1 Einleitung

Das Gesundheitswesen ist weltweit, so auch in Deutschland, aufgrund struktureller Veränderungen und ökonomischer Vorgaben von einer starken Dynamik und neuen Herausforderungen geprägt (Robert Bosch Stiftung, RBS 2018; Sottas et al. 2013). Diese ergeben sich zum einen aus soziodemografischen Entwicklungen, gesundheitspolitischen und interkulturellen Herausforderungen, technischen Neuerungen sowie knappen Ressourcen (ebd.). Zum anderen sehen sich die Angehörigen der GesundheitsberufeFootnote 1 zunehmend vielschichtigen, heterogenen und mitunter chronischen Krankheitsverläufen eines Menschen gegenüber. Die Spezialisierung, Fragmentierung und eine damit einhergehende Arbeitsteilung der im Gesundheitswesen Tätigen resultiert zudem oftmals aus einem professionellen „Nebeneinander“ (Ewers und Herinek 2019, S. 370). Die Schnittstellen im System werden dabei nicht genutzt, sondern unterliegen überwiegend professionsspezifischen Versorgungsplanungen. Auch begünstigen etablierte Hierarchien der Gesundheitsberufe eine wenig abgestimmte Versorgungspraxis (Paradis 2019). Dies führt zu einem Nebeneinander medizinischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen, was wiederum zur Beeinträchtigung der Versorgungsqualität, z. B. in Form von Behandlungsfehlern oder Mehrfachbehandlungen führen kann (Beck et al. 2017).

Vor diesem Hintergrund erscheinen für eine zielführende Gesundheitsversorgung die Optimierung der Zusammenarbeit der Beteiligten sowie die jeweilige optimale Behandlungsplanung unter Berücksichtigung der individuellen Lebensqualität und gesellschaftlichen Teilhabe des/der Patient:in als dringende Ziele. Daher rücken in den letzten Jahren sowohl im gesundheits- als auch im bildungspolitischen Diskurs zunehmend kooperatives Lehren, Lernen, Vernetzen und Arbeiten in die Empfehlungen für eine zielführende Gesundheitsversorgung in den Vordergrund (RBS 2018; WR 2012). Interprofessionelle Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Verständnis für die berufliche Rolle und die Verantwortungsbereiche sowie die Anwendung der Grundsätze ethischer Berufsausübung, sind dabei wichtige Voraussetzungen für eine gelingende Zusammenarbeit. Vor allem jedoch wird der Kommunikations- und Reflektionsfähigkeit eine besondere Relevanz zugesprochen (O’Keefe et al. 2017; Klapper und Schirlo 2016). Die Erkenntnis der Notwendigkeit des Erwerbs interprofessioneller Kompetenzen spiegelt sich in einer Vielzahl existierender internationaler Konsenspapiere und Empfehlungen wider (O’Keefe et al. 2017; WHO 2010). Lernenden soll früh das von-, mit- und übereinander Lernen ermöglicht und damit ein interprofessioneller Kompetenzerwerb entsprechend gefördert werden (Berger et al. 2017; Reeves et al. 2013; WHO 1988). Als Effekte einer erfolgreichen interprofessionellen Zusammenarbeit werden die Verbesserung der Versorgungsqualität und -effizienz, der Patient:innensicherheit und die Steigerung der Zufriedenheit sowohl der Patient:innen als auch der beteiligten Professionen angenommen (Luderer et al. 2014).

Die Anforderungen an eine gelingende interprofessionelle Zusammenarbeit sowie die hiermit verbundenen Herausforderungen sind in der Literatur beschrieben. Bislang fehlt es jedoch an einer kongruenten, theoretischen Fundierung interprofessioneller Kommunikation und Interaktion. Im folgenden Beitrag werden daher relevante Aspekte aus dem aktuellen Forschungsstand, grundlegende Merkmale interprofessioneller Zusammenarbeit, und hier insbesondere die Rolle der Kommunikation im Kontext interprofessioneller Kooperation, zusammenfassend dargestellt. Anschließend werden beispielhaft die für eine zielführende Zusammenarbeit relevant erscheinenden Kommunikationsmodelle sowie sich hieraus abzuleitende theoretische Aspekte beleuchtet. Vor dem Hintergrund erforderlicher Kompetenzen wird somit ein erster Überblick für eine mögliche theoretische Fundierung einer zielführenden, versorgungs- und klientenorientierten Kommunikation in interprofessionellen Settings skizziert.

2 Relevante Aspekte zum Stand der Forschung

Die Sichtung der Forschungsergebnisse im deutschsprachigen Raum in Bezug auf die Kommunikation im interprofessionellen Kontext sowie auf Lehr-/Lernformate, die die Förderung von Kommunikationskompetenzen für den interprofessionellen Kontext fokussieren, lassen mehrere Aspekte erkennen. So wird einerseits angenommen, dass von einer optimierten interprofessionellen Kommunikation die Klient:innen und ihre Bezugspersonen profitieren (Sottas et al. 2016). Sie ermöglicht eine stringente Handlungsplanung, das Abstimmen von Behandlungen oder die Bündelung von den/die Klient:in betreffenden Informationen. Andererseits trägt sie auch auf Seiten der (inter-)professionell Agierenden zu einem positiveren Arbeitsklima und durch optimierte Arbeitsabläufe zur verbesserten interprofessionellen Kollaboration bei. Dies erklärt sich daraus, dass eine auf optimierte Kommunikation begründete Zusammenarbeit das Verständnis für die Rollen und Zuständigkeiten der beteiligten Akteur:innen fördert, sowie zur Steigerung gegenseitiger Wertschätzung führen kann (Homeyer et al. 2018). Des Weiteren zeigt sich, dass insbesondere im interprofessionellen Kontext weiterhin kommunikative Stolperfallen aus verschiedenen Gründen und in unterschiedlichen Settings entstehen. Als ursächlich für Konflikte und Missverständnisse werden Zeitmangel, unterschiedliche berufliche Sozialisationshintergründe sowie die damit verbundenen, unterschiedlich entwickelten Wertesysteme, Erwartungen und Haltungen gesehen. Auch das Unwissen über die Aufgaben- und Zuständigkeitsbereiche der jeweils beteiligten Professionen ist als mögliche Ursache für ein nicht zielführendes Kommunizieren bekannt (Starmer et al. 2017; Wild und Ewers 2017; McKeon et al. 2006).

Zur Vermeidung dieser Stolperfallen und zur Optimierung der Kommunikation im interprofessionellen Kontext sind sowohl im Bereich der klinischen Praxis als auch auf Bildungsebene viele Initiativen und Projekte angestoßen worden (z. B. durch die Robert Bosch Stiftung geförderte interprofessionelle (Kommunikations-)Projekte; Pilotimplementierung des „Nationalen longitudinalen Mustercurriculums Kommunikation“Footnote 2).

Darin werden unterschiedliche standardisierte Ansätze zur abgestimmten Entscheidungsfindung, zur Steigerung der Klient:innensicherheit und Zufriedenheit der beteiligten Akteur:innen beschrieben. Diese fokussieren meist die Weitergabe von Informationen und Fakten. Speziell Kommunikationsbarrieren im interprofessionellen Kontext in den Blick nehmend, vermitteln beispielsweise Tools wie SBAR (Dossow und Zwißler 2016), TeamSTEPPS (King et al. 2008), CRM (Aebersold et al. 2013), strukturierte und standardisierte Kommunikation. Auch für den deutschsprachigen Raum liegen Studien zu vergleichbaren Ansätzen vor (z. B. KOMPIDEM, Balzer et al. 2016; Wershofen und Fischer 2017). Die beschriebenen Initiativen sind jedoch von Heterogenität hinsichtlich der zeitlichen Verortung, der adressierten Berufsgruppen, der Inhalte, der Umsetzung und des Umfangs, der Methoden, der Evaluation und des jeweiligen Praxisbezugs geprägt und damit nur bedingt in ihrer Gesamtheit vergleichbar (vgl. Walkenhorst und Heinzelmann 2019).

