ÖVP-Spitzenkandidat Lopatka: Forderung nach Klimapolitik mit „Balance“ - news.ORF.at
EU-Spitzenkandidat der ÖVP, Reinhold Lopatka
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ÖVP-Spitzenkandidat Lopatka

Forderung nach Klimapolitik mit „Balance“

In der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag hat ÖVP-Spitzenkandidat Reinhold Lopatka mit Blick auf die EU-Wahl mehr „Balance“ und weniger „versus“ bei der europäischen Wirtschafts- und Klimapolitik gefordert. Europa müsse hier weltweit als Vorbild vorangehen. Heftige Kritik übte er an Angriffen auf Politikerinnen und Politiker, wie das zuletzt in Deutschland der Fall war. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ auf Bundesebene schloss er aus.

Basis für die Erfolge in Europa sei ein starker Industrie- und Wirtschaftsstandort, um diese „kostspielige, notwendige, technologische Transformation“ zu machen, so Lopatka. Wenn man allerdings die nächsten fünf Jahre so weitergemacht hätte beim „Green Deal“ wie bisher, dann würde dieser dadurch gefährdet.

Um zu konkretisieren, was er damit meine, brachte Lopatka immer wieder konkrete Beispiele. Beim Renaturierungsgesetz, das in der EU auf der Kippe steht – unter anderen blockieren hier auch die Bundesländer Österreichs –, verwies Lopatka auf ein Gespräch mit einem Waldbesitzer, der ihm gesagt habe, dass durch die Renaturierung die Waldflächen jahrelang nicht bewirtschaftet werden dürften und das dadurch „zehn, fünfzehn Prozent Einkommensverluste“ bringen würde.

Wirtschaft vs. „Green Deal“

Lopatka fordert, die Wirtschaft und den „Green Deal“ nicht gegeneinander auszuspielen, sondern in „Balance“ zu bringen.

Situation in EU-Ländern „völlig unterschiedlich“

Lopatka zufolge sei das auch häufig ein Problem bei europäischen Regelungen, dass die Situation in einzelnen Ländern, „gerade im Naturbereich, völlig unterschiedlich“ sei. Er sei absolut dafür, den Klimawandel „sehr, sehr ernst“ zu nehmen. Es sei richtig, dass Europa hier vorangehe, so Lopatka. Doch dieses „riesige Problem“ sei nur weltweit zu lösen. Man dürfe Länder wie zum Beispiel China nicht aus der Verantwortung lassen.

Zugleich müsse man mit der gleichen Intensität wie in Europa auch auf der UNO-Ebene verhandeln. Wichtig sei ihm die Balance zwischen Industrie und Wirtschaftsstandort. Der „größte Fehler“ der Politik – auch in Österreich – sei zudem zu glauben, dass für alle Probleme immer die EU zuständig sein soll. Konkret verwies er dabei auf die Bodenversiegelung, die „ureigenste Aufgabe“ der Gemeinden wäre.

„Logische Weiterentwicklung“ der Neutralität

Die Neutralität sieht Lopatka mit dem Beitritt zur „Sky Shield“-Initiative nicht gefährdet. Zwar habe man mit dem EU-Beitritt 1995 eine völlige Änderung in dieser Politik durchgezogen, unter anderem mit „Beistandspflichten“ – mit Ausnahme einer militärischen –, jedoch habe Österreich mit Friedenseinsätzen „Großartiges“ geleistet.

Position zur gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik

Die Neutralität in Österreich, wie sie sich momentan darstellt, sieht Lopatka als „logische Weiterentwicklung“.

Das Thema Neutralität durchfahre eine „logische Weiterentwicklung“, so Lopatka. Innerhalb der europäischen Situation sei man, so „könnte man sagen, nicht mehr neutral“, sondern „solidarisch“. In Bezug auf den Rest der Welt jedoch sei „unsere Neutralität von ganz großer Bedeutung“, so Lopatka.

Keine Festlegung auf von der Leyen

Darauf, dass die EU-Kommissionspräsidentin und Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei (EVP), Ursula von der Leyen, dieses Amt weiter ausführen solle, wollte sich Lopatka nicht festlegen. Dazu sei es zu früh, denn zunächst seien die Regierungsspitzen nach der EU-Wahl am Wort, und das sei auch richtig.

Er habe aus der Erfahrung der letzten Wahl gelernt, wo sich die Regierungsspitzen nicht für den Spitzenkandidaten der siegreichen EVP, Manfred Weber, entschieden, sondern mit von der Leyen für eine andere aus der Parteienfamilie. „Ich habe dazugelernt, die Kandidatin oder der Kandidat, der die Hürde schafft, wird meine Unterstützung haben“, so Lopatka.

„Null Toleranz gegenüber Intoleranten“

Angesprochen auf die jüngsten Angriffe auf Politikerinnen und Politiker in Deutschland, sagte Lopatka, es dürfe „null Toleranz gegenüber Intoleranten geben“. Damit meinte er sowohl die Bedrohung von rechtsextremer Seite als auch die von islamistischer Seite. Beides sei „verdammt gefährlich“.

