Laser bringt Protonen auf Rekordenergien - Optimierter Plasmabeschleuniger knackt Grenze von 100 Megaelektronenvolt - scinexx.de
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Physik

Laser bringt Protonen auf Rekordenergien

Optimierter Plasmabeschleuniger knackt Grenze von 100 Megaelektronenvolt

Laserbeschleunigung von Protonen
Durch Beschuss einer speziellen Plastikfolie mit Laserpulsen lassen sich Protonen beschleunigen.© HZDR / Blaurock

Meilenstein: Physiker haben erstmals einen kompakten Laser-Plasmabeschleuniger entwickelt, der Protonen bis auf Energie von 150 Megaelektronenvolt bringen kann – ein neuer Rekord. Denn solche Werte erreichten bisher selbst größere und stärkere Laseranlagen nicht. Möglich wurde dies, weil ein „Vorblitz“ des Lasers die Beschleunigerfolie vorheizt und optimiert. Die energiesparende und kompakte Form der Anlage eröffnet neue Möglichkeiten, solche Beschleuniger in der Medizin und Materialwissenschaft einzusetzen, wie das Team in „Nature Physics“ berichtet.

Lange waren Teilchenbeschleuniger auf kilometergroße Anlagen und starke Magnete angewiesen. Doch inzwischen können auch lasergetriebeen Plasmabeschleuniger Teilchen auf Touren bringen. Für Elektronen erreichen solche Laserbeschleuniger bereits Energien von zehn Gigaelektronenvolt. Dabei erzeugen starke Laserpulse in einer Plasmakammer ein schnelles elektrisches Feld, das Elektronen mitreißt und beschleunigt. Auch im Langzeitbetrieb haben sich solche Wakefield-Plasmabeschleuniger schon bewährt.

Wie man Protonen auf Touren bringt

Doch für schwerere Teilchen wie Protonen oder Ionen haperte es bisher mit der Beschleunigerleistung der Laseranlagen. „Bisher wurden Rekordenergie für Protonen nur von großen Hochleistungslasern mit mehr als 100 Joule und begrenzter Schussrate erzielt“, erklären Tim Ziegler vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und seine Kollegen. Und selbst diese großen Laseranlagen hatten Probleme, die Grenze von 100 Megaelektronenvolt zu überschreiten.

Um die Protonen auf Touren zu bringen, nutzen Laser-Plasmabeschleuniger eine etwas andere Technik als die Wakefield-Anlagen. Die Laserpulse werden statt in eine mit Plasmagas gefüllte Kammer auf eine hauchdünne Plastikfolie geschossen. Dort schlägt das Laserlicht Elektronen aus den Atomen. Als Folge bildet sich zwischen den negativen Elektronen und den positiven Atomrümpfen kurzzeitig ein starkes elektrisches Feld aus. Dieses kann Protonen beschleunigen und auf hohe Energien bringen – allerdings brauchte man bisher sehr starke Laser dafür.

Laser-„Vorblitz“ als Helfer

Jetzt haben Ziegler und sein Team eine Methode entwickelt, die auch im kleinen Maßstab und mit schwächeren Lasern funktioniert. Dabei nutzen sie eine Eigenschaft der kurzen Laserblitze, die bisher eher als Manko gilt: „Die Energie eines Pulses setzt nicht sofort ein, wie es idealerweise der Fall wäre“, erklärt Ziegler. „Stattdessen eilt ihm ein kleiner Teil der Laserenergie voraus, gewissermaßen als Vorhut.“

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Diesen „Vorblitz“ nutzten die Physiker nun, um die Zielfolie vor dem eigentlichen Schuss zu optimieren. Denn bisher ging ein Teil der Energie dadurch verloren, dass Laserlicht von der Folie reflektiert wurde. Dies ändert sich jedoch durch den vorauseilenden Anteil des Laserpulses: „Durch den Einfluss des Lichts expandiert die Folie und wird dabei immer heißer und dünner“, erläutert Ziegler. „Die Folie zerfließt während des Heizprozesses regelrecht.“

AUfbau des Plasmabeschleunigers
Aufbau des lasergetriebenen Protonenbeschleunigers. OAP: Parabolspiegel, TPS und TOF: Detektoren zur Messung der in verschiedenen Winkeln austretenden beschleunigten Protonen. © Ziegler et al./ Nature Physics, CC-by 4.0

Bis zu 150 Megaelektronenvolt

Als Folge dieser Vorbehandlung wird der Laser nicht mehr reflektiert und kann deutlich tiefer ins Material eindringen als früher. „Dadurch werden die in der Folie enthaltenen Protonen deutlich stärker beschleunigt als es zuvor mit unserem DRACO-Laser zuvor möglich war“, berichtet Ziegler. Für ihr Experiment optimierten die Physiker zudem die Dicke der Zielfolie – eine Dicke von 200 bis 300 Nanometern erwies sich als besonders geeignet.

Im Test lenkte ein Parabolspiegel die rund 30 Femtosekunden kurzen Laserpulse im Winkel von 50 Grad auf die Zielfolie. Teilchendetektoren und Spektrometer verfolgten den Effekt. Das Ergebnis: Der rund 22 Joule starke Infrarotlaser beschleunigte die Protonen bis auf Energien von 150 Megaelektronenvolt – ein neuer Rekord für eine Anlage dieser Größe.

„Meilenstein für die Plasmabeschleunigung“

„Das Erreichen von spektral modulierten Protonenstrahlen mit Energien über 100 Megaelektronenvolt markiert einen wichtigen Meilenstein für die Plasmabeschleunigung“, konstatieren Ziegler und seine Kollegen. „Es ebnet den Weg zu lasergetriebenen Ionenquellen, die für verschiedene anspruchsvolle Anwendungen geeignet sind.“

Positiv auch: Die hochenergetischen Protonen weisen eine enge Energieverteilung auf. Die in eine bestimmte Richtung rasenden Protonen sind dabei nahezu gleichschnell – auch das ist ein günstiges Feature für spätere Anwendungen. Nach Angaben der Physiker ließen sich die erzielten Energien durch weitere Optimierung und stärkere Laser noch bis auf 250 MeV steigern.

Anwendungen in Medizin und Forschung

Nützlich wären solche Laserbeschleuniger beispielsweise in der Krebsmedizin. Dort werden energiereiche Ionen- und Protonen zur Bestrahlung von Tumoren erprobt. Bislang kommen dafür vorwiegend große konventionelle Therapiebeschleuniger zum Einsatz, die es in Deutschland nur an wenigen Zentren gibt. Durch das neue Verfahren könnte man kompaktere Laseranlagen nutzen, um diese Verfahren zu testen und effektivere, wirksamere Bestrahlungsszenarien zu entwickeln.

Aber auch zur Erzeugung von freien Neutronen können solche Laser-Plasmabeschleuniger eingesetzt werden. Kurze, intensive Neutronenpulse werden unter anderem für Materialanalysen benötigt. Auch hier versprechen die Plasmabeschleuniger, das bisherige Einsatzfeld deutlich zu erweitern. „Die heutige Anlagen brauchen zudem viel Strom“, sagt Ziegler. „Auf Basis der Laser-Plasmabeschleunigung könnten sie deutlich sparsamer sein.“ (Nature Physics, 2024; doi: 10.1038/s41567-024-02505-0)

Quelle: Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf

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