen Niveau“, erläutert Hantzsch.

Handel und Baugewerbe dominieren

In allen Hauptwirtschaftsbereichen stiegen die Insolvenzzahlen zweistellig. Besonders stark war der Anstieg im Handel (plus 24,8%) und im Bausektor (plus 21,7%), moderater war er im Dienstleistungsgewerbe (plus 16,2%). Im Verarbeitenden Gewerbe beschleunigte sich das Insolvenzgeschehen. Der Zuwachs (plus 19,8%) war höher als im Vorjahr. Gleichwohl liegen die Zahlen im Verarbeitenden Gewerbe noch knapp unter dem Wert des Jahres 2019.

„Mit mehr als 68.000 Insolvenzen allein im Dienstleistungsgewerbe und gut 52.000 Fällen im Handel wird das Insolvenzgeschehen in Europa vorrangig von diesen beiden Wirtschaftssektoren geprägt. Als Be

Die Veränderungen bei den Insolvenzen in den Hauptwirtschaftsbereichen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Skandinavien. Der grüne Balken repräsentiert den Handel, der rote die Bauwirtschaft.

lastung für die Unternehmen erwiesen sich die Konsumzurückhaltung infolge der Inflation und das hohe Zinsniveau“, erklärt Insolvenzexperte Weinhofer. Geopolitische Spannungen hätten zudem die Unsicherheit verstärkt und die Konjunktur gebremst.

Osteuropa

Auch in Osteuropa stiegen die Insolvenzzahlen, laut Creditreform, wobei weitgehend Ungarn für den Anstieg von rund 8 %verantwortlich war. Insgesamt wurden 2023 in Osteuropa fast 65.000 Unternehmensinsolvenzen registriert – im Vorjahr waren es gut 60.000 Fälle. In sechs von zwölf untersuchten Ländern gingen die Fallzahlen zurück. Die größten Rückgänge gab es in Kroatien (minus 22,3%) und in Lettland (minus 21,2%). Einen Anstieg verzeichneten neben Ungarn auch Estland, die Slowakei, Serbien und Tschechien.

Schwache Ertragslage belastet die Wirtschaft

„Nach einer leichten Erholung der Gewinne im Vorjahr, scheint die positive Entwicklung schon wieder vorüber“, erläutert Hantzsch. Eine zunehmende Zahl von Unternehmen hat im Jahr 2022 Verluste erwirtschaftet oder lediglich sehr niedrige Gewinnmargen erzielt. So wiesen 21,5% der Unternehmen ein negatives EBIT auf (2021: 21,3%) und weiteren 25,9% der Unternehmen (2021: 24,9%) blieb unter dem Strich lediglich eine Gewinnmarge von weniger als 5%. Nur für 18,8% der Unternehmen wurde 2022 eine sehr hohe Gewinnmarge von über 25% konstatiert.

Gestiegen sind 2022 hingegen die Eigenkapitalquoten der Unternehmen. 48,3% – und damit fast jedes zweite Unternehmen – wies eine Eigenkapitalquote von über 50% auf (Vorjahr: 47,2%). Eine schwache Eigenkapitalquote von weniger als 10% verzeichneten noch 21,4% der Firmen (Vorjahr: 22,0%).

„Derzeit leiden deutlich weniger Unternehmen als vor 10 Jahren unter Eigenkapitalschwäche. Allerdings machen die derzeit teuren Kredite Fremdkapital unattraktiv. So sinkt der Fremdfinanzierungsanteil in den Bilanzen und die Eigenkapitalquote steigt. Doch die anhaltend schlechte Ertragslage ist Gift für die Unternehmensstabilität. Die Insolvenzzahlen dürften dadurch weiter in die Höhe getrieben werden“, so Hantzsch weiter.

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