Eine Wiener Schnellbahn fährt aus einem Tunnel.
Mit dem Klimaticket können alle öffentlichen Verkehrsmittel in Österreich benutzt werden. Kritiker sehen eine teure PR-Maßnahme der Infrastrukturministerin, Befürworter eine wichtige Maßnahme, um junge Menschen auf die Schiene zu bringen.
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Budgetiert ist das Projekt schon länger – mit 120 Millionen Euro pro Jahr. Am Donnerstag hat Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Wiener Hauptbahnhof Details zum kostenlosen Klimaticket für junge Menschen präsentiert. Alle in Österreich, die im Jahr 2024 ihren 18. Geburtstag feiern oder bereits gefeiert haben, sollen ein österreichweit gültiges Ticket erhalten und damit ein Jahr lang gratis die Öffis nutzen können.

Eingelöst werden muss das Ticket innerhalb von drei Jahren nach dem 18. Geburtstag, der Starttermin kann frei gewählt werden. Frühester Termin ist der 1. Juli 2024, Voraussetzung ein Wohnsitz in Österreich. Abholen können sich 18-Jährige das Ticket ab 3. Juni bei allen üblichen Verkaufsstellen, zum Beispiel bei den Ticketschaltern von ÖBB oder Westbahn. Dafür müssen sie einen Ausweis, eine Meldebestätigung sowie ein Foto mitnehmen und einen Antrag ausfüllen. Das Ticket kommt dann per Post.

"Mobilität ist Gewohnheit"

Den Vorwurf, ein "Wahlzuckerl" zu verteilen, will sich Gewessler nicht gefallen lassen. Aus ihrer Sicht sind die Millionen für das Ticket gut investiert. Das Argument: Junge Menschen stünden nach dem Abschluss ihrer Ausbildung vor einer entscheidenden Phase und würden sich überlegen, was für sie die "gescheiteste Lösung" ist, sagt Gewessler. "Brauche ich ein Auto? Oder gehen sich die Öffis für mich aus? Diese Fragen stellen sich ganz viele junge Menschen, und dort setzt unser Angebot an."

Argumentative Unterstützung holte sich die Ministerin bei Mobilitätsberaterin Lina Mosshammer. "Mobilität ist Gewohnheit und wird schon sehr früh geprägt. Wie Jugendliche unterwegs sind, das zieht sich bis ins Erwachsenenalter", sagte Mosshammer bei der Pressekonferenz. Mobilität sei ein Grundbedürfnis und eine Frage der Gleichberechtigung. Ähnlich sieht das Rihab Toumi, die Vorsitzende der Bundesjugendvertretung. "Junge Menschen wollen mit den Öffis fahren, es scheitert aber oft an der Leistbarkeit. Das Projekt können wir deshalb nur begrüßen."

Positiv sieht das Vorhaben auch Katharina Gangl, Verhaltensökonomin am Institut für Höhere Studien (IHS). In der Vergangenheit hätten Forschungsprojekte gezeigt, dass Fahrgäste, die vorübergehend ein kostenloses Öffi-Ticket bekommen, danach häufiger auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. "Neue Gewohnheiten werden tendenziell aufrechterhalten", sagt Gangl im Gespräch mit dem STANDARD. "Derzeit ist es oft so, dass junge Leute mit 18 ein Auto bekommen und sich daran gewöhnen." Ein kostenloses Klimaticket könne dabei helfen, umweltfreundlichere Gewohnheiten zu etablieren.

Voraussetzung sei freilich, dass der öffentliche Verkehr auch in ländlicheren Regionen eine attraktive Alternative zum Auto wird. Dass das Ticket alle 18-Jährigen bekommen sollen und nicht nur jene mit wenig Einkommen, findet Gangl ausnahmsweise positiv. "Gerade Kinder aus reichen Haushalten können sich am ehesten ein Auto leisten. Insbesondere diese Gruppe, die am meisten CO2-Ausstoß verursacht, muss deshalb unsere Zielgruppe sein", sagt die Ökonomin.

Unklarheit bei Zahlen

Kritikerinnen und Kritiker sehen in dem Projekt eine PR-Maßnahme der Ministerin. Das Argument: 18-Jährige haben in der Regel noch kein eigenes Auto und sind dank Schüler- und Lehrlingsfreifahrt Zeit ihres Lebens sehr billig bzw. gratis mit Öffis gefahren. Dort, wo der öffentliche Verkehr gut ausgebaut ist, würden junge Leute zudem schon jetzt auf ein Auto verzichten. Umgekehrt würde in vielen ländlicheren Regionen das kostenlose Klimaticket nichts daran ändern, dass man auf den Individualverkehr angewiesen ist, so das Argument.

Laut Gewessler nutzen derzeit rund 280.000 Menschen die österreichweite Version des Tickets. Davon entfallen rund 90.000 Tickets auf das Klimaticket Jugend und Klimaticket Zivildienst/Bundesherr/Freiwilligendienst. Zählt man die regionalen Fahrscheine dazu, habe mittlerweile jeder siebente Österreicher und jede siebente Österreicherin ein Klimaticket.

Wie viele Fahrgäste dabei tatsächlich neu dazugekommen sind und wie viele schon davor Zeitkarten benutzt haben, ist allerdings unklar. Zur Kritik, dass gestiegene Fahrgastzahlen zu einer Überlastung führen, sagt Gewessler: "Das Angebot wird parallel natürlich ausgeweitet. Wir bauen an der Infrastruktur wie nie zuvor in dieser Republik." Der ÖBB-Rahmenplan hat ein Investitionsvolumen von 21,15 Mrd. Euro bis 2029. Dazu kommen Budgetmittel für regionale Projekte. Insbesondere auf dem Land sei man darauf angewiesen, dass auch die Bundesländer mitziehen, betont die Ministerin.

Mit dem Klimaticket können praktisch alle Öffis genutzt werden, je nach Paket regional, überregional oder österreichweit. Ausgenommen sind touristische Angebote wie die Waldviertelbahn, die Wachaubahn oder die Schneebergbahn. Das österreichweite Klimaticket kostet für Erwachsene derzeit 1095 Euro pro Jahr, für Personen bis einschließlich 25 Jahre, Senioren ab 65 Jahren und behinderte Menschen 821 Euro pro Jahr. (Jakob Pflügl, 16.5.2024)