Die bisherigen Studien zur Wirksamkeit etablierter Kommunikationsstandards im angloamerikanischen- und deutschsprachigen Raum adressieren überwiegend das Setting der Notfallversorgung und Intensivstationen (Dietz et al. 2014) und beinhalten Prä-Post-Designs. Untersucht wird meist die interprofessionelle Kommunikation im Rahmen der Kollaboration von Mediziner:innen und Pflegenden. Therapeutische Berufsgruppen stehen dabei weniger im Fokus (Ewers und Herinek 2019). Dabei weisen die rezipierten Studien jedoch auf die zumindest kurzfristige Wirksamkeit (Überblick für angloamerikanischen Raum in Foronda et al. 2016) eingesetzter Kommunikationstools in Form von positiven Effekten zur Förderung der Kommunikationskompetenz im interprofessionellen, sowohl (hoch-)schulischen (z. B. Wershofen und Fischer 2017; Berger et al. 2016) als auch berufspraktischen (z. B. Ayoub et al. 2017; Luetsch und Rowett 2016) Kontext hin. Untersuchungen zur längsschnittlichen Wirkung sowie mit Blick auf mögliche Effekte auf die Patient:innenversorgung sind allerdings noch ausstehend.

Mit Blick auf eine Standardisierung der Lehr-/Lernziele zur Förderung der Kommunikationskompetenz liegt ein konsentierter Ausbildungszielkatalog speziell für den interprofessionellen Kontext aller Gesundheitsberufe zur Verfügung (HPCCC, Bachmann et al. 2013), der auch ins Deutsche übersetzt wurde (Bachmann et al. 2016). Ausgehend von den jeweiligen Lernzielen finden sich hierin zudem didaktische Empfehlungen zur Förderung der entsprechenden Kompetenz. Im Rahmen einer Dissertation zur Konzeption, Durchführung und Evaluation einer Lehr-/Lernveranstaltung zur Förderung von Kommunikationskompetenz im interprofessionellen Kontext der Therapieberufe, wurde Datenmaterial, das auf der Grundlage leitfadengestützter Interviews mit Expert:innen aus dem Bereich Therapie gewonnen wurde, in Lehr-/Lernziele übertragen. Im Abgleich mit den Lernzielen der deutschen Version des HPCCC zeigt sich eine hohe inhaltliche Übereinstimmung. Dies spricht einerseits für eine inhaltliche Validität, andererseits für die Übertragbarkeit der Lernziele auf die Anforderungen z. B. im untersuchten interprofessionellen, therapeutischen Kontext (Heinzelmann 2025).

Die flächendeckende Implementierung erfolgreicher Projekte zur Förderung der Kommunikationskompetenz, eine Standardisierung der Ausbildungsziele oder curricularer Vorgaben für alle Gesundheitsberufe sind jedoch aufgrund von strukturellen und/oder politischen Hindernissen bislang nicht zu verzeichnen.

Während also der Relevanz und dem Anspruch an zielführende Kommunikationsprozesse im Rahmen interprofessioneller Zusammenarbeit mithilfe vielfältiger, heterogener Bildungsformate und Projekte bereits Rechnung getragen wird, steht eine theoretische Fundierung kommunikativer Phänomene und Kompetenzen weiterhin aus. Im Folgenden finden sich daher die Beschreibung der Funktion kommunikativer Prozesse im interprofessionellen Kontext, die Skizzierung relevanter Konstrukte mit Blick auf die Voraussetzungen gelingender interprofessioneller Interaktions- und Kommunikationsprozesse sowie die Darstellung relevanter bezugswissenschaftlicher Definitionen und Modelle.

3 Kommunikation in der Zusammenarbeit von Gesundheitsberufen

3.1 Rolle der Kommunikation

Kommunikation wird aktuell im interprofessionellen Kontext eine tragende Rolle mit Blick auf die patienten-/klienten-Footnote 3 und ressourcenorientierte Versorgung, die Behandlungsqualität, die Patient:innen/Klient:innensicherheit und den Outcome zugesprochen (Ewers und Herinek 2019). Sie dient beispielsweise dem Austausch von Informationen und professioneller Expertise. Im beruflichen Kontext ist sie Mittel zur Verständnissicherung, unterstützt Absprachen und dient der Aushandlung von Zielen für eine optimierte Behandlungsplanung mit Blick auf die/den Patient:in. Somit stellt erfolgreiche Kommunikation eine zentrale Voraussetzung im Rahmen interprofessioneller Zusammenarbeit dar.

Ausgangspunkt interprofessioneller Zusammenarbeit ist der/die Klient:in (siehe Abb. 1) mit seinen/ihren individuellen Bedürfnissen, Zielen, Ressourcen und Funktionseinschränkungen (WHO 2010; CIHC 2010).

Abb. 1
figure 1

Der/die Klient:in im Mittelpunkt interprofessioneller Kollaboration

Dabei erfordert eine optimierte interprofessionelle Versorgung des/der Klient:in eine zielführende Kommunikation und Zusammenarbeit aller beteiligten Berufsgruppen. Internationale Rahmenwerke beinhalten daher verschiedene Lehr-/Lernziele, die auf diesen Anspruch bereits im Ausbildungskontext rekurrieren. Ziel ist es somit,

„mit Patienten, Familien, (sozialen) Gemeinschaften und Professionellen im Gesundheitsbereich […] in einer ansprechenden und verantwortlichen Weise zu kommunizieren, um so einen teambasierten Zugang zur Gesundheitsförderung und Gesunderhaltung sowie zur Prävention und Behandlung von Krankheiten zu fördern (Interprofessionelle Kommunikation)“ (IPEC 2016, S. 10; Übersetzung entnommen aus Ewers und Herinek 2019, S. 372).

Die Lernenden sollen durch entsprechende Lernarrangements mit Blick auf die Berufspraxis dazu befähigt werden,

  • interprofessionelle Praxis gegenüber Patient:innen, deren Bezugspersonen sowie anderen Professionen zu erklären,

  • ihre jeweilige professionelle Meinung kompetent, selbstbewusst und respektvoll unter Verwendung von Fachsprache auszudrücken,

  • Ziele und Prioritäten im Rahmen der Klient:innenversorgung unter Einbeziehung anderer Gesundheitsberufe zu planen,

  • zeitnahe, empathische und konstruktive Rückmeldungen an Kolleg:innen aus anderen Berufsgruppen zu geben sowie respektvoll auf Feedback zu reagieren (O’Keefe et al. 2017, S. 466, Auswahl; eigene Übersetzung).

Die Etablierung sozial-kommunikativer Kernkompetenzen sollte gemäß internationaler Empfehlungen mit Blick auf eine optimierte Versorgung einer der zentralen Inhalte interprofessioneller Lehre und Ausbildung sein und mithilfe entsprechender Lehr-/Lernziele adressiert werden.

Zweck der interprofessionellen Kommunikation zwischen Angehörigen verschiedener Professionen, mit Klient:innen und/oder deren Bezugspersonen sind beispielsweise die Kompromissfindung oder die Konfliktlösung (CIHC 2010, S. 16). In der Kommunikation im interprofessionellen Kontext variieren dabei der Anlass, die beteiligten Personen, deren jeweiliges Ziel und der Inhalt je nach Situation, Rahmenbedingungen, Ressourcen, Komplexität und Anspruch. Im interprofessionellen Kontext sollte Kommunikationskompetenz daher auch im direkten Zusammenhang mit Sozialkompetenz verstanden werden, denn angesichts der besonderen Herausforderungen ergeben sich komplexe, die soziale Umwelt betreffende, Interaktionssituationen. Dabei treten die Agierenden vor dem Hintergrund ihrer jeweils unterschiedlichen Sozialisationen, Erfahrungen und Erwartungen beispielsweise hinsichtlich der Zuständigkeiten und Weisungsbefugnisse in Interaktion, was wiederum einen Einfluss auf die Kommunikation und Zusammenarbeit haben kann (Wild und Ewers 2017; Rice et al. 2010; Clark 2014).

