Erobern wir uns den 1. Mai als Kampftag der Arbeiter*innenklasse zurück – Peter Nowak
Blicken wir in die Geschichte, so sehen wir, dass das Kapital und die mit ihnen verbundenen Politiker*innen, es waren in den letzten Jahrzehnten auch mal Frauen wie Thatcher dabei, gegen streikende Arbeiter*innen auch mit aller Gewalt vorgingen.

Erobern wir uns den 1. Mai als Kampftag der Arbeiter*innenklasse zurück

Auch in diesem Jahr ist der Schulterschluss von DGB-Funktionär*innen mit Staat und Kapital zu befürchten. Einen Vorgeschmack lieferte die „ Gemeinsame Erklärung der Sozialpartner DGB und Bund der Arbeitgeber (BdA) gegen Rechtsextremismus“ von Ende Januar 2024. Dort wird die Rolle des deutschen Kapitals als Profiteure des Nationalsozialismus völlig ausgeblendet und behauptet, dass für die unterzeichnenden Organisation die Herkunft der Beschäftigten nie eine Rolle gespielt haben. Da wird die Rolle von Kapital und auch der DGB-Führung ausgeblendet, die in den 1970er Jahren migrantische Arbeiter*innen, die für ihre Interessen streikten, von Polizei niederknüppeln ließen und den Ausländerbehörden zur Abschiebung übergaben, wie es bei Ford in Köln 1973, aber nicht nur dort geschehen ist.

Zugpersonal, Busfahrer*innen. Fluglots*innen, Krankenhausarbeiter*innen. Sie alle und noch viele Berufsgruppen mehr sind in letzter Zeit dadurch bekannt geworden, dass sie für bessere Arbeitsbedingungen, mehr Lohn oder beides die Arbeit niedergelegt haben. Auch in Deutschland sind …

… Streiks heute auf der Tagesordnung. Es ist eine gute Nachricht, dass in einem Land, in dem die Staatsapparate immer wieder behaupten, dass es Klassen nicht (mehr) gibt, Lohnabhängige das Kampfmittel des Streiks für die Durchsetzung ihrer Interessen nutzen. In vielen dieser Arbeitskämpfe erfahren sie auch Solidarität, sammeln also Erfahrungen, die auch nach Ende der Arbeitskämpfe wertvoll sind.

Doch für viele Menschen sind die Meldungen über die verschiedenen Streiks erst einmal Nachrichten, womöglich noch mit den Hinweis versehen, dass die Geduld der „von dem Streik Betroffenen ihre Grenzen hat“. Das wird besonders beim Arbeitskampf des Zugpersonals, der vor allem als ein Machtkampf der Führung von Bahn und GDL hingestellt wird. Damit wird ausgeblendet, dass ein Streik nur länger durchgehalten werden kann, wenn die Beschäftigten dahinter stehen. „Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht, dieser syndikalistische Grundsatz, bestätigt sich bei jeden Arbeitskampf immer wieder neu. Wir sehen auch, wie die gehäuften Arbeitskämpfe die Klassengegner*innen provoziert.

Angriffe auf das Streikrecht

Kapitalverbände, ihnen verbundene Medien und Politiker*innen aller Parteien reden davon, wie das Streikrecht eingeschränkt werden kann. Stichworte lauten Zwangsschlichtungen, längere Fristen für die Ankündigung eines Streiks, manche wollen gar in bestimmte Branchen, beispielsweise den Verkehrsbetrieben, die Arbeitskämpfe, besonders reglementieren.

Diesen Klassenkampf von oben kennen wir aus allen Ländern, in denen sich Arbeiter*innen bewegen, sich ihrer Macht bewußt werden und diese Macht auch einsetzen. In den letzten Monaten wurden u.a. in Großbritannien, Frankreich und der Ukraine das Streikrecht verschärft. Es sind Politiker*innen unterschiedlicher Parteien des Kapitals, die daran beteiligt sind. Blicken wir in die Geschichte, so sehen wir, dass das Kapital und die mit ihnen verbundenen Politiker*innen, es waren in den letzten Jahrzehnten auch mal Frauen wie Thatcher dabei, gegen streikende Arbeiter*innen auch mit aller Gewalt vorgingen.

Ein kurzer historischer Exkurs

Dann sind wir bei der Geschichte des 1. Mai. Viele werden wissen, dass an diesen Tag in aller Welt Arbeiter*innen auf die Straße gehen. Nicht allen ist der traurige historische Hintergrund dafür bekannt.

Daher ein kurzer Exkurs in die USA des Jahres 1886. Am 1. Mai dieses Jahres streikten in den USA und Kanada Arbeiter*innen für eine Begrenzung der Arbeitszeit. Er war eingebettet in den langen Kampf um die Durchsetzung des Achtstundentag. Die Arbeiter*innen wollten nicht immer mehr Zeit ihres Lebens für die Lohnarbeit vergeuden. Diese Forderung begeisterte die Massen. Die Streiks waren von großen Solidaritätsdemonstrationen und -kundgebungen von allen Teilen der Bevölkerung begleitet. Der größte Streik mit rund 90.000 Lohnabhängigen fand am 1. Mai 1886 in Chicago statt. In dieser Industriestadt stand ein migrantisch geprägtes Proletariat an der vordersten Linie im Kampf um den Achtstundentag. Viele von ihnen waren Einwander*innen aus Europa. Gegen sie richtete die besondere Hetze der rechten Presse. So rief die Chicago Mail bereits im Vorfeld des 1. Mai 1886 dazu auf, ein Exempel an den zentralen Personen des Protestes, August Spies und Albert Parsons zu statuieren. Der aus Deutschland zugewanderte Möbelarbeiter August Spies sowie der in Alabama geborene Schriftsetzer Parsons waren revolutionäre Sozialisten, die sich im Laufe der Zeit dem Anarchismus zuwandte. Sie schrieben für anarchistische Zeitungen in Chicago und waren bekannte Sprecher des sozialrevolutionären Flügels der US-amerikanischen Arbeiterbewegung. Auch nach dem ersten Mai gingen in Chicago die Streiks und die Solidaritätsaktionen weiter. Sie wandten sich auch gegen die Aussperrungen von Lohnabhängigen, mit denen das Kapital die Streiks brechen wollte. Am 3. Mai wurden bei einem Polizeiangriff auf die Streikenden 6 Arbeiter getötet und zahlreiche verletzt.