Angriffe auf Politiker

Bei Angriffen auf Politikerinnen und Politiker fordert Lopatka „null Toleranz“.

Ein Kalifat auszurufen, wie es zuletzt bei einer Demo in Deutschland passiert ist, habe „nichts mit Meinungs- und Versammlungsfreiheit“ zu tun. Dabei kritisierte Lopatka auch den FPÖ-Spitzenkandidaten Harald Vilimsky, der ständig von „Wahnsinn und Irrsinn“ bei der EU rede. Dieser spiele damit mit „berechtigten Sorgen“ der Menschen.

Asylpakt „Schritt in richtige Richtung“

Beim Thema Asyl und Migration sagte Lopatka, es sei wichtig, auf „europäischer Ebene zu Lösungen“ zu kommen. Wenn das jedoch nicht gelingen würde, dann müssten Nationalstaaten eben selbst Lösungen finden, so Lopatka, und er verwies dabei auf Dänemark und Irland. Den EU-Asylpakt sieht er – sobald er umgesetzt wird – als „sehr guten Schritt in die richtige Richtung“.

Angesprochen auf einen bundesweiten Asylkodex, sagte Lopatka, dass das „Sache der Bundesländer“ sei. Er halte es aber für eine gute Idee. Auf die Frage, was seine Migrationspolitik von jener der FPÖ unterscheiden würde, hielt Lopatka fest: „Wir wollen Probleme lösen, die FPÖ lebt von Problemen.“ Die FPÖ würde zudem Ankündigungen machen, die in rechtsstaatlichen Systemen unmöglich seien.

Zusammenarbeit mit FPÖ ausgeschlossen

Gefragt, ob sich Lopatka eine Zusammenarbeit seiner Partei mit der FPÖ auf Bundesebene vorstellen könnte, sagte der ÖVP-Spitzenkandidat: „Ich halte es für unmöglich, mit dieser Führerpartei mittlerweile zusammenzuarbeiten.“ Das gelte auch, wenn FPÖ-Chef Herbert Kickl einen Schritt zur Seite machen würde, denn: „Die FPÖ ist Kickl.“

In der Vergangenheit habe auch er mit der FPÖ in der Regierung auf Bundesebene zusammengearbeitet, aber „die Kickl-FPÖ ist eine völlig andere“, meinte Lopatka. Er sehe auch im Umfeld des freiheitlichen Parteichefs derzeit „niemanden, der ernsthaft interessiert ist, diese Radikalisierung zu beenden“.

Auch im Europaparlament schloss Lopatka einmal mehr eine Zusammenarbeit mit der FPÖ und deren Verbündeten in der Rechtsaußen-Fraktion ID aus. Eine Zusammenarbeit mit Parteien aus der rechtskonservativen Fraktion EKR wie den postfaschistischen Fratelli d’Italia der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni kann sich der ÖVP-Kandidat aber sehr wohl vorstellen.

„Reihe offener Fragen“ bei Causa Schilling

Zu den „schweren Vorwürfen“ gegen die grüne Spitzenkandidatin Lena Schilling wollte sich Lopatka zunächst nicht äußern, fand dann aber doch Worte: Es sei Sache der Grünen, dass sie das, was sie immer forderten, etwa auf EU-Ebene eine Ethikbehörde, um den Charakter der EU-Abgeordneten zu durchleuchten, auch selbst tun.

Position zu den Vorwürfen gegen Grünen-Kandidatin Schilling

Rund um die Vorwürfe gegen die EU-Spitzenkandidatin der Grünen, Lena Schilling, sieht Lopatka eine „Reihe offener Fragen“.

Nicht nachvollziehen kann Lopatka die Argumentation Schillings, die Vorwürfe hätten nichts mit Politik zu tun. Schilling habe „gemeint, das eine ist der Charakter, das andere die Politik. Ich sehe es gegenteilig, für mich ist Charakter Grundvoraussetzung für Politiker“, so Lopatka. Aus seiner Sicht gibt es „eine Reihe offener Fragen“, die von den Grünen bisher nicht beantwortet worden seien.

Opposition übt Kritik

Für Kritik sorgten die Aussagen Lopatkas bei der FPÖ. Spitzenkandidat Vilimsky sprach von einem „verzweifelten Rundumschlag“ des ÖVP-Spitzenkandidaten. SPÖ-Kandidat Andreas Schieder bezeichnete dagegen „Lopatkas Versuche, sich von rechtsaußen zu distanzieren“ als „vollkommen unglaubwürdig“. Die ÖVP lasse sich die Hintertür offen „und blickt wieder einmal nach rechts, wenn es um den eigenen Machterhalt geht“, hielt Schieder fest. NEOS warf der ÖVP vor, „den Europakurs längst verlassen“ zu haben, kritisierte der NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter in einer Aussendung.