Chaos bei Gelsenwasser-Tochter

PV-Strom: Ärger statt Geld

6000 PV-Anlagenbetreiber im Kreis Coesfeld warten ein Vierteljahr auf Bezahlung des eingespeisten Stroms. Es geht um bis zu 30.000 € pro Anlage. 1500 Neuanlagen sahen noch gar kein Geld.

Marc Füstmann kommt direkt vom Feld. Der Landwirt aus Senden im Kreis Coesfeld war noch mit der Spritze unterwegs, um das sonnige Wetter auszunutzen. Sein Nachbar Stefan Limberg, selbstständiger Zimmermann, kommt hinzu. Die Photo­voltaikanlagen auf den Dächern der beiden dürften gerade gut Strom ins Netz einspeisen. Wenn es nur mit der Bezahlung auch so gut laufen würde. Doch die blieb zuletzt ganze drei Monate aus. ­Warum? Dafür findet die Gelsenwasser-Energienetze GmbH viele Gründe – jedoch keinen einzigen, der die Betreiber zufriedenstellt.

Aber von vorne: Seit 1. Januar 2023 betreibt nicht mehr Westnetz, sondern eine Gelsenwasser-Tochter das Stromnetz der acht Münsterländischen Kommunen Ascheberg, Billerbeck, Havixbeck, Lüdinghausen, Nordkirchen, Olfen, Rosendahl und Senden (siehe Kasten Seite 25). Darauf war das Unternehmen aber offenbar nicht ausreichend vorbereitet: In einer Pressemitteilung von Ende März 2024 räumt die Geschäftsführung „komplexe technische Probleme“ ein.

Doch Zimmermann Stefan Limberg weiß, dass die Probleme viel früher auftauchten.

Schon 2023 Probleme

Bereits 2023, als Gelsenwasser das Geschäft von Westnetz übernahm, habe er im Januar, Februar und März kein Geld erhalten. Der Zählerstand zum Jahresende, den er online übermittelt hatte, sei nicht da, teilte man ihm mit. Ohne Zählerstand könnten sie keine Jahresendabrechnung erstellen und keine neuen Abschläge ermitteln. „Da haben sie kurzerhand und ohne Info gar nicht gezahlt.“ Er habe den Stand dann nochmals gemeldet. Nach vielen Telefonaten seien ab April rückwirkend Abschläge in gleicher Höhe wie 2022 überwiesen worden. „Die hätten sie ja auch direkt zahlen können. Und dieses Jahr schon wieder das gleiche ­Theater“, so Limberg genervt.

Was für ein Chaos

Doch das weist Gelsenwasser-Energienetze auf Anfrage des Wochenblatts von sich: Die Zahlung der Abschläge sei 2023 ohne nennenswerte Verzögerungen gestartet. Die Erstellung der Schlussrechnungen Ende 2023 und anschließende Auszahlung der Abschläge sei jedoch mit vielen Problemen behaftet gewesen. Pressesprecherin Heidrun Becker zählt auf: „fehlende Zählerstände, nicht angelegte Anlagen, Prozessprobleme, Kapazitätsprobleme …“.

Zimmermann Limberg berichtet, dass er auch dieses Mal den Zählerstand zum 31.12. online eingegeben habe. Als das Geld ausblieb, habe er Anfang März 2024 angefangen, jeden zweiten oder dritten Tag anzurufen. Auch diesmal sei die Antwort gewesen: Der Zählerstand fehlt. Mitte April hätten sie ihm dann immerhin einen Zahlungsplan geschickt. „Und bekamen noch am gleichen Tag einen Forderungsbescheid von mir zurück. Ich weiß als Handwerker ja, wie man mit Kunden umgeht, die nicht zahlen.“ Vier Tage später hätte er dann alle Abschläge gehabt. Die Abrechnung für 2023 hätten sie inzwischen auch geschickt, den Abschlag aber unverändert auf dem Niveau von 2022 gelassen, wie sie ihn also auch ohne Abrechnung hätten auszahlen können.

Warten auf Vergütung

Limbergs PV-Anlage ist mit rund 17 kW eher klein, der monatliche Abschlag mit rund 500 € deutlich niedriger als die Einspeisevergütung, die Landwirt Marc Füstmann normalerweise monatlich erhält. Aber er wartete ebenso die ersten drei Monate dieses Jahres vergeblich auf einen Zahlungseingang. Seine vier Anlagen umfassen insgesamt 265 kW. Eine der Anlagen übersteigt mit 165 kW die Grenze von 100 kW. Daher erfolgt die Bezahlung nicht anhand monatlicher Abschläge sowie einer Korrektur durch die Jahresendabrechnung. Stattdessen wird der Zählerstand automatisch an Gelsenwasser übermittelt, sodass diese monatlich den tatsächlich eingespeistem Strom abrechnen könnte. Das funktioniert aber anscheinend auch...