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Umfrage bei Konsumenten

McKinsey: Der Autokäufer, das unbekannte Wesen

20. Mai 2024, 15:00 Uhr | Iris Stroh
Die Käufer in den USA und Deutschland bevorzugen Komfortfunktionen, in China priorisieren die Käufer eher innovative Digitalfunktionen.
© McKinsey

McKinsey hat in einer Umfrage unter mehr als 1600 Fahrzeugeignern in drei entscheidenden Regionen – China, Deutschland, USA – untersucht, was die Kunden in den jeweiligen Regionen eigentlich wirklich wollen und wofür sie bereit sind, zu zahlen – die regionalen Unterschiede sind zum Teil beachtlich.

Wir haben letztes Jahr Autokäufer in Deutschland, China und den USA nach ihren Präferenzen und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickelt haben befragt«, erklärt Kersten Heineke, Partner bei McKinsey & Company, Co-Leader McKinsey Center for Future Mobility (MCFM) – und das möglichst repräsentativ. Das heißt, dass zum Beispiel 50 Prozent der Befragten weiblich waren, dass verschiedene Nutzungsmuster berücksichtigt wurden und dass auch untersucht wurde, inwieweit die Fahrer Fahrzeuge von etablierten OEMs oder von neu aufkommenden OEMs nutzen. Die wichtigste Aussage aus der Umfrage sieht laut seiner Aussage folgendermaßen aus: Konnektivität, vernetzte Autodienste, digitale Autodienste, wie auch immer es genannt wird, ist der Schlüssel zum Erfolg, insbesondere wenn es um BEVs (batteriebetriebene Elektrofahrzeuge) geht, ist »aber auch für das Premiumsegment besonders wichtig«, so Heineke.

Laut seiner Aussage gibt es hier regionale Unterschiede, wobei die Umfrage in einem Punkt überall ähnliche Ergebnisse zeigt: Die Nutzungsrate dieser Konnektivitätsfunktionen, also wie viele Leute, die ein Auto kaufen, diese Funktionen auch tatsächlich nutzen, ist vergleichsweise hoch. Heineke spricht von 40 bis 60 Prozent aller Verbraucher, was sehr beachtlich ist, denn: »Bei anderen Merkmalen gibt es einige, sogar auch bei höherwertigen Merkmalen, die eher im Bereich von 10 Prozent liegen. Konnektivität ist also etwas, für das die Verbraucher definitiv bereit sind, zu zahlen und sie auch tatsächlich nutzen«, so Heineke.

McKinsey
Zentrale Erkenntnisse aus der Umfrage von McKinsey
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Die Marktanalyse hat außerdem ergeben, dass die chinesischen OEMs derzeit quasi den Standard setzen, sprich: sie bieten die fortschrittlichsten Funktionen in Bezug auf Konnektivität an. Sie scheinen auch schneller voranzukommen, wobei Heineke noch hinzufügt, dass es auch noch andere Akteure, vor allem im EV-Bereich aus anderen Regionen, gibt, die ebenfalls sehr gut abschneiden. Das heißt im Umkehrschluss: Die traditionelleren OEMs aus den verschiedenen Regionen einschließlich Europa, USA und Deutschland schneiden hier eher schlecht ab. Darüber hinaus habe sich gezeigt, dass die Bündelung zu einem Connektivity-Paket ein interessanter Ansatz ist, sprich: anstatt einzelne Dienstleistungen zu verkaufen, sie besser im Paket zu bündeln. Heineke: »Das ist viel attraktiver, auch weil der Verbraucher nicht unbedingt den Mehrwert jeder einzelnen Dienstleistung versteht.« McKinsey hat außerdem gefragt, wie Kunden solche Dienstleistungen bzw. Dienstleistungspakete am liebsten bezahlen möchte.

