Kirche-und-Leben.de - Schwester Ancilla über Maria: „Magd des Herrn ist kein demütiges Bild“

Themenwoche Maria (5): Über Rosenkranz, Magnificat und die politische Maria

Schwester Ancilla über Maria: „Magd des Herrn ist kein demütiges Bild“

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Was kann der Rosenkranz heutigen Menschen bringen? Wie umstürzlerisch ist das Magnificat? Wie politisch ist Maria? Kirche+Leben fragt Schwester Ancilla Röttger. Die Äbtissin der Klarissen am Dom in Münster hat – schon wegen ihres Namens – eine sehr persönliche Beziehung zur Gottesmutter.

Schwester Ancilla, was bedeutet Ihnen das Rosenkranzgebet, wie pflegen Sie es?

Ich erinnere mich, wie einmal hunderte Menschen im voll besetzten Dom in Münster den Rosenkranz gebetet haben. Da hatte der gemeinsame Rhythmus etwas Gewaltiges, fast Bedrohliches. Beim Rosenkranz geht es aber um das Herz, nicht um die Form. In kleinen Gruppen und mir selbst hilft die Gleichförmigkeit, in der Konzentration zu bleiben. Wir werden gleichsam an die Hand genommen. Ich bete den Rosenkranz gern unterwegs. Die gleichbleibenden „Ave Maria“ schaffen einen Raum, in dem ich im jeweiligen Gesätz eine Szene aus dem Leben Jesu betrachten kann.

Manchen gilt der Rosenkranz als verstaubt, schlicht, altmodisch. Was kann er heutigen Menschen bringen?

Er führt uns zu Jesus. Der Rosenkranz kann beruhigen, er kann die Konzentration fördern, er kann helfen, in einer hektischen Zeit bei einer Sache zu bleiben. Ich weiß von Menschen, die eigene Bitten einbauen, zum Beispiel: „Gebenedeit sei die Frucht deines Leibes, Jesus, der unsere Ehe segnen möge.“ Wer möchte, kann also ganz persönliche Anliegen oder die Fürbitten für die Welt in den Rosenkranz einbringen – und muss wegen der regelmäßigen Form nicht groß eigene Worte dafür überlegen.

Maria spricht von sich als „Magd des Herrn“, das klingt nach einem demütigen Frauenbild. Wie schätzen Sie das ein?

(Schwester Ancilla lacht.) Da fragen Sie ja die Richtige: Mein vollständiger Ordensname ist Maria Ancilla, und Ancilla heißt auf Lateinisch Magd. Ich finde „Magd des Herrn“ gar kein so demütiges Bild. Schauen Sie: Einer der Titel des Papstes ist „Diener der Diener Gottes“. Da steht „Magd des Herrn“ doch haushoch darüber: Maria richtet sich nach dem, was direkt von Gott kommt. Als ich in den Orden eingetreten bin, habe ich für mich alle Stellen aus dem Evangelium herausgeschrieben, wo Maria vorkommt. Das hat mich begeistert, denn Maria ist ungemein mutig! Sie hält das Geheimnis Gottes aus. Sie lässt Dinge reifen, bis sie sie versteht. Sie erarbeitet ihr Ja zum Plan Gottes Schritt für Schritt immer wieder selbst. Sie bleibt bis zuletzt bei ihrem Sohn, steht unter dem Kreuz. In dieser Weise wäre auch ich gern demütig – in dem Sinn, die Weisung von Gott selbst entgegenzunehmen.

Was bedeutet für Sie „fromm sein“?

Ich habe mich nie für fromm gehalten, ich bin in christlichen Normen erzogen und von ihnen geprägt. Gott ist gegenwärtig, davon bin ich überzeugt. Darum habe ich die Aufgabe, seine Liebe zu leben, so gut es geht. Darum möchte ich in Beziehung zu ihm leben. Das kann man natürlich „fromm“ nennen. Mir ist wichtig, diese Beziehung nicht aus dem Blick zu verlieren, auch wenn ich Gott vielleicht nicht in jedem Augenblick auf meinen Lippen habe. Ich möchte jetzt da sein, in diesem Moment auch für die Menschen da sein, weil Gott da ist.

Das Magnificat, der Lobgesang Mariens, klingt geradezu umstürzlerisch: Gott stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Wie politisch ist Maria?

Schwer zu sagen. Maria ist in der Kirchengeschichte immer so gedeutet worden, wie es gerade gebraucht wurde. Ich sehe in den Aussagen eher die Alltags- als die politische Dimension. Auch im persönlichen Umfeld der Menschen, auch in meinem eigenen steht Gott auf der Seite der Niedrigen. Maria hilft uns dabei, in den innerlich „aufrechten Stand“ zu kommen. Wir beten das Magnificat jeden Tag, im Stundengebet der Vesper. Wir bedenken dabei: Was hat Gott heute Umstürzlerisches gewirkt, auch in den kleinen Schritten des Alltags? Denken Sie an die vielen Gespräche, die Menschen führen. Auch hier im Kloster mit Besucherinnen und Besuchern, denen wir versuchen, Mut zuzusprechen. Im Letzten ist es Gott, der aufrichtet.

In der katholischen Kirche gibt es die Bewegung „Maria 2.0“, die mehr Teilhabe nicht zuletzt für Frauen fordert. Und die Gruppe „Maria 1.0“, die eher das tradierte Marienbild teilt und ein Vereinnahmen der Gottesmutter für Reformen ablehnt. Wo sehen Sie Maria?

Maria ist sicherlich nicht diejenige, die „mit der Keule in der Hand“ die Mächtigen vom Thron stürzt. Aber ich bin überzeugt: Gott stürzt auch heute die Mächtigen. Und ich selbst bleibe in der Kirche wegen ihrer Botschaft, nicht wegen der Mächtigen.

Haben Sie ein Lieblings-Marienlied – und warum gerade das?

Da fallen mir zwei ein. „Segne du, Maria“ („Gotteslob“ Nr. 535) als erstes. Vor allem die zweite Strophe, wenn es heißt: „Segne du, Maria, alle, die mir lieb.“ Das mag ich sehr, direkt auch für die Menschen an meiner Seite zu bitten, die mich begleiten. Und es gibt ein zweites Lied mit einem zeitgenössischen Text von 2010, das das „Segne du“ beinahe eingeholt hat: „Ein Bote kommt, der Heil verheißt“ („Gotteslob“ Nr. 528). Da mag ich besonders die dritte Strophe: „Maria, du hast Ja gesagt zu Gottes Ruf und Gnade. Den ganzen Weg hast du gewagt, begleite unsre Pfade.“

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