Zur Erklärung des Phänomens kann als theoretischer Ausgangspunkt einerseits eine soziologische Perspektive eingenommen werden. Diese dient dazu, die Informationsübermittlung und Sprache als soziale Handlung zu beschreiben. Andererseits kann die psychologische Perspektive hinzugezogen werden, welche die Interaktion und damit u. a. die auf die Kommunikation einflussnehmenden Prozesse und Ergebnisse fokussiert (Elzer und Sciborski 2007; vgl. auch Walkenhorst und Heinzelmann 2019).

3.2 Kommunikation im interprofessionellen Kontext

Die Kommunikation speziell in der Gesundheitsversorgung wird in Deutschland seit den 1980er-Jahren insbesondere im Feld der Gesundheitskommunikation beforscht (Reifegerste 2019). Die Gesundheitskommunikation unterscheidet verschiedene Ebenen, wie z. B. die interpersonale Ebene (Mikroebene) und Organisationsebene (Mesoebene), die sowohl die persönliche Kommunikation zwischen Klient:in und Leistungserbringer:in (z. B. Anamnesegespräche, Diagnoseerläuterungen oder Therapiezielgespräche) als auch Angehörige und das therapeutische oder pflegerische Team miteinschließt.

Kommunikation im interprofessionellen Kontext wird u. a. erforderlich, wenn Angehörige mindestens zweier unterschiedlicher Professionen interprofessionell miteinander arbeiten (Gerber und Rüefli 2021). Interprofessionelle Zusammenarbeit bedeutet, dass die Angehörigen verschiedener Berufsgruppen (regelmäßig) zusammenkommen, ihre Perspektiven in Bezug auf eine/n Klient:in einbringen, austauschen und die Behandlung vor dem Hintergrund gemeinsamer Ziele in enger Abstimmung, unter Nutzung der jeweiligen Expertise, planen und durchführen. Die Rollen der Beteiligten sind klar definiert, die professionellen Perspektiven und Expertisen ergänzen sich jeweils und werden in der Weise zusammengeführt, dass ein umfassendes Verständnis der Problemlage sowie ein größtmöglicher Nutzen für den/die Klient:in entsteht, den eine Berufsgruppe isoliert nicht hätte erreichen bzw. ermöglichen können (Barr et al. 2005; Reeves et al. 2010; Gerber und Rüefli 2021).

Die Art und Weise sowie die Anlässe der Kommunikation zwischen den Angehörigen verschiedener Professionen werden nach formellen und informellen Kommunikationsanlässen differenziert. Unter formeller Kommunikation werden regelmäßig stattfindende, geplante Treffen von Angehörigen verschiedener Professionen beispielsweise in Form von Teammeetings oder Fallbesprechungen verstanden (Kraft et al. 2014). Ungeplante, spontane Kommunikationsanlässe hingegen „zwischen Tür und Angel“, „auf dem Flur“ und „zwischendurch“ werden als informell bezeichnet. Diese spielen im berufspraktischen Alltag quantitativ und qualitativ eine große Rolle für die Beteiligten. González-Martínez et al. (2016) identifizieren den Austausch im Rahmen kurzer Treffen auf dem Flur oder im Treppenhaus als Mikrobriefings. Diese informellen Mirkobriefings finden außerhalb des Behandlungs- und/oder Patient:innenzimmers statt. Auch die Informationsmitteilung an Klient:innen und die Weitergabe dieser Informationen wiederum durch die/den Klient:in an andere, entsprechend involvierte Professionen, werden als informelle Situationen klassifiziert (Sinclair et al. 2009).

Im Zentrum interprofessioneller Zusammenarbeit steht meist die interpersonale oder dialogische Kommunikation. In dieser dominiert der verbale Austausch, der Dialog, zwischen zwei Individuen unterschiedlicher Professionen oder zwischen zwei Gruppen. Ein Dialog, von griechisch diálogos, bedeutet „Unterredung, Gespräch“ (Duden 2022), der zwischen den Teilnehmer:innen stattfindet. Teilnehmer:innen sind Person A (Kommunikator:in) und Person B (Kommunikant:in), die mittels sprachlicher Zeichen Informationen und Meinungen austauschen bzw. empfangen.

Interaktion im interprofessionellen Kontext bedeutet vor diesem Hintergrund, dass sich Angehörige einer Profession zunächst im Austausch mit der jeweils anderen Profession befinden. Ziel der Interaktion ist u. a. eine Konsensfindung, beispielsweise mit Blick auf eine optimierte Behandlungsplanung. Eine zielgerichtete Interaktion umfasst somit den Informationsaustausch, die Verständigung hinsichtlich der professionsspezifischen Aufgaben- und Verantwortungsbereiche, die Abstimmung und Koordination der Arbeitsschritte und Arbeitsweise sowie die Konsensfindung in Bezug auf Evaluationskriterien.

Schließlich findet Interprofessionelle Kommunikation im Rahmen unterschiedlicher Anlässe statt. Unterschieden werden asynchrone und synchrone Situationen. Asynchrone Situationen erfolgen zeitversetzt, beispielsweise in Form von Informationsaustausch via Whiteboard. Eine synchrone Situation zeichnet sich durch die Kommunikation in Echtzeit aus, beispielsweise im Rahmen von Besprechungen oder Übergaben (Conn et al. 2009). In diesen kann die Kommunikation grundsätzlich über verschiedene Kanäle (nonverbal, verbal und paraverbal) erfolgen (vgl. auch Darstellung in Walkenhorst und Heinzelmann 2019).

Kommunizieren verschiedene Professionen miteinander, unterscheiden sich deren Kommunikationsstile. So zeigen Foronda et al. (2016) in einem Review, dass Pflegende einen ausführlichen, beschreibenden Sprechstil anwenden, während Mediziner:innen einen eher prägnanten, kurzen Berichtstil aufweisen. Aufgrund unterschiedlicher Kommunikationsstile können sich im Rahmen der Zusammenarbeit Barrieren und Missverständnisse mit der jeweils anderen Berufsgruppe und hieraus wiederum Unzufriedenheiten ergeben (ebd.; vgl. auch Darstellung in Walkenhorst und Heinzelmann 2019).

3.3 Voraussetzungen für eine zielführende Kommunikation

Um Informationen nachvollziehbar zu transportieren und entschlüsseln zu können, muss die sprachliche Botschaft oder Position eindeutig und klar formuliert werden (Groothuis 2000). Hierfür bedarf es der Empathie aller Beteiligten sowie gegenseitiger Wertschätzung und Respekts. Den Interagierenden sollte es gelingen, die Reaktion und Interaktion zu beobachten, Gefühle wahrzunehmen, zuzuhören, eigene Standpunkte nachvollziehbar zu formulieren sowie Feedback zu geben. Die Kommunikation erfordert demnach die Fähigkeit zur Perspektivübernahme, ein hohes Maß an Reflexivität, Kritikfähigkeit, ein fundiertes Repertoire effektiver Kommunikationsstrategien sowie eine konstruktive Grundhaltung mit Blick auf erforderliche, kollaborative Prozesse (Hannawa 2017).

Auch scheint einem gemeinsamen Rahmen, in dem sich die Interagierenden psychologisch sicher fühlen („psychological safety“, Schein und Bennis 1965), eine tragende Bedeutung zuzukommen. Nur wenn Agierende angstfrei den eigenen Standpunkt, ihre mit dem Thema verbundenen Gefühle ausdrücken und gleichzeitig wertschätzend und respektvoll mit dem Gegenüber interagieren können, kann dieser Raum überhaupt entstehen (in Anlehnung an Groothuis 2000, S 118).

Eine gemeinsame, im interprofessionellen Kontext stattfindende Kommunikation kann den Austausch und die Erklärung von Standpunkten und Meinungen, die gemeinsame Zielfindung und die Berücksichtigung von Wünschen und Vorstellungen der Klient:innen begünstigen (Pollard et al. 2004). Eine gelingende kooperative Versorgung wird außerdem durch die Anwendung einer gemeinsamen Fachsprache, wie z. B. die Anwendung der Terminologie auf Basis der von der WHO entwickelten International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) (o. J.) unterstützt (Ferguson et al. 2009).