In dieser angespannten Situation explodierte am 4. Mai am Haymarket in Chicago eine Bombe und riss 12 Menschen in den Tod. Die Rache der Staatsmacht erfolgte sofort. Eine unbekannte Zahl von Streikenden wurde von der Polizei erschossen, Historiker*innen gehen von bis zu 20 getöteten Arbeitern aus. Engagierte Gewerkschafter wurden verhaftet. Neben den schon zuvor stigmatisierten August Spies und Albert Parsons wurden mit  George Engel und Adolph Fischer zwei aus Deutschland zugewanderte anarchistische Arbeiter zum Tode verurteilt und gehenkt. Der in Mannheim geborene Holzarbeiter und Anarchist Louis Lingg beging in der Zelle Selbstmord. Drei weitere anarchistische Arbeiter wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt . Sie mussten am 26. Juni 1893 vom Gouverneur von Illinois freigelassen werden, weil die Verwicklung staatlicher Stellen und der von den Konzern bezahlten und ausgerüsteten Privatarmee der Detektei Pinketon in den Anschlag nicht zu vertuschen war. Die genauen Umstände sind bis heute nicht restlos aufgeklärt. Die hingerichteten Gewerkschaftler waren nach noch neueren historischen Forschungen nicht einmal vor Ort als die Bombe explodierte.

Inspiration für den Kampftag der Arbeiterklasse

Doch die Ereignisse am Haymarket vom Mai 1886 blieben in Erinnerung bis heute. Im Dezember 1888 erklärten die in St. Louis versammelten Gewerkschaftsdelegierten – unter ihnen zahlreiche Migrant*innen aus Deutschland – am 1. Mai 1890 erneut Streiks und Kundgebungen durchzuführen. Die Bewegung blieb nicht auf Nordamerika begrenzt .Im selben Jahr forderten auch die französischen Gewerkschaften die Einführung des Achtstundentages.

Auf dem Gründungskongress der Zweiten Internationale 1889 wurde zum Gedenken an die Opfer des Haymarket Riot der 1. Mai als »Kampftag der Arbeiter*innenbewegung« ausgerufen. Am 1. Mai 1890 beginn das Proletariat diesen »Protest- und Gedenktag« mit Massenstreiks und Massendemonstrationen zum ersten Mal auf der ganzen Welt. Heute sollte es gerade für die Mitglieder der FAU ein wichtiges Anliegen, daran zu erinnern, dass am Beginn des 1. Mai ein proletarisches Riot und der Terror von Staat und Kapital standen. Das sollte Anlass sein,, uns den 1. Mai als kämpferischen Tag der Arbeiter*innen zurückzuerobern. Das ist eine Kampfansage gegen einen DGB, der auf der Bühne zum ersten Mai Politiker*innen von verschiedenen Parteien des Kapitals auftreten lässt, die mit für die Verschlechterung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen verantwortlich sind. Daher war es ein ermutigendes Zeichen, dass die SPD-Politikerin Giffey im letzten Jahr den Zorn der Kolleg*innen auf der 1.Mai-Kundgebung des DGB in Berlin zu hören bekam. Sie pfiffen sie einfach aus..

Gegen den Schulterschluss mit Staat und Kapital

Auch in diesem Jahr ist der Schulterschluss von DGB-Funktionär*innen mit Staat und Kapital zu befürchten. Einen Vorgeschmack lieferte die „ Gemeinsame Erklärung der Sozialpartner DGB und Bund der Arbeitgeber (BdA) gegen Rechtsextremismus“ (https://arbeitgeber.de/bda-dgb-gemeinsame-erklaerung-der-sozialpartner-gegen-rechtsextremismus/) von Ende Januar 2024. Dort wird die Rolle des deutschen Kapitals als Profiteure des Nationalsozialismus völlig ausgeblendet und behauptet, dass für die unterzeichnenden Organisation die Herkunft der Beschäftigten nie eine Rolle gespielt haben. Da wird die Rolle von Kapital und auch der DGB-Führung ausgeblendet, die in den 1970er Jahren migrantische Arbeiter*innen, die für ihre Interessen streikten, von Polizei niederknüppeln ließen und den Ausländerbehörden zur Abschiebung übergaben, wie es bei Ford in Köln 1973, aber nicht nur dort geschehen ist.

Nicht irgendwelche Parteipolitiker*innen sondern die Arbeiter*innen, die in den letzten Monaten für ihre Interessen gestreikt haben sollten am 1. Mai zu Wort kommen. Sie sollten mit ihren Parolen und ihren Forderungen im Mittelpunkt der Kundgebungen und Demonstrationen stehen. Natürlich sollten die Aktionen auch eine Manifestation gegen Angriffe aus das Streikrecht, die Militarisierung nach Außen und Innen, aber auch die Faschisierung der Gesellschaft sein, die nicht nur von der AfD ausgeht. Ein sozialrevolutionärer 1. Mai ist der beste Beitrag gegen die Rechten und nicht Standortlogik und Kungeln mit Staat und Kapital.

Peter Nowak

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