Die Antwort: in Form eines Abonnentenmodells, wobei eine jährliche Bezahlung einer monatlichen vorgezogen wird. Auch bei diesem Punkt weist Heineke auf regionale Unterschiede hin. In einer weiteren Frage wollte McKinsey herausfinden, wie man den Kunden aktiviert, eine Dienstleistung zu nutzen. Ganz klare Antwort: Es muss möglichst einfach sein, eine Dienstleistung zu nutzen. Darüber hinaus sollten sich die OEMs auch überlegen, wie sie auch die Zweitbesitzer ansprechen können, dass sie auch beim Gebrauchtwagen ein Dienstleistungspaket abonnieren; das ist wichtig, denn »dann kann das Potenzial des Fahrzeugs langfristig über den Erstbesitzer hinaus monetarisiert werden«, so Heineke.

Wie sieht es mit der Markentreue aus?

McKinsey hat in ihrer Umfrage außerdem gefragt, ob der Käufer bereit wäre, die Marke des Fahrzeugs aufgrund von Connectivity-Funktionen zu wechseln. Heineke: »Hier zeigen sich große regionale Unterschiede. In den USA und Deutschland liegt die Bereitschaft bei rund 40 Prozent, in China bei 55 Prozent.« Wird diese Frage im Premiumsegment gestellt, ist die Bereitschaft in China sogar noch höher, nämlich bei 59 Prozent, bei BEVs sogar bei 63 Prozent. In USA und Deutschland liegt die Bereitschaft im Premiumsegment immer noch bei knapp 40 Prozent, im BEV-Bereich steigt sie allerdings auch, in Deutschland auf 45 Prozent in den USA auf 51 Prozent.

Welche Funktionen sind in welchen Regionen wirklich wichtig?

»Für welche Funktionen sind die Käufer bereit, Geld zu bezahlen?«, fährt Heineke fort. Auch hier zeigen sich deutliche Unterschiede in den Regionen: Vereinfacht formuliert: Deutschland und die USA legen mehr Wert auf traditionelle Komfortfunktionen, in China hingegen stehen fortschrittliche Konnektivitätsangebote an oberster Stelle. Etwas mehr ins Detail gegangen heißt das, dass in Deutschland die Sitzheizung von 72 Prozent der Befragten als wichtig bewertet wurde, sodass sie im Ranking auf Platz 1 gelandet ist (USA: Platz 3, China taucht diese Funktion gar nicht auf). Dass BMW so viele Probleme mit seinem Abo-Modell für die Sitzheizung hatte, kommentiert Heineke folgendermaßen: »BMW hätte statt der Sitzheizung einen besseren Ansatz finden können, das Abo-Modell zu testen. Das heißt nicht, dass die Leute nicht bereit sind, für diese Funktion zu bezahlen, das steht außer Frage, aber eben nicht in Form eines Abo-Modells, und das ist sicher.« In den USA kommt die Diebstahlwarnanlage auf Platz 1. In China wiederum belegt der Drive-Recorder den ersten Platz. Heineke dazu: »In China spiegelt der hohe Stellenwert des Drive-Recorder dessen Bedeutung im Versicherungssektor wider, denn dort spielen solche Systeme eine entscheidende Rolle bei Schadensprüfungen.

In den beiden anderen Regionen taucht diese Funktion noch nicht einmal auf«. In den USA und China stehen die Integration des Smartphones an zweiter Stelle, in Deutschland hingegen landet dieser Punkt auf Platz 5. Für die deutschen Fahrer ist der Parkassistent die zweitwichtigste Funktion. Das heißt nicht, dass die Deutschen besonders schlechte Einparker sind, sondern ist aus Sicht von McKinsey vielmehr auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Platzverhältnisse und Straßenbreiten in Deutschland typischerweise eine größere Herausforderung darstellen als in den beiden anderen Regionen. Zusammengefasst heißt es von McKinsey: »Konnektivitätsservices und Infotainment werden zu einem wichtigen Entscheidungsfaktor beim Autokauf. 45 Prozent der Autokäufer eines Elektroautos in Deutschland würden beispielsweise für bessere Sprachassistenzsysteme, automatisches Bezahlen oder assistiertes Parken und Fahren die Automarke wechseln, in China sogar 63 Prozent. Deutsche Kunden schätzen vor allem Komfortfunktionen, die sich auch digital, teils nach dem Autokauf freischalten lassen: 72 Prozent geben an, beim Kauf beheizte Sitze zu wählen, auch Parkassistenten (62 Prozent) und automatisches Fernlicht (61 Prozent) stehen hoch im Kurs. Im Schnitt geben deutsche Autokäufer bei 40 Prozent der untersuchten Konnektivitätsservices an, diese beim nächsten Autokauf zu berücksichtigen.«

