Wohnungsbau in der Krise: Baufirmen nennen Ampelregierung „verantwortungslos“

Wohnungsbau in der Krise: Baufirmen nennen Ampelregierung „politisch verantwortungslos“

Laut einer neuen Ifo-Umfrage leidet die Hälfte der Wohnungsbaufirmen unter Auftragsmangel. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Was die Unternehmen dazu sagen.

In Berlin und ganz Deutschland werden zu wenige Wohnungen gebaut. Gleichzeitig ist die Auftragslage bei den Baufirmen schlecht. 
In Berlin und ganz Deutschland werden zu wenige Wohnungen gebaut. Gleichzeitig ist die Auftragslage bei den Baufirmen schlecht. Monika Skolimowska/dpa

Die Suche nach einer neuen Wohnung wird für viele Menschen zunehmend schwieriger. Denn in Deutschland gibt es einfach nicht genug Wohnraum: Inzwischen fehlen sogar mehr als 800.000 Wohnungen. Und eine Lösung des Problems ist nicht in Sicht, denn der Neubau von Wohnungen blieb im Jahr 2023 deutlich hinter dem Bedarf zurück. Das Ifo-Institut ging im vergangenen Jahr von etwa 245.000 Neubauwohnungen aus, ein deutliches Defizit im Vergleich zum Ziel der Bundesregierung von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr.

Dass der Wohnungsbau in Deutschland nur stockend vorangeht, bestätigen auch neue Zahlen des Ifo-Instituts. Mehr als die Hälfte der Wohnungsbauunternehmen (55,2 Prozent) klagte im April über einen Auftragsmangel, im Monat davor war der Wert mit 56,2 Prozent sogar noch höher. „Die Wohnungsbauer suchen nach Hoffnungssignalen“, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter für Umfragen beim Ifo-Institut. „Ein Ende der Krise ist jedoch nicht in Sicht.“

Die Wohnungsbauunternehmen schlagen Alarm. „Die Lage bei unseren Wohnungsbaufirmen ist eine Katastrophe“, betont Florian Snigula, Pressesprecher vom Zentralverband Deutsches Baugewerbe, auf Anfrage der Berliner Zeitung. Der Hauptgrund: Gestiegene Kosten in verschiedenen Bereichen. Etwa für Handwerker, eine Folge des Fachkräftemangels. Aber auch Zinsen und Baukosten sind in den letzten Jahren gestiegen. Laut Statistischem Bundesamt lagen beispielsweise die Kosten für Zement (+32,3 Prozent), Frischbeton (+24,9 Prozent) und Bausand (+21,9 Prozent) im Jahr 2023 deutlich über den Preisen aus dem Vorjahr.

GDW-Chef über Wohnungsbaukrise: „Politisch verantwortungslos“

Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia bestätigt gegenüber der Berliner Zeitung ebenfalls die gestiegenen Kosten beim Wohnungsbau. Anfang 2022 noch hätte Vonovia für 3000 Euro pro Quadratmeter ein Mehrfamilienhaus errichten können, so Pressesprecher Marc Friedrich. Aktuell würden die Gesamtkosten jedoch bei 5000 Euro pro Quadratmeter liegen. „Damit sich das rechnet, müssten wir eine Miete von 20 Euro pro Quadratmeter nehmen. Das kann aber keiner unserer Kunden bezahlen.“

Der Wohnungsmangel ist schon längst zu einem wirtschaftlichen Problem geworden – auch weil er den Fachkräftemangel verstärkt. So sagte etwa der Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, Alexander Schirp, bei einer Pressekonferenz am vergangenen Montag: „Die Wohnungsnot schreckt viele Menschen davon ab, nach Berlin und Brandenburg zu kommen.“

Mit diesen Sorgen ist Alexander Schirp nicht allein. Bereits im April sagte der Chef der Industriegewerkschaft Bauen, Agrar und Umwelt (IG Bau), Robert Feiger, der Deutschen Presseagentur: „Der Wohnungsmarkt ist zum Nadelöhr für den Arbeitsmarkt geworden.“ Und weiter: „Passiert jetzt nichts, dann erlebt Deutschland einen Bumerang-Effekt: Die Wohnungsbaukrise wird die gesamte Wirtschaft empfindlich treffen.“

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Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GDW), zeigt sich auf Anfrage der Berliner Zeitung besorgt über die angespannte Lage im Wohnungsbau und macht die Ampelregierung mitverantwortlich für die Krise: „Schnell wirksame Maßnahmen der Regierung gegen die Wohnungsbaukrise bleiben quasi aus, dabei wäre schnelles und entschlossenes Handeln gefragt.“ Das könne man laut Gedaschko „nur als politisch verantwortungslos bezeichnen“.

Einbruch bei Baugenehmigungen: Diese Maßnahmen fordert der GDW-Chef

Auch in Berlin gibt es einen Mangel von Zehntausenden Wohnungen. Rund 20.000 neue Wohnungen sollen deshalb pro Jahr gebaut werden, so zumindest das Ziel der Landesregierung. Im Jahr 2023 wurden jedoch nur rund 16.000 Wohnungen fertiggestellt.

Eine Entspannung der Lage ist nicht absehbar. Das zeigt auch ein Rückgang bei den Baugenehmigungen. Wie Zahlen des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg zeigen, wurden in Berlin im Januar und Februar 2024 nur 1979 genehmigte Wohnungen gemeldet, das sind 21,9 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In Brandenburg ist der Einbruch noch drastischer. Nur 1271 genehmigte Wohnungen wurden im Januar und Februar gemeldet, ein Rückgang von 38,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Der Chef des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, betont gegenüber der Berliner Zeitung akuten Handlungsbedarf seitens der Politik. Vor allem die überhöhte Bürokratie stelle den Wohnungsbau vor unnötig hohe Kosten und Herausforderungen. „Der über Jahre erzeugte Wildwuchs an Vorschriften im Wohnungsbau in den Landesbauordnungen muss drastisch beschnitten werden.“

Aus Sicht von GDW-Chef Gedaschko müsse die Regierung endlich ein entsprechendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Krise schnüren. Als wichtigsten Punkt nennt er dabei ein breit angelegtes Zinsprogramm für den bezahlbaren Wohnungsbau. „Ein Zinssatz von einem Prozent könnte die Bautätigkeit enorm ankurbeln.“ Die daraus entstehenden Steuereinnahmen für den Staat würden die Kosten der Zinssubvention ausgleichen. Die Politik ist nun also gefordert, wenn sie ihre Ziele beim Wohnungsbau nicht verfehlen will.