Neben den für eine erfolgreiche Kommunikation im interprofessionellen Kontext notwendigen Voraussetzungen und Verhaltensweisen gibt es Faktoren, die diese komplexen Kommunikationssituationen negativ beeinflussen oder stören können. Als solche gelten unterschiedliche Sozialisationen und hiermit einhergehende Wertesysteme und -vorstellungen sowie Erwartungen beispielsweise an Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche. Auch gelten bestehende Hierarchiegefälle und Machtkonstellationen als negative Einflussfaktoren (Paradis 2019; Rice et al. 2010). Zudem können das professionsspezifische Verständnis und die hiermit verbundenen Erwartungen hinsichtlich der Weisungsbefugnis sowie der Zuständigkeiten der eigenen und der anderen Profession/en negative Effekte auf die Kommunikation und Zusammenarbeit haben (Nair und Wade 2003; Thiessen et al. 2013; Rice et al. 2010).

Als weitere Hindernisse sind das Fortbestehen professionellen Nebeneinanders, ein auf die Wert- und Normvorstellungen der eigenen Profession reduziertes Denken und Handeln, Personalmangel, hohe Personalfluktuationsraten sowie zeitliche und ökonomische Restriktionen bekannt. Auch werden Informationen jeweils zum Teil vor dem Hintergrund von Klischees (Thiessen et al. 2013) oder der eigenen beruflichen Sozialisation übermittelt und entschlüsselt (Clark 2014). Des Weiteren kann die beispielsweise im Rahmen von Fallbesprechungen stattfindende Kommunikation durch unterschiedliche Sichtweisen auf Zielfindungen, den unterschiedlichen Grad des Einbezugs der Sicht und der Erwartungen der/des Klient:in oder fachliche Dissonanzen gestört werden (D’Amour et al. 2005; Posenau und Handgraaf 2021). Ebenso werden der unterschiedliche Kommunikationsstil der Professionen sowie der Gebrauch einer jeweils unterschiedlichen Fachsprache und/oder Terminologie als weitere mögliche, negative Faktoren auf Kommunikations- und Interaktionsprozesse beschrieben (Koch und Horn 2013).

Im Rahmen von Team- und Fallbesprechungen lassen sich das Zusammentreffen verschiedener Individuen beobachten. Diese sind unterschiedlich beruflich sozialisiert, woraus sich unterscheidende Meinungen und Positionen resultieren. Eine Befragung im Rahmen einer Studie von Nair und Wade (2003) zeigte, dass im Ergebnis ein hoher Anteil der Teilnehmer:innen einer Teambesprechung unzufrieden waren und in der Folge nur passiv teilnahmen. Die Qualität der interprofessionellen Kommunikation im Rahmen solcher Treffen verbesserte sich hingegen, wenn berufsgruppenspezifische Expertise transparent genutzt wurde, eine Rollendefinition stattfand und das Ziel der Behandlung von allen Beteiligten konsentiert wurde (ebd.).

Aufgrund der genannten sozialisationsbedingten, strukturellen und interaktionspsychologischen Einflussfaktoren kann die Kommunikation somit zum Teil erschwert und/oder behindert werden (Lüsebrink 2016; Nadzam 2009). Im Ergebnis können diese Faktoren die Entwicklung von Vertrauen, einer gemeinsamen Teamidentität und dadurch die Entwicklung gemeinsamer Kommunikationsstandards und/oder -kulturen verhindern (White et al. 2018). Das erschwert wiederum eine effektive Zusammenarbeit. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn involvierte Personen, die auf die jeweilige Kompetenz der anderen Person angewiesen sind, eigene oder gegensätzliche Ziele und/oder Interessen verfolgen (Schulz 2010). Sekundär kann sich dies wiederum auf die Festigung angenommener oder tatsächlich etablierter Hierarchien auswirken (Thiessen et al. 2013; Rice et al. 2010).

Abb. 2 verdeutlicht zusammenfassend die Voraussetzungen und Einflüsse auf die Kommunikation der am Versorgungsprozess Beteiligten unterschiedlicher Professionen. Im Rahmen der Verständigung agieren und entscheiden die Beteiligten im Idealfall mit Referenz zum/zur Patient:in. Diese Perspektive gilt sowohl für das Ausbildungssetting als auch für das berufspraktische, interprofessionelle Setting. Die ICF-orientierte Fachsprache kann dabei eine Basis der terminologischen Verständigung bilden. Im Zentrum des Austauschs der Professionen steht der zu versorgende Mensch. Für eine zielführende Abstimmung der optimierten Versorgung bedarf es dabei der gegenseitigen Wertschätzung, des Vertrauens und des Respekts. Innerhalb der interprofessionellen Kommunikation agieren Individuen dabei immer als Angehörige ihrer jeweiligen Profession, vor dem Hintergrund einer Identität als Ergebnis der individuellen, beruflichen Sozialisation und vor dem Hintergrund des jeweiligen Kontextes. Externe und individuelle Ressourcen können je nach Setting und Anlass der Zusammenarbeit stark differieren, was wiederum die Art und den Grad der Zusammenarbeit beeinflussen kann.

Abb. 2
figure 2

Beteiligte und Voraussetzungen der klientenzentrierten Versorgungsplanung und -durchführung (Heinzelmann und Toren)

Die bisherigen Ausführungen beschreiben die Rolle der Kommunikation sowie hierauf einflussnehmende Parameter im interprofessionellen Kontext. Dabei ist von vielfältigen Gesprächssituationen auszugehen, bei denen die verschiedenen Akteur:innen mit unterschiedlichen Intentionen aufeinandertreffen. Um diese Komplexität zu beleuchten, werden im Folgenden Theorien zu Kommunikation und Gesprächen sowie eine theoretische Fundierung von Konzepten der für den interprofessionellen Kontext geeignet erscheinenden Kommunikationsmodelle dargestellt. Dabei handelt es sich um eine Auswahl, die in Bezug auf die interprofessionelle Kommunikation relevant erscheint.

4 Theoretische Aspekte der Kommunikation im interprofessionellen Kontext

4.1 Bezugswissenschaften und Definition

Der Begriff Kommunikation basiert auf dem lateinischen Wort communicatio für „Mitteilung“ oder „Unterredung“. Kommunikation, so die Erkenntnis, ist allgegenwärtig. Eine einheitliche Auffassung, was sie genau beinhaltet oder welche Definition allgemeingültig sein könnte, erscheint aufgrund der Vielschichtigkeit des Konstrukts nicht möglich (Röhner und Schütz 2016; Faßler 1997). Verschiedene Disziplinen formulieren unterschiedliche Theorien zur Kommunikation und dem verwendeten Kommunikationsbegriff, sodass eine Annäherung an eine Definition differenziert zu betrachten ist. Während die Soziologie und die Kommunikationspsychologie davon ausgehen, dass Kommunikation ein sozialer Prozess ist, dominiert in der Sprachwissenschaft das Verständnis, dass Sprache als Medium im Kommunikationsprozess fungiert. Die Kommunikationswissenschaft wiederum untersucht, durch wen und über welche Medien und Kanäle Informationen, Daten und Bilder übertragen werden. Grundsätzlich geht es in der Kommunikation von Menschen und somit auch bei Vertreter:innen unterschiedlicher Professionen um die Übermittlung von Informationen. Doch so heterogen die Professionen bzw. die Akteur:innen sind, die sich an den unterschiedlichsten Kommunikationsmomenten mit und über Patienten:innen beteiligen, so heterogen und individuell sind auch die Sichtweisen auf und die Annahmen über das Thema Kommunikation. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass den verschiedenen Gesundheitsberufen unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen zugrunde liegen. So treffen Akteur:innen aufeinander, die aufgrund ihrer Ausbildung und Berufspraxis unterschiedlich beruflich sozialisiert sind und vor dem Hintergrund ihrer wissenschaftlichen Disziplin unterschiedliche Kommunikationsstile mitbringen.

