Branchenriese keilt gegen Ampel und nennt 6 Punkte, um Wohnungsmisere zu lösen - FOCUS online
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Gastbeitrag von Gabor Steingart: Branchenriese keilt gegen Ampel und nennt sechs Punkte, um die Wohnungskrise zu lösen
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Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeskanzler Olaf Scholz, beide SPD.
Fotomontage: The Pioneer Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeskanzler Olaf Scholz, beide SPD.
  • Gastautor (Berlin)

Mehrere Tausende Menschen kontaktieren täglich Vonovia, Deutschlands größten Wohnungsanbieter, um ihre Verzweiflung bei der Wohnungssuche zu schildern. Das müsste nicht sein, sagt Vonovia-Chef Rolf Buch - wenn sich die Ampel „sehr viel beherzter“ dem Thema annehmen würde.

Die Schlagzeilen gehören den Kriegen in Nahost und der Ukraine – und den medial durchsetzungsstarken Apokalyptikern: Klimakatastrophe! Soziale Spaltung! Globale Massenflucht!

So schafft es die lautlose, aber nicht minder dramatische Entwicklung auf dem deutschen Wohnungsmarkt nur selten in den Fokus der Aufmerksamkeit. Diese Krise besitzt keinen Glitzerfaktor und damit nicht das, was die Amerikaner „Star-Power“ nennen.

Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit erodiert ein Grundpfeiler unserer Gesellschaft und das zentrale Versprechen der Bundesrepublik wird ungültig gestempelt: der bezahlbare Wohnraum für alle und die realistische Chance der Mittelklasse auf ein Eigenheim.

Vonovia keilt gegen Ampel: Wohungsnot erhöht Ungleichheit in Deutschland

Die Hauptversammlung von Vonovia – Deutschlands größter Vermieter mit rund 483.000 Wohnungen in der Bundesrepublik – warf in dieser Woche für ein paar wenige Stunden das Scheinwerferlicht auf eine Lage, die für eines der reichsten Länder der Welt inakzeptabel ist.

Seine Firma, sagte der Vorstandsvorsitzende Rolf Buch, würde „täglich von Hunderten, an manchen Tagen von Tausenden“ Menschen kontaktiert, die verzweifelt auf der Suche nach einer Wohnung seien. 

Wohnungsnot erhöhe die Ungleichheit und spiele populistischen Parteien in die Hände, so Buch. Der Vorstandschef wurde deutlicher als deutlich: „Mir fehlt das Verständnis, warum unsere gesamte Regierung dieses Thema nicht sehr viel beherzter angeht. “

Denn bei stagnierender Neubautätigkeit hält der Zustrom nach Deutschland unvermindert an. Ohne weiteres Zutun der Politiker verschärft sich das Problem also im Selbstlauf.

Bis 2027 werden fast eine Million Wohnungen fehlen

• Bis 2027 sollen bis zu 830.000 Wohnungen in Deutschland fehlen, das ist das Ergebnis von Schätzungen des Zentralen Immobilien Ausschusses.

• Rolf Buch rechnet in seinen Prognosen mit einem Anwachsen der Wohnbevölkerung in Deutschland von heute 84 Millionen auf 86 Millionen Menschen – denen kein entsprechendes Wohnraumangebot gegenübersteht.

Es gibt also viele gute Gründe für Olaf Scholz und seine Bauministerin Klara Geywitz, die Reformbaustelle zu betreten. Diese sechs Punkte würden dem Wohnungsmarkt und damit auch dem Ansehen der Regierung massiv helfen: 

1. Weniger Bürokratie, mehr Kapitalismus

Bauen in Deutschland ist kompliziert geworden. Während es 1990 noch rund 5.000 Bauvorschriften in unserem Land gab, sind es heute um die 20.000. Der Staat will sich in der Baupolitik selbst verwirklichen.

Eine radikale Entbürokratisierung der Bauwirtschaft ist also notwendig, was im Kern auch eine Entpolitisierung des Bauens bedeuten muss. 

Es gibt keinen anderen Weg, als dass der Staat die Investoren zur Investition einlädt und ihnen also Flächen gewährt, gestalterischen Freiraum einräumt und kapitalistische Rendite, also die angemessene Verzinsung ihrer Investitionen, gestattet. 

