Troisdorf: Drei Straßen könnten umbenannt werden - Die Gründe | Kölner Stadt-Anzeiger

„Sehr problematisch“Drei Troisdorfer Straßen könnten umbenannt werden – Das sind die Gründe

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Das Bild zeigt ein Straßenschild mit der Aufschrift Noldestraße und einem Info-Hinweis darunter.

Das Schild nennt Emil Nolde als NS-Verfolgten; Schülerinnen und Schüler in Sieglar kommen zu einem anderen Ergebnis und empfehlen die Umbenennung der Straße.

Schülerinnen und Schüler des Heinrich-Böll-Gymnasiums setzten sich mit den Straßennamen ihrer Stadt auseinander – und wollen einige umbenennen.

Mit dem vierten Anlauf, der Carl-Diem-Straße in Troisdorf-Mitte einen neuen Namen zu geben, befassen sich Politik und Verwaltung in Troisdorf. Mehrfach hatte es in der Vergangenheit gleichlautende Anträge gegeben, die jedoch alle nicht umgesetzt wurden. 

Nun hat ein Bürgerantrag den Stein erneut ins Rollen gebracht, auch für die Pacellistraße und die Noldestraße in Eschmar liegt der Antrag vor, sie umzubenennen.

Sieglarer Schüler fanden 27 problematische Straßennamen

Schülerinnen und Schüler des Sieglarer Heinrich-Böll-Gymnasiums hatten sich im vergangenen Jahr intensiv mit den Straßennamen in ihrer Stadt auseinandergesetzt. 15 Schülerinnen und Schüler hätten dieses Projekt im Differenzierungskurs Wirtschaft-Politik-Geschichte umgesetzt, berichtete Lehrer Andreas Wüste.

27 Straßen hatten sie dabei gefunden, die den Namen von Persönlichkeiten tragen, die „problematische Aussagen getätigt haben“ oder im Verdacht stehen, dass „ihr Handeln humanitären und demokratischen Grundwerten widerspricht“. Man habe mutmaßliche Rassisten und Antisemiten gefunden, heißt es im Antrag der Zehntklässler; zudem Kolonialverbrecher und Nationalsozialisten, aber auch Menschen, die den Holocaust verharmlost hätten.

„Sehr problematisch“ sind für die Jugendlichen die Straßenbenennungen nach Emil Nolde, Carl Diem und Eugenio Pacelli, besser bekannt als Papst Pius XII. „Umbenennen“ lautet daher ihre Empfehlung. Für den 1867 geborenen Nolde fanden sie Literatur, die ihn als Anhänger des Nationalsozialismus, Rassisten und Antisemiten erkennbar macht.

Troisdorfer Schüler sehen Erinnerung an Papst Pius XII. zwiespältig

Trotz des 1941 ausgesprochenen Malverbots und der Diskreditierung seiner Werke als „entartete Kunst“ soll er an diesen Positionen festgehalten haben. Nach dem Krieg rückte er sich selbst wohl stets in die Rolle eines Opfers der NS-Ideologie.

Zwiespältig ist auch die Erinnerung an Papst Pius XII: So gibt es Autoren, die ihn als mutigen Fürsprecher nicht nur jüdischer Verfolgter sehen. Andere wiederum werfen ihm vor, er habe zu oft geschwiegen und nach dem Krieg Nationalsozialisten zur Flucht verholfen. 

Carl Diem schließlich ist eng mit dem Nationalsozialismus verbunden:  Unter anderem war er maßgeblich an der Organisation der Olympischen Spiele 1936 in Berlin beteiligt oder hatte, so zitieren die jungen Forschenden, den Frankreich-Feldzug 1940 gerühmt.

16 Troisdorfer Straßenschilder werden mit erklärendem Zusatz versehen

Zum direkten Beschluss einer Umbenennung konnten sich die Ausschussmitglieder gleichwohl nicht durchringen. Über eine Umbenennung der Carl-Diem- und der Pacellistraße sollen die Ortschaftsausschüsse beraten, bevor das Thema erneut dem Hauptausschuss vorgelegt wird.

Bis dahin, vermutlich bis nach den Sommerferien, wurde auch eine Entscheidung über die Noldestraße vertagt. Um betroffene Anwohner bei den durch eine Umbenennung entstehenden Kosten zu entlasten, haben die Stadtratsmitglieder Geld im Haushalt eingestellt. Eine Richtlinie für die Ausschüttung müsste dann noch beschlossen werden, erklärte Rathaussprecherin Bettina Plugge.

Einstimmig folgten die Mitglieder im Hauptausschuss dem Antrag der Schülerinnen und Schüler, in 16 Fällen die Straßenschilder mit einem erklärenden Zusatz zu versehen. Das soll zum Beispiel für den Jahnplatz unweit der Burg Wissem geschehen: „Turnvater Jahn“ hatte nämlich, so das Ergebnis der Recherche, auch fremdenfeindliche und nationalistische Positionen vertreten.

Eine Reihe von weiteren Straßen würde man wohl heute nicht mehr so benennen, lautet das Fazit der Schülerinnen und Schüler: Das gelte für Militärstrategen und -helden wie Richthofen, Gneisenau oder Blücher. 

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