Eine gemeinsame soziale Umgebung, z. B. durch den Anlass der interprofessionellen Zusammenarbeit, sowie der Einfluss der jeweiligen Berufskultur, bilden den Kern der Kommunikationsdefinition in der Sozialpsychologie:

„[…] Sprache wird als Kommunikationssystem geformt und von der Kultur beeinflusst, in der sie gesprochen wird. Sobald Menschen miteinander interagieren, entwickeln sie unweigerlich ihre besonderen Sprachcodes. […]“ (Forgas 1999, S. 117).

Je mehr gemeinsames Wissen sowie Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster Angehörige einer Kultur (auch einer Fach- oder Berufskultur) teilen, desto mehr Einzelheiten wie Wörter und Erklärungen für Situationen/Sachverhalte oder Umschreibungen von Begriffen können in der verbalen Kommunikation ausgelassen werden. Ein großer Teil einer Botschaft wird dann nur angedeutet und kann dennoch von den Mitgliedern einer (Berufs-)Gruppe verstanden werden. Die gemeinsame soziale Umgebung kann somit die Herausbildung eines Gruppenjargons fördern und dazu beitragen, eine soziale Gruppe zu definieren (Forgas 1999). Bezogen auf die Gesundheitsberufe entwickelt demnach jede Profession ihren eigenen Gruppen- bzw. Berufsjargon. Der in der beruflichen Vertrautheit entstandene Sprachcode der einzelnen Professionen kann dazu beitragen, dass man sich einer Profession zugehörig fühlt. Gleichzeitig kann der verwendete Sprachcode einer Profession wiederum für eine andere Profession unverständlich sein und somit zur Ausgrenzung führen. In den einzelnen Fachkulturen symbolisiert die Kenntnis des genutzten Jargons also das Wissen und den Wert einer bestimmten Berufsgruppe und kann dadurch statusbildend wirken (Huber 2013; Multrus 2005).

Eine weitere Bezugswissenschaft für Gesundheitsberufe bildet die Kommunikationspsychologie. Bezieht ein Gesundheitsberuf sein Verständnis von Kommunikation aus der Kommunikationspsychologie, dann ist von Interesse, WER WAS zu WEM WIE sagt. Die sog. „Lasswell-Formel“ (Traut-Mattausch und Frey 2006, S. 536) verdeutlicht das:

„Sowohl verbal als auch nonverbal geben wir bewusst oder unbewusst weiter, was wir meinen, denken oder fühlen. An diesem Prozess sind nach Harold Lasswell folgende Komponenten beteiligt: (1) Wer (Sender) (2) sagt was (Nachricht) (3) zu wem (Empfänger) (4) womit (Zeichensignal) (5) durch welches Medium (Kanal) mit (6) welcher Absicht (Intention) und (7) mit welchem Effekt (Reaktion des Empfängers)?“ (ebd.)

Im interprofessionellen Kontext lässt sich diese Struktur zur Klärung von Missverständnissen anwenden, wenn z. B. Sender:in und Empfänger:in aufgrund ihres Berufsjargons unterschiedliche Zeichensignale verwenden und diese wiederum unterschiedlich interpretieren. In diesem Fall bedarf es kommunikativer Kompetenz, um aufgekommene Missverständnisse für alle Beteiligten erfolgreich zu klären. Dem Aspekt der kommunikativen Kompetenz widmet sich die Soziologie.

In der Soziologie geht die Betrachtungsweise der Kommunikation auf die Theorie des kommunikativen Handelns (TKH) von Habermas zurück. Nach Habermas (1971, 1981) ist Sprache das Mittel zur sozialen Interaktion und Verständigung innerhalb einer gemeinsamen Lebenswelt. Die Verständigung und der Austausch innerhalb einer Interaktion wiederum können nur gelingen, wenn u. a. normative Grundlagen der Interagierenden angenommen und die sog. Geltungsansprüche aus Sicht der Beteiligten erfüllt sind (ebd.). Nach diesem Verständnis könnte die geteilte Lebenswelt, der gemeinsame Handlungsrahmen – bezogen auf den interprofessionellen Kontext oder die interprofessionelle Schnittstelle – und das Ziel, Expertise auszutauschen und Behandlungsschritte zu konsentieren, als wesentliche Bestandteile interprofessioneller Interaktion bestätigt werden. Die Kommunikation der Akteur:innen im interprofessionellen Kontext findet zum Teil zwar vor dem Hintergrund verschiedener „professionsspezifischer Lebenswelten“ statt. Jedoch ist das übergeordnete Ziel die bestmögliche Versorgung des/der Patient:in mit ihrer/seiner individuellen Fragestellung und den sich hieraus ergebenden Behandlungsschritten. Diese Anforderung an die Beteiligten, eine entsprechende Versorgung zu konsentieren, spiegelt sich in der Kommunikationsdefinition der „Interprofessional Education Collaborative (IPEC)“ wider:

„Communicate with patients, families, communities, and professionals in health and other fields in a responsive and responsible manner that supports a team approach to the promotion and maintenance of health and the prevention and treatment of disease.“ (IPEC 2016, S. 13 f.)

Die Beteiligten verschiedener Professionen kommunizieren also in verschiedenen Settings in unterschiedlichen Konstellationen, mit unterschiedlichen Patient:innen und Bezugspersonen. Die involvierten Akteur:innen agieren dann in verantwortungsvoller Weise, wenn die eigene Perspektive und Expertise zugunsten eines gemeinsamen Ziels und zur Unterstützung des/der Patient:in eingebracht werden. Der empathische und respektvolle Diskurs erscheint hierbei als tragendes Element.

Dafür stehen den Interagierenden verschiedene Kommunikationskanäle und allgemeingültige Gesprächsstrukturen zur Verfügung, die im Folgenden skizziert werden.

4.2 Kommunikationskanäle und Gesprächsstrukturen

Betrachtet man synchrone Kommunikationssituationen, also die Kommunikation in Echtzeit (wie z. B. bei [Fall-]Besprechungen oder Patient:innenübergaben), haben die Gesprächsteilnehmer:innen die Möglichkeit, analog zur o. g. Lasswell-Formel, verbale, paraverbale und nonverbale Kommunikationskanäle zu nutzen (Traut-Mattausch und Frey 2006; Elzer und Sciborski 2007; Walkenhorst und Heinzelmann 2019). Unter die verbale Kommunikation fallen gesprochene Wörter und Sätze, mit denen Inhalte und komplexe Sachverhalte vom „Sender“ zum „Empfänger“ („Sender-Empfänger-Modell“ von Shannon und Weaver 1964) vermittelt werden können. Durch den paraverbalen Kommunikationskanal erhält das verbal Gesagte noch zusätzliche Informationen. Dabei handelt es sich um die Art und Weise, WIE das Verbale gesagt wird. Unter die paraverbale Kommunikation fallen die Sprechstimmlage, die Sprachmelodie und die Betonung, das Sprechtempo und die Sprechpausen, die Lautstärke und der Tonfall (Delhees 1994; Bierhoff und Frey 2006). WIE zum Beispiel eine Pflegekraft die Worte einer zuständigen Ärztin versteht und interpretiert, hängt von der Art ab, WIE die Ärztin die Worte produziert hat, also von der paraverbalen Färbung: „der Patient in Zimmer 101 braucht heute noch einmal und dann 3x täglich 200 mg L-Dopa, bitte“. Je nach Betonung kann derselbe Satz von der Pflegekraft z. B. als Kritik, Vorschlag, Bitte oder Befehl aufgenommen werden. Werden Informationen, Gedanken und Ideen mithilfe von Gestik, Mimik, Körpersprache und ProxemikFootnote 4 übermittelt, handelt es sich um den nonverbalen Kommunikationskanal. Während die paraverbale Kommunikation eng mit dem gesprochenen Wort verknüpft ist, hat die nonverbale Kommunikation die Funktion, das Gesagte zu unterstreichen (Forgas 1999; Röhner und Schütz 2016). Sie kann jedoch auch ohne verbale Äußerungen eingesetzt werden, läuft unbewusster ab als die verbale Kommunikation, kann von emotionalen Motiven beeinflusst sein und lässt sich weniger gut steuern. Für nonverbale Kommunikationszeichen gibt es kaum Anwendungsregeln, dadurch wird sie seltener zielgerichtet eingesetzt, ist oft mehrdeutig und somit vielfältig interpretierbar. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die nonverbale nicht kongruent mit der verbalen Kommunikation verläuft. Verbale Kommunikation hat i. d. R. einen klar wahrnehmbaren Anfang und ein definiertes Ende. Im Gegensatz dazu findet nonverbale Kommunikation statt, solange sich die Kommunikationspartner:innen im Interaktionsraum befinden (Delhees 1994; Forgas 1999; Bierhoff und Frey 2006). Delhees (1994) identifiziert verschiedene Funktionen der nonverbalen Kommunikation. Durch nonverbale Kommunikationszeichen können Mehrdeutigkeiten im kommunikativen Austausch reduziert werden, da die Mitteilung auf mehreren Kanälen geschieht. Nonverbale Zeichen sind oft unbewusst, können aber auch bewusst zum Widerspruch verbaler Kommunikation eingesetzt werden. Durch den bewussten Einsatz kann eine Aussage durch eine gegenläufige nonverbale Geste oder paraverbale Stimmmodulation relativiert werden. Zudem können nonverbale Kommunikationszeichen die verbale Kommunikation ergänzen, betonen und den Ablauf steuern (Delhees 1994). Eine Physiotherapeutin und eine Logopädin arbeiten z. B. gemeinsam an einem Patienten mit Dysphagie. Die Physiotherapeutin richtet in einer Behandlung den Patienten zur Vorbereitung des Schluckens auf und die Logopädin löst das Schlucken einige Male aus. Nach dieser Behandlungseinheit verabschiedet sich die Physiotherapeutin mit den Worten: „Das haben wir zusammen mit dem Patienten sehr gut hinbekommen.“, zieht dabei aber die Augenbrauen hoch und wendet sich mitten im Satz von der Logopädin ab. Im Gegensatz zu den lobenden Worten ist die Botschaft nun eher ironischer, negativer oder kritisierender Natur.

