Zäsur bei Hertha BSC: Kay Bernstein hätte mit Pal Dardai weitergemacht!

Hertha-Kolumne

Zäsur bei Hertha BSC: Kay Bernstein hätte mit Pal Dardai weitergemacht!

Mit der Trennung von der Klubikone als Trainer verlässt der Verein ohne Not den Berliner Weg. 

Teilen
Verstanden sich gut und bauten aufeinander: Herthas verstorbener Präsident Kay Bernstein und Noch-Cheftrainer Pal Dardai. 
Verstanden sich gut und bauten aufeinander: Herthas verstorbener Präsident Kay Bernstein und Noch-Cheftrainer Pal Dardai. Jan Huebner/imago

Was hätte wohl Kay Bernstein dazu gesagt? Wie hätte er gehandelt? Diese Fragen habe ich mir zuletzt oft gestellt. Vor dem letzten Heimspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern, zu dem 67.000 Fans ins Olympiastadion pilgerten, wurde publik, was kein großes Geheimnis mehr war: Hertha trennt sich von Chefcoach Pal Dardai.

Pal Dardai war für Kay Bernstein Teil des Berliner Wegs

Sämtliche Medien verkündeten das Aus für den Ungarn, die Abschiedskommentare wurden gedruckt. Dardai selbst gab nach Dutzenden bohrenden Kurzinterviews schließlich zu, bald nicht mehr der Chef zu sein. Nur Herthas Geschäftsführung mauerte wie eine verängstigte Elf gegen einen übermächtigen Gegner. Man habe vertrauliche Gespräche geführt und führe diese auch weiter, hieß es. Manch Beobachter nannte das eine Posse. Ich glaube, Kay Bernstein hätte den „Berliner Weg“ mit Dardai fortgesetzt und dem Talente-Versteher die Chance gegeben, diese Entwicklung vielleicht mit dem Aufstieg zu krönen. Leider können wir den ehemaligen Präsidenten, der den Verein geerdet und bei vielen Berlinern wieder liebenswert gemacht hat, nicht mehr fragen.

Tatsächlich ist die Trennung von Dardai nicht mit anderen Trainer-Wechseln bei Hertha zu vergleichen. Sie ist eine Zäsur, die Folgen haben kann. Top-Talent Bence Dardai (18) spielt ab sofort beim VfL Wolfsburg und ich kann mir vorstellen, dass Marton Dardai, der für Ungarn die EM spielen wird, danach Angebote von Erstligisten bekommt. Pal Dardais Trainerbilanz aber wird mit 186 Einsätzen in der Ersten Liga und 34 Spielen in Liga zwei enden.

Wer wird neuer Trainer bei Hertha BSC?

Die Plattform Transfermarkt listet im Moment 27 vereinslose Trainer auf von denen fünf Fußballlehrer einst bereits bei Hertha am Ball waren: Jürgen Klinsmann, Felix Magath, Alexander Nouri, Bruno Labbadia und Markus Babbel. Ich hoffe, Hertha wird keinen der „üblichen Verdächtigen“ verpflichten, sondern einen Überraschungs-Trainer aus dem Hut ziehen, der für Aufbruch sorgen wird und dem Erwartungsdruck gewachsen ist.

Für die Fans von Hertha BSC werden Pal Dardai und Kay Bernstein immer zwei Legenden beiben.
Für die Fans von Hertha BSC werden Pal Dardai und Kay Bernstein immer zwei Legenden beiben.Beautiful Sports/imago

Ob dieser Neue auf Unterschiedsspieler Fabian Reese (26) bauen kann, ist ungewiss. Reese, gebürtiger Kieler und von 2020 bis 2023 bei Holstein unter Vertrag (109 Zweitligaspiele/15 Tore/27 Assists), unterschrieb in freudiger Erwartung, bald erstklassig zu sein, schon im Januar 2023 bei Hertha. Als er im Sommer nach Berlin kam, landete er leicht frustriert bei einem Absteiger. Nun musste er sogar zusehen, wie sein alter Klub aus Kiel zum ersten Mal den Aufstieg in die Erste Bundesliga feierte. Dumm gelaufen.

Fabian Reese stellt Hertha-Größen in den Schatten

Die Bilanz des exzellenten Flügelstürmers bei Hertha ist beeindruckend: 9 Tore und 18 Assists! In der „ewigen Vorlagengeber-Liste“ von Hertha hat er mit Michael Preetz, Ronny und Arno Steffenhagen gleichgezogen. Doch dieses Trio hatte dafür mehrere Spielzeiten gebraucht. Ganz vorn thront Marcelinho, der in fünf Jahren auf 46 Assists kam und 65 Tore schoss.

Holstein-Experte Andreas Geidel von den Kieler Nachrichten sagte mir: „Für Holstein war Reeses Weggang ein Verlust, aber über das starke Kollektiv wurde das hervorragend kompensiert. Dass er bei Hertha so beeindruckend einschlägt war zu erwarten. Dennoch: Fakt ist, er will auf Teufel komm raus in der Ersten Bundesliga spielen.“

Hertha BSC verpasst Verabschiedung von Pal Dardai

Bekommt Reese ein lukratives Angebot – vielleicht für eine Ablöse um die sechs Millionen Euro – muss Hertha handeln. Noch ist es alles offen und Reese wird am letzten Spieltag alles dafür tun, dass sein kongenialer Partner Haris Tabakovic als erster Hertha-Profi Torschützenkönig der Zweiten Liga wird. Dreimal landeten Herthaner bislang auf Platz zwei: Werner Killmaier (1980/81), Theo Gries (1992/93) und Ronny (2012/13). Zu hoffen ist auf folgendes Szenario am Pfingstsonntag beim Duell in Osnabrück: Flügelsprint samt Vorlage Reese – Tor Tabakovic!

Bleibt zum Schluss die Frage: Wie und wo wird Hertha die Klub-Ikone Pal Dardai gebührend verabschieden? Gegen Kaiserslautern hätten die 67.000 Zuschauer einen würdigen Rahmen abgegeben. Dass wurde verpasst und ähnelt einem Eigentor.