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Rom sehen und werben

Heemskercks „Blick auf das Forum Romanum“ Heemskercks „Blick auf das Forum Romanum“
Heemskercks „Blick auf das Forum Romanum“
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett/Volker-H. Schneider
Städtemarketing hatte Maarten van Heemskerck nicht im Sinn, als er 1532 nach Rom aufbrach. Auch wenn er schon damals keine „Ewige Stadt“ mehr vorfand, setzte der niederländische Künstler einen Trend, der bis heute anhält.

Wohl im Mai 1532 machte sich der Maler auf den Weg. Von Haarlem nach Rom. Immer auf dem Pferd von Poststation zu Poststation. Vielleicht über Brüssel, Lyon, Südfrankreich, 1600 Kilometer. Im Juli war Maarten van Heemskerck am Ziel. Er wird fünf Jahre bleiben.

Und weil er ein souveräner Zeichner war, hat er akribisch Buch geführt und grandiose Alben seiner Stadteindrücke mitgebracht. Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt rund 170 Zeichnungen, meist aus einem querformatigen Skizzenbuch, das in Einzelblätter aufgelöst nun in einer attraktiv gemachten Ausstellung zu sehen ist.

Fünf Jahre in der legendären Stadt, in der eine anämische Gegenwart von den unverbrauchbaren Resten ihrer famosen Vergangenheit lebte. Längst hatte das „ewige“ Rom seinen Unzerstörbarkeits-Nimbus verloren. Und vom alten Zentrum Latein-Europas war nur mehr ein grandioser Schauplatz verfallener Geschichte und verblassender Erinnerungen geblieben.

Maarten van Heemskerck, „Unterer Statuenhof der Casa Gallo“, um 1532–1536
Maarten van Heemskerck, „Statuenhof der Casa Gallo“, um 1532–1536
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett/Dietmar Katz

Selbst die Päpste hatten sich eine ganze Zeit lang von ihrem ehrwürdigen Bischofssitz zurückgezogen und in Avignon residiert. Und wenn zwischen den Resten der architektonischen Kulissen auch neues Leben keimte, dann war sie doch unübersehbar, die tiefe Kluft zwischen der Erfahrungswirklichkeit der Stadt und den aufblühenden Antikenfantasien einer nachmittelalterlichen Kulturgesellschaft.

Maarten van Heemskerck erfand die Künstlerreise

Für schwärmende Verehrung war immer Gelegenheit: Mit Stolz und Pomp hat sich der italienische Dichter Francesco Petrarca 1341 in Rom zum Dichter krönen lassen. Den jubelnden Volksmassen, die der Gepriesene bei der Zeremonie erlebt haben will, ist der niederländische Maler nicht mehr begegnet. Roms alte Straßen sind leer, die Plätze verwaist. Ein paar Leute am Forum, ein Reiter vor dem Kolosseum, ein paar Arbeiter am Neubau der Peterskirche. Maarten van Heemskerck wird Augenzeuge einer Welt, die einen Geschichtsaugenblick lang den Atem angehalten hat.

Auch er war ja dem Ruf gefolgt, der die humanistische Epoche geradezu magisch an die Schauplätze einer sagenhaft gewordenen Antike führte, wo die Ruinen und herumliegenden Skulpturentrümmer von unvergänglicher Größe erzählten. Aber anders als die Rom-begeisterte Renaissancegeneration, die wie der Maler Andrea Mantegna in der Tunica herumlief und sich wie Cicero in Tusculum fühlte, hielt Maarten van Heemskerck klugen Abstand zum sentimentalen Enthusiasmus.

Maarten van Heemskerck, „Titus-Bogen von Süden mit Durchblick zum Forum Romanum“, um 1535
Maarten van Heemskerck, „Titus-Bogen von Süden mit Durchblick zum Forum Romanum“, um 1535
Quelle: Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett/Volker-H. Schneider

Er blieb der neugierig anteilnehmende Beobachter, der fasziniert durch die Stadt spazierte und seine Beobachtungen mit weichem Strich festhielt. Dabei verzichtete er ganz auf das beschwörende Pathos, das bald Mode werden sollte.

„Konstantinsbogen“, „Forum von Süden“, „Circus Maximus“, „Titus-Bogen“, „Diokletiansthermen“, „Santa Maria in Aracoeli“, „Porta del Popolo“, die „Statuen im Hof der Casa Galli“ und immer wieder abgeschlagene Stücke antiker Skulpturen, die überall herumlagen, Zeugen einer plastischen Kunst, deren ungemeine Suggestion das Michelangelo-Jahrhundert wiederentdeckte. Erst vor wenigen Jahrzehnten war im Schutt der Stadt die berühmte „Laokoon“-Gruppe ausgegraben worden, deren tragischer Heroismus zu den ganz großen Anregungen der Epoche werden sollte.

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Auch Maarten van Heemskerck stand sichtlich getroffen vor dem bärtigen Haupt des trojanischen Priesters und hat die Falten der Leidensstirn noch tiefer gegraben, als sie der antike Bildhauer in Marmor gemeißelt hat. Ein Gipsabguss des Originals in den Vatikanischen Museen macht die feinen Unterschiede wunderbar anschaulich: Der niederländische Romfahrer fühlt mit, bekennt sein Staunen und wahrt zugleich Distanz, bleibt mit seiner unbestechlichen Zeichenkunst gänzlich unzuständig für die romantisierende Rom-Feier, die bis tief ins 19. Jahrhundert hinein die Erkenntnis allzu leicht in der Verehrung ersticken ließ.

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Zusammen mit einer Gruppe Gemälde Heemskercks und einiger Zeitgenossen lässt sich die Berliner Ausstellung wie eine Pilgerreise ohne Heilsversprechen erleben. Wie der Maler wieder von Rom aufgebrochen ist und auf welchem Weg er seine Heimat erreicht hat, auch das weiß man nicht. Man weiß nur, dass er unschätzbar kostbar bereichert zurückgekehrt ist.

„Faszination Rom. Maarten van Heemskerck zeichnet die Stadt“, bis zum 4. August 2024, Kulturforum, Berlin

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