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OP-Roboter speziell für Kids im Haunerschen Kinderspital

Professor Jan Gödecke (li.) und Professor Oliver Muensterer sind Experten auf dem Gebiet der „Roboter-Kinderchirurgie“. Foto: LMU Klinikum München

Forum Spitzenmedizin

OP-Roboter speziell für Kids im Haunerschen Kinderspital

Professor Oliver Muensterer, Direktor der Kinderchirurgischen Klinik und Poliklinik am Dr. von Haunerschen Kinderspital, erklärt die Vorteile der roboterassistierten Kinderchirurgie

Was in der Erwachsenenmedizin bei immer mehr minimal-invasiven Eingriffen zum Standard wird, könnte auch für die Kinderchirurgie von großem Nutzen sein: Vor einem Jahr ging am Dr. Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums das erste roboterassistierte Operationssystem deutschlandweit in Betrieb, das speziell für Eingriffe an kleinen Patienten eingesetzt wird. Seitdem hat der „Haunersche Roboter“ bei mehr als 25 Operationen assistiert und die positiven Erwartungen sogar noch übertroffen, wie der Direktor der Kinderchirurgischen Klinik und Poliklinik am Dr. von Haunerschen Kinderspital, Professor Oliver Muensterer, erklärt.

Herr Professor Muensterer, vor einem Jahr wurde am Haunerschen Kinderspital das erste kinderchirurgische Zentrum für roboterassistierte Chirurgie in Deutschland eröffnet. Ziehen Sie eine positive Bilanz?

Professor Oliver Muensterer: Insgesamt ist das schon eine Erfolgsgeschichte. Tatsächlich gibt es bereits einige Operationen, die wir routinemäßig mit dem Roboter machen, bei anderen tasten wir uns langsam, sorgfältig und vorsichtig heran. Insgesamt sechs Fachärzte und Oberärzte sind bei uns zertifiziert für den OP-Roboter, das heißt, alle haben eine spezielle Ausbildung dafür durchlaufen. Daher können wir auch ein breites Spektrum an verschiedenen roboterassistierten Operationen anbieten.

Bei welchen Eingriffen kommt das Roboterassistenzsystem derzeit zum Einsatz?

Zu den Routineoperationen gehören beispielsweise die Entfernung der Gallenblase oder die sogenannte Nissen Fundoplikatio. Hierbei handelt es sich um einen chirurgischen Eingriff, mit dem ein krankhafter Rückfluss von Magensäure in die Speiseröhre gestoppt wird; von einem solchen gastroösophagealem Reflux können auch schon Kinder, etwa aufgrund einer anderen Erkrankung, betroffen sein. Aber auch bei anderen Operationen setzen wir den Roboter ein. In der Kinderurologie ist das etwa die Pyeloplastik, also die Korrektur einer Engstelle zwischen dem Nierenbecken und dem Harnleiter. Tumoroperationen haben wir auch schon mit dem Roboter durchgeführt, und schließlich hat er sich sogar bei komplizierteren angeborenen Fehlbildungen bewährt – wie etwa die operative Korrektur der Choledochuszyste bei der kleinen Martha. Prinzipiell erscheint es möglich, einen Großteil der Operationen im Bereich des Bauchs mit dem neuen Roboterassistenzsystem durchzuführen, die bisher auf herkömmlichem Weg gemacht werden.

Können auch Babys roboterassistiert operiert werden?

Unser System ist derzeit für Kinder ab zehn Kilogramm Körpergewicht zugelassen, dann sind sie meist etwa ein Jahr alt. In Einzelfällen können wir auch kleinere Kinder operieren, aber das erfolgt dann ,off-label' und nur nach expliziter Aufklärung und sorgfältiger Abwägung der Nutzen und Risiken.

Inwiefern profitiert die Kinderchirurgie von der neuen Technologie?