Ebenso vielfältig, wie die Kommunikationskanäle, die Gesprächsteilnehmer:innen nutzen können, sind auch die Möglichkeiten, ein Gespräch zu führen und zu strukturieren. Wird im interprofessionellen Kontext davon ausgegangen, dass es sich um Gespräche verschiedener Professionen mit Klient:innen, wie in einem Entlassungs- oder Beratungsgespräch oder um Fallkonferenzgespräche unter Beteiligung verschiedener Professionen und nicht um reine monologisierte Informationsvermittlung handelt, dann ist es sinnvoll, sich mit Gesprächen und deren Strukturen zu befassen. Ein handlungsleitendes Merkmal ist der Zweck bzw. das Ziel des Gesprächs. In der Regel verfolgt jedes Gespräch ein Ziel. In einem Beratungsgespräch, z. B. zwischen dem Therapeuten und der Stimmpatientin, ist das Ziel die Beratung zur Stimmhygiene. In der Schmerz-Sprechstunde ist das Ziel des Gesprächs, Wege für eine Schmerzreduktion zu finden. Dabei obliegen Gespräche unabhängig von deren jeweiligen Zielen der Eröffnungs-, Kern- und Beendigungsphase. Die Eröffnungsphase dient der wechselseitigen Herstellung von Gesprächsbereitschaft, steckt den Rahmen für das weitere Gespräch ab und formt die Beziehungskonstitution. In der Kernphase kommt das eigentlich anstehende Thema zur Sprache. Die Beendigungsphase beginnt, wenn das Gesprächsthema als abgeschlossen gilt. Typische Bestandteile sind u. a. die Zusammenfassung des Gesprächs und die Verabschiedung (Elzer und Sciborski 2007). Trotz der klaren Gesprächsstrukturen haben die Gesprächsteilnehmer:innen jedoch einen großen Spielraum für die Gestaltung der einzelnen Gesprächsphasen. Laut Deppermann (2008) gestalten die Gesprächsteilnehmer:innen ihren Austausch im Gespräch selbst und erschaffen dabei die jeweilige Wirklichkeit, in der sie leben. Währenddessen verhalten sich die Teilnehmer:innen konstruktiv, indem sie die Gesprächsereignisse aktiv herstellen, dem Gespräch Sinn verleihen und seinen Verlauf organisieren. Hierbei bestehen die Gespräche aus Beiträgen der Teilnehmer:innen, die sich wechselseitig aufeinander beziehen und sich somit interaktiv verhalten (Deppermann 2008). Bezogen auf eine interprofessionelle Fallkonferenz könnten sich diese Merkmale dadurch zeigen, dass die verschiedenen Professionen den anderen Gesprächsteilnehmer:innen aktiv zuhören, das Gehörte mit ihren eigenen Ideen und Zielen abgleichen und dann Bezug nehmend auf das Gehörte einen passenden Gesprächsbeitrag, z. B. im Sinne eines Therapievorschlags, leisten.

4.3 Modelle für Kommunikation

„Kommunikations- und Konfliktfähigkeit setzt die Kenntnis und Nutzung theoretischer Kommunikationsmodelle voraus“ (Höppner und Büscher 2011, S. 15).

Ein speziell die interprofessionelle Kommunikation fokussierendes Modell konnte bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht ermittelt werden. In der Literatur finden sich aber auf Grundlage verschiedener Bezugswissenschaften entwickelte und für den interprofessionellen Kontext passende Kommunikationsmodelle (Röhner und Schütz 2016; Krauss und Fussel 1996).

Zu unterscheiden sind Encoder-/Decoder-Modelle, Intentionsorientierte- und Perspektivübernahmemodelle sowie Dialog-Modelle. Encoder-/Decoder-Modelle wie das Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver (1964) sowie das Vier-Ohren-Modell von Schulz von Thun beschreiben die Kommunikation als einen Prozess der Informationsübermittlung und des Informationsempfangs. Dabei verschlüsselt der Sendende eine innere Repräsentation (Gedanke) in Kodes (mittels verschiedener sprachlicher Kanäle), die vom Empfangenden dekodiert und verstanden werden müssen (Elzer und Sciborski 2007; Röhner und Schütz 2016). Sender:in und Empfänger:in müssen über einen gemeinsamen Kode verfügen, damit sie sich verständigen können, also die gleiche Sprache bzw. das gleiche Zeichensystem verwenden. Im Modell von Schulz von Thun (1981), dem Kommunikationsquadrat, liegt der Fokus auf den vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten einer Nachricht. Schulz von Thun spricht von den vier Seiten einer Nachricht und postuliert damit, dass ein Sendender mit „vier Schnäbeln“ seine Nachricht senden und der Empfangende diese mit „vier Ohren“ hören kann (Röhner und Schütz 2016). Unterschieden werden hierbei der Sachinhalt einer Äußerung (worüber ich informiere), der Appell (wozu ichveranlassen möchte), die Selbstoffenbarung (was ich von mir kundgebe) und die Beziehungsebene (was ich von einer Person halte, wie wir zueinander stehen) (Schulz von Thun 1981; Elzer und Sciborski 2007; Röhner und Schütz 2016).

Anhand des Satzes, den die behandelnde Ärztin zu einer Pflegerin sagt: „Der Patient in Zimmer 101 braucht heute noch einmal und dann 3 x täglich 200 mg L-Dopa, bitte.“, lassen sich die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten darstellen. Hört die Pflegerin den Sachinhalt der Botschaft, fühlt sie sich von der Ärztin lediglich informiert, dass dieses Medikament noch nicht verabreicht wurde. Hört sie die Nachricht mit dem Selbstoffenbarungsohr, könnte sie denken, die Ärztin habe die Veranlassung der Verabreichung vergessen oder sei unsicher bezüglich der Medikamentengabe. Versteht sie die Botschaft als Appell, wird sie das fehlende Medikament sofort besorgen und verabreichen. Auf der Beziehungsebene könnte die Pflegerin, falls sie ohnehin kein gutes Verhältnis zu der Ärztin hat, die Aussage als Kritik verstehen, auch wenn dies von der Ärztin nicht intendiert war. Dieses Beispiel verdeutlicht die Relevanz, dass alle Akteur:innen dieses Modell als Theorie kennen, um das Gehörte nicht falsch zu interpretieren und um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Gesagtes unterschiedliche Ziele verfolgen und vielfältig interpretiert werden kann.

