Henry Fonda for President | Film-Rezensionen.de
Henry Fonda for President
© Austrian Films
Henry Fonda for President
„Henry Fonda for President“ // Deutschland-Start: nicht angekündigt

Inhalt / Kritik

Der US-amerikanische Mythos ist stärker denn je. Auch wenn viele den Niedergang des Amerikanischen Traumes immer wieder prophezeit haben, ist er nach wie vor präsent, beispielsweise in den Reden der Präsidentschaftskandidaten für die anstehende Wahl 2024. Während heute vor allem Politiker sich als Spiegelbilder dieses Mythos sehen, waren es in der Vergangenheit zudem Künstler, Autoren und Schauspieler, die jene Grundfesten des Landes repräsentierten. Henry Fonda war einer von ihnen, selbst wenn er es, wie er in vielen Interviews argumentierte, nicht so sah und dies schlichtweg die Sichtweise des Regisseurs war, mit dem er zusammenarbeitete.

Kollegen wie John Wayne oder James Stewart waren ebenfalls prädestiniert für eine solche Rolle, doch im Falle Fondas finden sich zudem in der Biografie seiner Familie Indizien dafür, dass sein Name verbunden werden kann mit der Idee des Amerikanischen Traumes. Nicht nur spielte er US-Präsidenten wie Abraham Lincoln in Der junge Mr. Lincoln, er spielte auch gewissermaßen einen seiner Vorfahren in Trommeln am Mohawk, ein Film, der sich, wie viele Western, als eine Reflektion auf die Eroberung des „Wilden Westen“ und die damit einhergehende Besiedlung sowie die Kriege gegen die Ureinwohner lesen lässt.

Im Jahre 1980 begegnete Dokumentarfilmer Alexander Horwath während einer Parisurlaubs mit seinen Eltern dem US-Schauspieler zum ersten Mal, natürlich als Kinogänger, wie so viele. In seiner Dokumentation Henry Fonda for President, die bereits auf der Berlinale 2024 gezeigt wurde und kürzlich im Rahmen des DOK.fest München zu sehen war, erzählt er aber nicht nur von dieser ersten Begegnung, sondern geht dem US-amerikanischen Gründermythos anhand der Biografie und der Filmografie Fondas auf den Grund. Herausgekommen ist dabei ein Werk, das mehr wie ein filmischer Essay anmutet, in dem der Regisseur per Off-Kommentar Archivmaterial wie Ronald Reagans Rede anlässlich seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 1980 und Ausschnitte aus den Filmen, in denen Fonda mitwirkte, kommentiert. Die Länge von knapp über drei Stunden mag zunächst etwas abschrecken, jedoch ist die Dokumentation besonders für Filmfans, die an alternativen und historisch-kritischen Lesarten von Filmen interessiert sind, interessant und offenbart faszinierende Einblicke.

Nachstellen und Inszenieren

In John Fords Faustrecht der Prärie spielt Fonda Wyatt Earpp, der als Marshal in der Stadt Tombstone für Recht und Ordnung sorgen soll. Basierend auf der reichlich geschönten Erzählung des echten Earpps, der als Berater Hollywoods für die ersten Western fungierte, ist der Film vor allem eine Erzählung über die Zivilisierung des „Wilden Westens“, wie so viele Werke Fords. Horwath schaut bei dieser Darstellung, wie auch bei den anderen Beispielen, die in Henry Fonda for President genannt werden, ganz genau hin. Was für eine Art Gesetzeshüter und Mann tritt hier überhaupt auf? Was sagt uns dies über den Aspekt des Gründermythos, der hier vorliegt? Fondas Westernheld ist keineswegs der kernige Protagonist, den Wayne über viele Jahre spielen sollte, sondern jemand, in dessen Gesicht sich Zweifel ablesen lassen und dessen Darstellung von Männlichkeit bricht mit der Idee von Stärke, Durchsetzungsvermögen und Selbstsicherheit.

Die Argumente, die Horwath anbringt, verbinden die Szenen aus Fords Film mit verschiedenen historischen Dokumenten, Essays, Aufnahmen und suchen stets den Bezug zur Gegenwart. Fondas Darstellung und die Inszenierung des Regisseurs werden unter die Lupe genommen und vereinen unter dem Mikroskop des Dokumentarfilmers das Idealbild des Mythos, doch ebenso eine tiefgehende Skepsis. Insbesondere die sporadische Lakonie in den Kommentaren Horwaths trägt ihren Anteil dazu bei, dass Henry Fonda For President in diesen Momenten nie zu einer rein akademischen Exkursion wird, sondern immer unterhaltsam und kurzweilig bleibt.

Ein besonders gelungener Aspekt von Henry Fonda for President ist die Verfolgung des Familienstammbaums der Fondas. Horwaths Film geht zurück bis ins 17. Jahrhundert, als die Fondas von Europa nach Amerika kamen und an vielen Stellen aktiv an der Besiedlung und der Organisation der neuen Welt beteiligt waren. Dies gibt Henry Fondas Rollen eine ganz neue Dimension und eröffnet eine biografische Interpretation, deren Attraktivität durch Fondas Bruch mit bestimmten Männlichkeitsidealen oder anderen Konventionen bestimmt wird.

Credits

OT: „Henry Fonda for President“
Land: Österreich, Deutschland
Jahr: 2024
Regie: Alexander Horwath
Drehbuch: Alexander Horwath
Kamera: Michael Palm

Bilder

Trailer

Kaufen / Streamen

Bei diesen Links handelt es sich um sogenannte Affiliate-Links. Bei einem Kauf über diesen Link erhalten wir eine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Auf diese Weise könnt ihr unsere Seite unterstützen.




(Anzeige)

Henry Fonda for President
fazit
„Henry Fonda for President“ ist eine Dokumentation über die Rollen des bekannten Schauspielers und ihre Verbindung zum Gründermythos der USA. Alexander Horwaths filmischer Essay ist faszinierend, spannend und kurzweilig, sodass nicht nur Filmfans ihren Spaß an dieser Dokumentation haben werden.
Leserwertung0 Bewertungen
0
9
von 10