Einfluss von Stadt/Land, Einkommen und jährlicher Fahrleistung

»Das Leben im städtischen Umfeld, ein höheres Haushaltseinkommen und eine höhere jährliche Kilometerleistung steigern die Nachfrage nach Konnektivitätsdiensten um bis zu 74 Prozent«, so Heineke weiter, etwas, das eigentlich alle Daten zur Mobilität zeigen: »Menschen, die jünger sind, die in städtischen Umgebungen leben, die eine höhere Bildung und ein höheres Einkommen haben, sind immer offener für neue Mobilität und Innovationen«, so Heineke. Zum Beispiel steigt die Wahrscheinlichkeit, Connectivity-Funktionen zuzukaufen, wenn das Haushaltseinkommen über 9000 Dollar liegt, hier beträgt die Wahrscheinlichkeit immerhin 55 Prozent; liegt das Haushaltseinkommen bei maximal 3000 Dollar, liegt die Wahrscheinlichkeit bei nur 43 Prozent – auf alle Regionen bezogen. Käufer, die in einem urbanen Umfeld oder in der Innenstadt leben, sind natürlich auch deutlich leichter zu motivieren, Connectivity-Funktionen zu kaufen – hier steigt der Prozentsatz von 35 Prozent auf dem Land auf 60 Prozent in der Innenstadt. Und klar, Leute, die viel fahren, sind natürlich auch mehr an Connectivity-Funktionen interessiert: Hier steigt das Interesse laut Heineke von 43 Prozent mit weniger als 2000 Meilen Fahrleistung auf 61 Prozent, wenn es um Fahrer geht, die mehr als 25.000 Meilen fahren.

Bündelung oder Einzelfunktionen?

Die Zahlungsbereitschaft unterscheidet sich je nach Angebot deutlich – die Entscheidung, welche Funktionen Autohersteller in die Serienausstattung aufnehmen, welche sie einzeln verkaufen und welche sie zu Kombinationsangeboten bündeln, kann einen Unterschied machen. McKinsey: »Hersteller können im Idealfall eine durchschnittliche Annahmerate von bis zu 60 Prozent erreichen. Gerade gebündelte Angebote können attraktiv sein: Hier ist die Zahlungsbereitschaft im Schnitt um 19 Prozentpunkte höher als bei Einzelangeboten. Damit können Hersteller auch das Problem lösen, dass viele Angebote aktuell kaum ausgewählt werden. Denn: Viele Kunden kennen die Konnektivitätsdienste aus ihrem Alltag oder ihrem Smartphone und sind nicht zwingend bereit, im Fahrzeug einen Aufpreis zu bezahlen.« Das heißt zum Beispiel, dass nur 40 Prozent der Käufer für Nischenfunktionen wie In-Car-Gaming bereit sind, in Form einer Einmalzahlung diese Funktion ins Fahrzeug zu integrieren.

Bei besonders gewünschten Funktionen wie High-End-Navigation oder eine Boost-Funktion während der Beschleunigung sieht die Sache anders aus, hier sind die Käufer durchaus gewillt, Geld dafür zu bezahlen. Daraus folgt: Hier bietet sich die Gelegenheit, diese Funktionen mit ergänzenden Features in einem gebündelten Angebot zusammenzufassen oder als Einzelfunktion im Premiumsegment anzubieten. Bei den sogenannten Must-Have-Features hingegen, die seitens 60 Prozent der Kunden als Standardfunktion (Sitzheizung, Diebstahlwarnung oder Smartphone-Integration) angesehen werden, ist die Bereitschaft eher gering, dafür extra zu bezahlen – auch dieser Punkt spricht dafür, dass sich jeder OEM genau überlegen sollte, was er als Abo-Modell anbietet.