Dialog-Modelle beleuchten die „gemeinsame Wirklichkeit“ zwischen den Kommunikationspartner:innen. Watzlawick et al. (2007) beschreiben fünf Axiome,Footnote 5 die die Merkmale gemeinsamer Wirklichkeitskonstruktion von Dialogpartner:innen kennzeichnen (in Anlehnung an Posenau 2016):

Übersicht

  1. 1.

    Es ist unmöglich nicht zu kommunizieren, Kommunikation geschieht immer.

  2. 2.

    Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei der Beziehungsaspekt den Inhaltsaspekt bestimmt.

  3. 3.

    Kommunikation ist ein Kreislauf aus Ursache und Wirkung.

  4. 4.

    Kommunikation vollzieht sich digital und analog.

  5. 5.

    Kommunikationsabläufe basieren auf der Gleichheit (symmetrisch) oder der Ungleichheit (komplementär) zwischen den Gesprächspartner:innen.

Deutlich wird, dass Kommunikation eine wechselseitige Interaktion ist und immer mehrdimensional stattfindet, wobei das Umfeld und die Gesprächspartner:innen das Verständnis einer Nachricht beeinflussen. Durch die unterschiedlichen Perspektiven kann es zu Missverständnissen kommen.

Intentionsorientierte Modelle fokussieren die Absicht des Sendenden und die erfolgreiche Übermittlung dieser Absicht. Die vor diesem Hintergrund von Grice postulierten Konversationsmaximen (1975, zit. in Röhner und Schütz 2016) umfassen vier Maximen (Quantität, Qualität, Relevanz, Klarheit). Werden diese innerhalb der Kommunikation berücksichtigt, können die Effizienz der Kommunikation gesteigert und die Verständigung gesichert werden. Werden diese Maximen nicht beachtet, können Missverständnisse entstehen.

Im Zentrum der Perspektivübernahmemodelle steht die Bereitschaft des Kommunizierenden, sich in das Gegenüber hineinzuversetzen, dessen Gesagtes und dessen Perspektive nachzuvollziehen und (besser) zu verstehen. Rogers formuliert hierfür Regeln, deren Merkmale Empathie und Wiedergabe des Verstandenen unterstützen (Röhner und Schütz 2016).

Das Wissen um diese Kommunikationsmodelle und das Nutzen dieses Wissens in der tatsächlichen Kommunikation kann dazu beitragen, Missverständnisse schneller zu identifizieren und anhand von erlernten Kommunikationstechniken, zielführend zu beheben. So trägt im interprofessionellen Kontext nicht nur das Kennenlernen der anderen Professionen zu einer besseren Kooperation bei, sondern auch das Wissen und die praktische Anwendung von Kommunikationstheorien, -modellen und -techniken. Sind sich z. B. die Akteur:innen in einer interprofessionellen Fallkonferenz der vier Konversationsmaximen von Grice gewahr, könnte das dazu führen, dass ein für alle Beteiligte relevantes Anliegen quantitativ angemessen, qualitativ sinnvoll und klar kommuniziert wird. Das schließt ein, dass sich die Gesprächspartner:innen ihres eigenen Berufsjargons bewusst werden und auf Grundlage von Reflexionsprozessen ihren sprachlichen Ausdruck entsprechend der Situation, Anforderung und Anwesenden modifizieren und sich somit, analog zu Rogers Perspektivübernahmemodell, (sprachlich) empathisch gegenüber den Angehörigen der anderen Profession verhalten können.

5 Implikationen

Vor dem Hintergrund der dargestellten Erkenntnisse der bisherigen Forschung zum Thema Kommunikation im interprofessionellen Kontext, der theoretischen Grundlagen und Modelle, ergeben sich relevante Aspekte, die bei der Konzeption entsprechender Lehr-/Lernveranstaltungen sowie im berufspraktischen Kontext Beachtung finden sollten.

Zum einen erfordert eine zielführende Kommunikation mit Angehörigen einer anderen Profession die Klarheit des eigenen beruflichen Selbstverständnisses, der eigenen Rolle und Aufgabenbereiche sowie des individuellen Standpunkts (Thistlethwaite 2016; CIHC 2010; Reeves et al. 2013). Zum anderen erfordert das Formulieren einer kongruenten Botschaft den Einsatz verbaler und nonverbaler Symbole, die aufeinander abgestimmt werden sollten. Besitzt der/die Sprecher:in außerdem die Fähigkeit, angstfrei, wertschätzend und respektvoll den Standpunkt zu äußern, kann ein gemeinsamer Raum, im Sinne der psychologischen Sicherheit, etabliert werden. Zu diesem stehen beispielsweise Unsicherheit in Form von verbalem Rückzug in der Interaktion und verbale Aggression im Kontrast. Gelingt es somit, den Interagierenden, dem jeweiligen Gegenüber zuzuhören und wertschätzende Feedbackprozesse zu etablieren, kann auch das Kommunizieren im interprofessionellen Setting als Aspekt sozialer Fertigkeiten verstanden werden. Sie erfolgt in der Inter-Aktion mit dem/der Vertreter:in einer anderen Profession. Eine in diesem Sinne gelingende Kommunikation erfolgt authentisch und wertschätzend, sodass Konflikte gelöst und Kompromisse erzielt werden können (Rogers et al. 2017; CIHC 2010). Damit ist also für das Gelingen der menschlichen, so auch der interprofessionellen Kommunikation, Kommunikationskompetenz von Seiten der Interagierenden notwendig. Eine abschließende Ein- und Abgrenzung des Kompetenzbegriffs kann an dieser Stelle jedoch nicht erfolgen. Je nach kontextbedingter Verwendung und theorierelativer Einordnung lassen sich verschiedene Bedeutungen des Kompetenzbegriffs erkennen (Erpenbeck und Rosenstiel 2007, S. XII; Blömeke 2012). Der vorliegende Beitrag stützt sich auf die pädagogisch-psychologische Perspektive, in der eine Kompetenz dem jeweiligen Kontext zuzuordnen ist. Sie ist somit anforderungsbezogen, erlernbar und weist Stabilität auf (ebd.). Auch die für das interprofessionelle Setting erforderliche kommunikative Kompetenz kann als

„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27 f.) verstanden werden

Die Kommunikation im interprofessionellen Kontext erfordert demnach neben abrufbaren, zielführenden Strategien auch die Bereitschaft zur Kommunikation. Parallel sind ein hohes Maß an Reflexionsfähigkeit und Bewusstheit erforderlich, um zu verstehen, zu welchem Zweck die Interaktion stattfindet und mit welcher Wirkung sie umgesetzt wird. So können konkrete Problemstellungen einvernehmlich und zufriedenstellend gelöst werden.

Mit Blick auf die Linguistik beschreibt Chomsky die Kommunikationskompetenz als die Fähigkeit, auf Grundlage eines begrenzten Inventars (Grammatik und Wortschatz) unendliche Kombinationen von Äußerungen zu produzieren (Erpenbeck und Rosenstiel 2007; Vonken 2005). Übertragen auf die kommunikative Handlungskompetenz im berufspraktischen Kontext kann dies als Fähigkeit verstanden werden, auf Grundlage eines individuell erworbenen Repertoires in einer Anforderungssituation (sprachlich) zielführend und konstruktiv agieren zu können (von der Heyden 2014). Gemäß Habermas ist diese kommunikative Kompetenz dabei das Ergebnis von Reifungs- und Lernprozessen, die sich aufgrund individueller Voraussetzungen und der interaktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt vollziehen (Habermas 1971).