Es gibt bislang nur sehr wenige wissenschaftliche Studien zur roboterassistierten Chirurgie bei Kindern. Für eindeutige objektive Vorteile steht der Beweis also noch aus. Allerdings haben wir Kinderchirurgen den Eindruck, präziser operieren zu können. Außerdem wissen wir von Studien zu Roboteroperationen bei Erwachsenen, dass Patienten sich schneller erholen und weniger Schmerzen verspüren. Das ist interessant, weil der Mechanismus dazu noch nicht geklärt ist. Ein Erklärungsansatz könnte sein, dass die Roboterarme bei der Bewegung wahrscheinlich weniger an der Bauchdecke zerren. Wir haben das Gefühl, dass auch die Kinder nach einem Robotereingriff weniger Schmerzen haben als bei der konventionellen Laparoskopie – und natürlich erst recht nach offen-chirurgischen Eingriffen mit großen Schnitten.

Gibt es Unterschiede zwischen dem Roboterassistenzsystem für die Kleinen und dem in der Erwachsenenchirurgie?

Der wichtigste Unterschied ist die Größe der Instrumente. Tatsächlich haben die laparoskopischen Instrumente, mit denen wir unsere kinderchirurgischen Eingriffe durchführen, nur einen Durchmesser von meist drei, maximal fünf Millimetern. Die meisten Robotersysteme arbeiten jedoch mit Instrumenten von acht Millimetern Durchmesser. Das ist für Erwachsene kein Problem. Würden wir die Instrumente in dieser Größe jedoch in der Kinderchirurgie einsetzen, müssten wir sehr viel größere Schnitte für die Zugänge anlegen als bei einer Laparoskopie – und die wichtigsten Vorteile der minimal-invasiven Vorgehensweise wären dahin. Das finde ich nicht in Ordnung. Auf keinen Fall möchte ich den Kindern größere Schnitte und Narben zumuten als unbedingt nötig. Wir haben uns deshalb im Dr. von Haunerschen Kinderspital für einen in Europa, genauer in Italien, konstruierten Roboter entschieden, der ebenfalls mit Instrumenten mit einem Durchmesser von drei bis fünf Millimetern arbeitet. Das ist übrigens derzeit das einzige Gerät mit so kleinen Instrumenten auf dem Markt – weltweit. 

Also trifft der Grundsatz: „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“ auch hier zu?

Auf jeden Fall. Umso wichtiger ist es, in der Kinderchirurgie bei der Größe der Instrumente keine Kompromisse einzugehen. Wir sollten nicht die Kinder an den Roboter anpassen, sondern den Roboter an die Kinder. Deswegen kommt im Moment nur unser derzeitiges System für uns in Betracht.

Gehen Sie davon aus, dass sich die Robotik innerhalb der Kinderchirurgie schon bald etablieren wird?

Da bin ich noch etwas skeptisch. In Deutschland gibt es bislang nur ganz wenige Kliniken, die roboterassistierte Kinderchirurgie anbieten – das ist auch eine ökonomische Frage. Denn die Roboterchirurgie ist sehr, sehr teuer und wird in der deutschen Krankenhauserstattung nicht gegenfinanziert. Wir können uns roboterassistierte kinderchirurgische Eingriffe auch nur deshalb leisten, weil uns der Hauner-Verein und einige visionäre Großspender die Robotikplattform finanzieren. Diese Möglichkeiten haben nicht alle.

Viele medizinische Fachgebiete befinden sich gerade in einem Prozess des digitalen Wandels – wozu ja auch der Einsatz der Robotertechnologie gehört. Ist das ein Beweis dafür, dass die Digitalisierung auch Einzug in die Kinderchirurgie hält?

Ganz bestimmt! Und ich würde sogar sagen, wir sind einige der Pioniere dieses Prozesses. So haben wir beispielsweise schon vor zehn Jahren damit begonnen, telemedizinische Sprechstunden zu etablieren. Außerdem benutzen wir bereits in unserem klinischen Alltag Künstliche Intelligenz, um zum Beispiel Röntgenbilder im Dienst zu interpretieren. Und natürlich sind wir auch in der Roboterchirurgie ganz vorne mit dabei.

 Interview Nicole Schaenzler

Er­schie­nen im Ta­ges­spie­gel am 17.05.2024

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