Eine Bündelung der Funktionen von Connectivity-Funktionen hilft aus der Sicht von Heineke aber in jedem Fall. Seiner Aussage nach steigt mit einer Bündelung des Angebots zumindest in den USA die Bereitschaft der Käufer, dafür extra zu bezahlen, um immerhin 20 Prozent; Deutschland und China liegen nur unwesentlich darunter (19 Prozent bzw. 16 Prozent).

Das heißt auch, dass Funktionen wie In-Car-Gaming oder In-Car-Bezahlung auch heute noch eher weniger wichtig für die Käufer sind, und das ohne Unterschiede, ob man Käufer in den USA, China oder Deutschland befragt: In allen Regionen steht In-Car-Gaming an letzter Stelle, wobei »in China das Interesse an In-Car-Gaming trotzdem dreimal so hoch ist«, so Heineke weiter. Um die Nachfrage in diesem Bereich anzukurbeln, müssten die OEMs wettbewerbsfähige Angebote entwickeln und den Käufern natürlich auch die Vorteile dieser Funktion nahebringen.

Bezahlmodell

»Es wird immer Käufer geben, die eine Funktion haben wollen und dafür bezahlen in dem Moment, in dem sie das Auto kaufen; dann wollen sie aber auch die gesamte Zeit, in der sie das Auto fahren, diese Funktion nutzen. Daneben gibt es Käufer, die ein Abo-Modell bevorzugen, sprich: sie wollen für die Funktion bezahlen, wenn sie sie nutzen, egal ob mit jährlicher oder monatlicher Bezahlung, und dieser Bereich steigt beträchtlich«, so Heineke. Die Befragung hat ergeben, dass 39 Prozent der Kunden Abo-Modelle bevorzugen, 30 Prozent wollen genau einmal bezahlen und dann die Funktion für immer nutzen können, 20 Prozent würden ein Modell bevorzugen, bei dem sie immer nur dann bezahlen müssen, wenn sie die Funktion auch wirklich nutzen, »aber sowohl im Premiumsegment als auch im Bereich der BEV-Käufer bevorzugen die Käufer ein jährliches Abrechnungsmodell«, so Heineke.

Lohnt sich der Aufwand für den OEM? – Eine interessante Frage, denn Geld verdienen müssen alle Hersteller. Hier haben sich laut McKinsey ebenfalls regionale Unterschiede ergeben. Ganz generell heißt es: Die Dauer bis zur Rückzahlung einer Einmalzahlung beträgt in den USA durchschnittlich bis zu 58 Monate und ist um 60 Prozent länger als bei monatlichen Abonnements. Geht man von einer durchschnittlichen Leasing-Dauer von 36 Monaten aus, so amortisieren sich viele einzelne Funktionen (~40 Prozent) und alle Pakete innerhalb der Haltedauer, wenn sich der Fahrer für ein monatliches Abo-Modell über die gesamte Laufzeit des Leasing-Vertrags entscheidet. Wobei die Unterschiede zwischen Einzelfunktionen und Pakete nicht groß sind.

Heineke abschließend: »Der Anteil der Menschen, die heute tatsächlich viel Geld für bestimmte Abo-Modelle bezahlen, ist ziemlich gering. Abo-Modelle sind also eher eine Zukunftsvariante. Hinzu kommt noch, dass die Automobilindustrie heute noch keine perfekte Lösung hat, die Verbraucher dazu zu bringen, Dienste zu nutzen – das ist im Moment nicht einfach, geschweige denn bequem, wenn es um die Bezahlung geht. Das heißt aber nicht, dass ein Abo-Modell kein guter Business-Case für die OEMs darstellt. Aber klar: Hier müssen die Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg ein Abonnement abschließen, damit sich das Ganze wirklich lohnt. Das hängt von vielen Faktoren ab; die Frage ist eher, ob die OEMs in der Lage sind, ein Produkt anzubieten, das dies auch umsetzt, und da habe ich ehrlich gesagt ein Fragezeichen, weil sie es bisher nicht gezeigt haben, abgesehen von Tesla und den chinesischen OEMs.«


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