Vor 75 Jahren starb der Schriftsteller Klaus Mann | Evangelische Zeitung

Vor 75 Jahren starb der Schriftsteller Klaus Mann

Vor allem wegen seines “Mephisto”-Romans ist Klaus Mann weiterhin populär. Dabei war der Sohn von Thomas Mann auch ein Pionier der Outing-Literatur.

“Überall werde ich – Fremdling sein. Ein Mensch meiner Art ist stets und allüberall einsam.” Bereits in einem frühen Brief an den Leiter der Odenwaldschule, die er ein halbes Jahr als Jugendlicher besuchte, brachte Klaus Mann die Leitmotive seines Lebens auf den Punkt: Ruhelosigkeit und Einsamkeit.

Dabei wurde dem sensiblen Jungen, der am 18. November 1906 als ältester Sohn von Thomas und Katia Mann in München zur Welt kam, mit der ein Jahr älteren Schwester Erika quasi eine Seelenverwandte in die Wiege gelegt. Unzählige Reisen unternahmen die beiden zusammen, früh teilten sie ihre künstlerischen Visionen. Während der Vater streng darauf bedacht war, sich nicht als homo- oder bisexuell zu outen, hatten die Geschwister keine Probleme damit, ihre für die damalige Zeit unkonventionellen sexuellen Vorlieben zu inszenieren.

Erst 19 Jahre alt war Klaus Mann, als 1925 sein Roman “Der fromme Tanz” erschien, der aus Sicht von Fachleuten zu den ersten Outing-Büchern deutscher Sprache zählt. Im selben Jahr veröffentlichte er das Drama “Anja und Esther”, in dem eine lesbische Liebe thematisiert wird. Das Stück wurde zu einem Skandal-Erfolg. Was auch daran lag, dass Klaus und Erika Mann selbst als Darsteller auf die Bühne gingen – mit ihren zeitweiligen Verlobten Pamela Wedekind, der ältesten Tochter des Dramatikers Frank Wedekind, und dem Schauspieler Gustav Gründgens.

Gründgens sollte Klaus Mann später zu seinem bekanntesten Werk inspirieren, dem Roman “Mephisto”. Der geschmeidige Theatermann Hendrik Höfgen, der im Dritten Reich als Nazi-Opportunist Karriere macht, ist Gründgens nachempfunden. Anfang der 1980er Jahre wurde die “Mephisto”-Verfilmung mit Klaus Maria Brandauer in der Hauptrolle ein großer Kino-Erfolg.

Klaus Mann war nicht bereit zu Kompromissen mit dem NS-Regime. Als die Nazis im Jahr 1933 seine Werke verbrannten, erfüllte ihn dies mit Genugtuung. Gut und Böse waren klar markiert. Er musste das Land verlassen. Erst flüchtete Mann junior nach Paris, dann trieb es ihn nach Südfrankreich, Amsterdam, in die Schweiz und weiter über die Tschechoslowakei und Ungarn in die Vereinigten Staaten.

Es war die produktivste Phase des Schriftstellers, der früh mit Drogen experimentiert hatte und auch Selbsttötungsfantasien nicht abgeneigt war: In rascher Folge erschienen neben dem “Mephisto” (1936) im Amsterdamer Exil-Verlag Querido die Romane “Flucht in den Norden” (1934), “Symphonie Pathetique” (1935) und der Emigranten-Roman “Der Vulkan” (1939). Das gemeinsam mit Erika verfasste Buch “Escape to Life” (1939), in dem deutsche Exilanten porträtiert werden, wurde ein US-Bestseller.

Die Zeit der Provokationen im Schatten des berühmten Vaters schien vorbei zu sein. Doch der Eindruck täuschte: 1941 unternahm Klaus Mann in Amerika einen ersten Suizidversuch, der fehlschlug. 1941 war auch das Jahr, in dem er sich freiwillig zur Armee meldete. Doch die Amerikaner ließen sich Zeit. Der Schriftsteller, der bereits bei einer Veranstaltung in der Sowjetunion aufgetreten war, war ihnen politisch suspekt. Das frühe Outing und die inzestuös anmutende Nähe zu seiner Schwester waren für sein Image in den puritanischen Staaten ebenfalls nicht hilfreich.

Erst Ende 1943 konnte Klaus Mann als eingebürgerter US-Soldat mit den Truppen nach Afrika und Italien reisen. Er wurde für Verhöre mit deutschen Kriegsgefangenen eingesetzt. Außerdem arbeitete er für eine Armee-Zeitschrift. Diese Tätigkeit bescherte ihm 1945 eine Reise in das befreite Deutschland. Im September 1945 zog er die Soldatenstiefel aus, um seine schriftstellerische Karriere fortzusetzen. Doch das Interesse an seiner Arbeit war gering; seine Schwester, die sich inzwischen mit Hingabe um den Nobelpreisträger-Vater kümmerte, war keine große Stütze mehr für ihn.

1948 unternahm Klaus Mann in Los Angeles einen zweiten Suizidversuch. Wieder schlug dieser fehl. Am 21. Mai 1949 in Cannes probierte er es erneut – diesmal dank einer Überdosis von Schlafmitteln mit tragischem Erfolg. Auf Wunsch seiner Schwester wurde die Jesus-Sentenz “Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert, wird es gewinnen” in englischer Sprache in den Grabstein auf dem Friedhof in Cannes gemeißelt. Die Worte hatten Klaus Mann als Motto für den unvollendeten Roman “The Last Day” gedient.