„Wer kompetent zu handeln vermag, verfügt nicht nur über träges Wissen [Wissen, abgekoppelt von dessen Anwendung], sondern ist nachweislich in der Lage, reale Anforderungssituationen zu bewältigen“ (Klieme und Hartig 2007, S. 14).

Dies wiederum verdeutlicht die Notwendigkeit berufspraktisch relevanter Materialien, die die realen Situationen für Lernende simulieren. Somit kann das theoretisch Erarbeitete praktisch erprobt und kommunikative Prozesse reflektiert werden. Dies erscheint insofern besonders wichtig, als interprofessionell Agierende ihr theoretisches Wissen möglichst flexibel und situationsangepasst anwenden können sollten. Die Anforderungen an die Kommunikation sowie die Erwartung an die Professionen mit Blick auf die Herausforderungen der interprofessionellen Kollaboration erscheinen somit hoch. Denn von den zusammenarbeitenden Professionen werden

„[…] ein ausgeprägtes Selbst- und Problembewusstsein, Reflexivität, Ausdrucksfähigkeit, Kritik- und Konfliktfähigkeit, konstruktive Geisteshaltungen und Handlungsweisen sowie konsequente Ergebnisorientierung […]“ (Ewers und Herinek 2019, S. 374)

erwartet. Dieser Anspruch spiegelt sich darin wider, dass interprofessionelles Lehren und Lernen während des Studiums, im Sinne der frühzeitigen Anbahnung notwendiger Fähigkeiten und Kompetenzen, als wegweisend für die erfolgreiche interprofessionelle Zusammenarbeit im Berufsleben angesehen wird (Reeves et al. 2013; CIHC 2010; WR 2012; Sottas et al. 2016; Walkenhorst 2016).

Auf diesem Verständnis basieren verschiedene internationale, kompetenzorientierte Lernzielkataloge,Footnote 6 die Ziele und Inhalte interprofessioneller Ausbildungen beschreiben, strukturieren und kategorisieren. Gefordert werden dabei folgende Kompetenzen:

Übersicht

  • Teamarbeit

  • Rollen und Verantwortlichkeiten

  • interprofessionelle Kommunikation

  • patienten- und gemeindezentrierte Versorgung

  • Reflexion

  • Konfliktlösung

    (vgl. CIHC 2010; Sottas et al. 2013, 2016)

Die genannten Kompetenzen beinhalten demnach sowohl die „interprofessionelle Kommunikation“ selbst als auch andere Kompetenzen, die wiederum im engen Zusammenhang mit der Kommunikationskompetenz stehen. Somit wird die zentrale Bedeutung von „Kommunikation“ bereits im Lehr-/Lernsetting unterstrichen und als zentrales Merkmal erfolgreicher Zusammenarbeit für unterschiedliche Schwerpunktsetzung deutlich.

Vor dem Hintergrund dieser Relevanz sollten mit Blick auf die Gestaltung von Seminaren zur Fort- und Weiterbildung sowie von Lehr-/Lernveranstaltungen zur Förderung der kommunikativen Kompetenzen im interprofessionellen Kontext daher verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, um diese Lehr-/Lernziele nachhaltig zu erreichen. Lernangebote sollten möglichst regelmäßig stattfinden sowie interaktiv gestaltet werden. Ein hohes Maß an Übungs- und Reflexionsmöglichkeit erscheint in diesem Zusammenhang ebenfalls zielführend (Kiessling et al. 2008). Der methodische Zugang sollte über praxis-, handlungs- und simulationsbasiertes Lernen erfolgen sowie handlungs- und kompetenzorientiert gestaltet werden (Sottas et al. 2016). Inhaltlich sollten sich, neben der Vermittlung entsprechender Modelle, auch Aspekte der Konfliktbearbeitung und Problemlösung in der Konzeption widerspiegeln, um der Komplexität und Vielseitigkeit des Konstrukts „Kommunikation“ gerecht zu werden (Foronda et al. 2016). Zu beachten ist hier die inhaltliche und organisatorische Ansprache aller beteiligten Professionen durch übergeordnete und patientenorientierte Ziele unter Berücksichtigung der bestehenden (und gelebten) Diversität der beteiligten Professionen. Die Evaluation der Kommunikationsperformanz sollte jeweils mithilfe valider und reliabler Instrumente erfolgen (ebd.).

6 Ausblick

Die Forderung nach gelingender interprofessioneller Zusammenarbeit mithilfe effektiver Kommunikationsstrategien ist angesichts multipler Herausforderungen im Gesundheitswesen evident. Die Anforderungen an die interprofessionelle Zusammenarbeit und die hierfür erforderlichen Kompetenzen für eine zielführende Kommunikation sind in der Literatur beschrieben, aber es fehlt bislang an einer umfassenden, theoretisch fundierten Grundlage mit Blick auf Kommunikationsprozesse und -phänomene, aus denen sich Komplikationen und mögliche Kommunikationsstrategien ergeben können. Der Beitrag skizziert die für den interprofessionellen Kontext relevanten theoretischen Aspekte und entwirft damit einen Anstoß zur wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung. Eine konsentierte definitorische Annäherung an den Begriff „Interprofessionelle Kommunikation“ steht jedoch noch aus. Neben der ausstehenden wissenschaftstheoretischen Annäherung an das Konstrukt „Kommunikation im interprofessionellen Kontext“, fehlt es im deutschsprachigen Raum auch weiterhin an der Etablierung und Verstetigung entsprechender interprofessioneller Lehr-/Lernformate zur Förderung notwendiger (Kommunikations-)Kompetenzen. Denn während im angloamerikanischen Raum Konsens über die Notwendigkeit interprofessionellen Lehrens, Lernens sowie Kooperierens besteht und sich entsprechende strukturelle Voraussetzungen etabliert haben, findet sich dies im deutschsprachigen Raum eher in Ansätzen. Es gibt zwar eine wachsende Zahl vielfältiger Initiativen und Projekte zur Förderung von Kommunikationskompetenz im interprofessionellen Kontext und die Themen interprofessionelle Ausbildung und Vernetzung stehen auf der Agenda wissenschaftlicher und bildungspolitischer Gremien (Ewers und Walkenhorst 2019, S. 26), jedoch mangelt es an einer konsequenten und breiten politischen Unterstützung. Ebenso finden sich bislang keine flächendeckenden, standardisierten Vorgehensweisen, um Kompetenzen für die interprofessionelle Zusammenarbeit, wie z. B. die Kommunikationskompetenz, nachhaltig zu fördern. Zur Entwicklung einer professionellen Haltung als Grundvoraussetzung für interprofessionelle Zusammenarbeit sowie zur Ausbildung einer nachhaltigen, interprofessionellen (kommunikativen) Handlungskompetenz, erscheint jedoch die Förderung der entsprechenden, interprofessionellen Kompetenzen, insbesondere mit Blick auf eine zielführende Kommunikation, bereits im Ausbildungssetting sinnvoll. Dabei sollten die Lehr-/Lernziele für den Bereich der Kommunikation im interprofessionellen Kontext theoretischen Ursprungs sein sowie an internationale Standards und vorliegende Rahmenwerke anschließen. Inhaltlich-thematisch sollten dabei die betreffenden Professionen, deren berufspraktisches Setting und Anforderungen fokussiert werden, um die berufspraktische Relevanz bereits im Ausbildungssetting abzubilden. Darüber hinaus erscheinen entsprechende Evaluationsmaßnahmen zwecks Aussagen in Bezug auf die Nachhaltigkeit einzelner Formate wünschenswert, nicht zuletzt um relevante Lehr-/Lernziele im direkten Abgleich mit den Anforderungen und Herausforderungen aus dem interprofessionellen, berufspraktischen Kontext entwickeln zu können. Somit würden einerseits dem geforderten Theorie-Praxis-Transfer mit der Entwicklung praxisrelevanter Formate entsprochen und andererseits ein standardisiertes Vorgehen hinsichtlich der Gewährleistung handlungs- und kompetenzorientierter Inhalte entsprechender Lehr-/Lernformate gefördert.