2. Weniger Umweltschutz, mehr Baugenehmigungen

Der Staat stellt immer höhere Anforderungen, gerade für Umweltschutz und Energieeffizienz. In einem Bericht von Februar schätzt der Zentrale Immobilien Ausschuss den Anteil von staatlich bedingten Kosten am Verkaufspreis eines Mehrfamilienhauses auf fast 40 Prozent.

ZIA-Chef Andreas Mattner sagte: “Genau hier sind die Hebel, wenn eine Wende am deutschen Wohnungsmarkt realistisch sein soll. “

Der Staat hat mit seinen gut gemeinten Eingriffen in den freien Wohnungsmarkt diesen nicht etwa gerechter und ökologischer, sondern kaputt gemacht. Das Wort der Stunde ist Überregulierung. Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie: „Die Politik muss sich entscheiden: Will sie sich im Detail verregulieren oder effizient Wohnungen bauen? “

3. Der Immobilienmarkt brauchte dringend die Zinssenkung der EZB

Die Zinspolitik spielt eine wichtige Rolle für den Wohnungsbau. Rolf Buch sagt:

Das „whatever it takes“ von EZB-Präsident Mario Draghi war kein Glücksfall, wie bei der Jubiläumsfeier der EZB kürzlich wieder gesagt wurde, sondern ein Jahrhundertirrtum. Deshalb ist Inflationsbekämpfung, auch durch das Einhalten der Schuldenbremse, eine wichtige Voraussetzung für die Sanierung der Bauindustrie.

4. Konjunkturprogramm für die Bauindustrie 

Statt mit Bürgergeld und Kindergrundsicherung den Sozialstaat weiter auszubauen, wäre die effektivste Sozialpolitik ein staatliches Wohnungsbauförderprogramm. Denn ohne einen solchen Impuls bricht die Bauindustrie in Deutschland sehenden Auges zusammen. 

40 Prozent der Baufirmen klagen über Auftragsmangel. Jede zehnte Baufirma steckt bereits in Finanzierungsschwierigkeiten, berichten die Experten.

5. Ohne andere Verkehrspolitik kein Bauboom

„Es gibt ausreichend Bauland in Deutschland. So viel wie die Größe Berlins oder 140.000 Fußballfelder“, sagte Bauministerin Klara Geywitz vor rund zwei Jahren.

Das stimmt. Das Problem ist jedoch: Das Fehlen von guten Verkehrsanbindungen in die peripheren Räume sorgt für eine erhöhte Nachfrage in den Ballungsgebieten, und genau da fehlen die Wohnungen. 

Die Lösung? Christian Ulbrich – CEO der Immobilienberatung JLL – nennt ein Argument: “Sie werden kein preiswertes Wohnen im städtischen Bereich mehr hinbekommen. Das heißt: Sie müssen den Erschließungsraum über einen hervorragenden öffentlichen Nahverkehr ausweiten.“

6. Die Mietpreisbremse führt zur Fehlallokation

Das Statistische Bundesamt liefert die Evidenz für diese Behauptung: Demnach war 2022 – das sind die aktuellsten Daten aus Wiesbaden – die verfügbare pro Kopf Fläche umso größer, je weniger Personen in einem Haushalt wohnen. 

Alleinlebende (das sind rund 40 Prozent aller Haushalte in Deutschland) hatten 2022 im Schnitt 73,4 Quadratmeter zur Verfügung. Zum Vergleich: Die Pro-Kopf-Wohnfläche in einem Vier-Personen-Haushalt beträgt lediglich rund 30 Quadratmeter.

Eine kürzliche Anfrage von Sahra Wagenknecht an das Statistische Bundesamt zeigt: 11,3 Prozent der deutschen Bevölkerung – also mehr als jeder Zehnte – leben in einer überfüllten Wohnung. Und viele Ältere, die aus guten Gründen keinen Wechsel in den unregulierten Teil des Marktes wagen, leben vergleichsweise großzügig.

Fazit:  Der deutsche Wohnungsmarkt, der kein richtiger Markt mehr ist, zeigt alle Merkmale von Dysfunktionalität. Die gute Nachricht: Diese Krise ist menschengemacht und innerhalb der Grenzen des Nationalstaates zu bewältigen. Wenn die Ampel-Koalition die Selbstbeschäftigung einstellt, könnte sie sich an die Arbeit machen.

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