Unser Interview mit Lazar Bulatovic zum Thema Barrierefreiheit auf dem WordCamp Vienna 2024. Lazar betreibt eine Agentur und bietet Beratungsdienste und Benutzertests für Unternehmen zur Umsetzung von barrierefreien Webseiten.

Wie hast du als blinde Person ein Unternehmen gegründet?

Ein eigenes Unternehmen zu betreiben war schon seit meiner frühesten Kindheit mein Traum. Die Idee, nach meinen eigenen Bedingungen zu arbeiten und gleichzeitig anderen zu helfen, hat mich angetrieben. Aufgrund der Schwierigkeiten, den richtigen Job zu finden, und vieler Missverständnisse mit Personalvermittlern in Bezug auf meine Behinderung kam die Unternehmertätigkeit ganz natürlich. Mein erstes Unternehmen drehte sich darum, Menschen zu lehren, wie sie ihre öffentlichen Redefähigkeiten verbessern können. Plötzlich kontaktierten mich Vertreter der WordPress-Community. Sie fragten mich, ob ich nicht als Speaker auftreten könnte, um einem breiteren Publikum zu erklären, wie Einschränkungen das tägliche Leben von Menschen mit Behinderungen beeinflusst. Nachdem ich einige Kunden gewonnen hatte, wechselte ich meine Rolle. Vom öffentlichen Sprechen zum Thema Accessibility (Barrierefreiheit), wurde ich zum Berater mit nur einem Ziel:

Unternehmen dabei zu helfen, ihre Websites behindertenfreundlich zu gestalten und durch Zugänglichkeit ihren Gewinn zu steigern.

Ich gründete ein Team mit fünf Accessibility-Experten, und der Rest ist Geschichte.

Du berätst Unternehmen und bewertest Websites hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit. Wie gehst du dabei vor?

In drei Schritten:

  1. Ich identifiziere die Kernseiten der Website, die getestet werden sollen.
  2. Ich führe ein umfassendes Audit nach den neuesten Accessibility-Standards und für alle Arten von Behinderungen durch. Die Kunden erhalten dann einen vollständigen Bericht. Dieser enthält jedes Zugänglichkeitsproblem, zusammen mit detaillierten Anweisungen und Code-Beispielen, wie sich diese Zugänglichkeitsprobleme beheben lassen.
  3. Die Abschlussprüfung. Diese soll sicherzustellen, dass der Kunde die maximal mögliche Barrierefreiheit nach den Empfehlungen erreicht. Ist dies der Fall, erhalten sie ein offizielles, rechtlich gültiges Zertifikat, das die höchstmögliche Stufe an Barrierefreiheit bestätigt.

Ich biete auch andere Dienste an, wie zum Beispiel: Benutzbarkeitstests für Blinde, komplette Servicepakete und Accessibility-Workshops.

Gibt es in Bezug auf die Barrierefreiheit Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Websites? Zum Beispiel: Online-Shops (E-Commerce), Online-Banking, Informationsseiten (Blogs), Nachrichtenportalen / Nachrichtenseiten, Soziale Medien etc.?

Ehrlich gesagt nein. Die meisten Websites haben ähnliche Zugänglichkeitsprobleme, unabhängig von der Branche. Aber die Webseiten unterscheiden sich in ihrer Komplexität. Das macht die Probleme tatsächlich mehr oder weniger schwierig zu beheben.

Was sind die größten Schwierigkeiten für blinde oder sehbehinderte Menschen?

  • Dynamische Karussells;
  • Nicht beschriftete Bearbeitungsfelder, Kontrollkästchen, Links und Schaltflächen;
  • Bilder oder Videos, die wichtige Informationen übermitteln, ohne angemessene Alt-Texte und Beschreibungen;
  • Alarmmeldungen und Fehler, die angezeigt, aber nicht vorgelesen werden;
  • Das Fehlen erforderlicher Attribute in Formularen.

Um nur einige Punkte zu nennen.

Welche Empfehlungen hast du zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Webseiten?

Beauftrage externe Accessibility-Berater! Du kannst auch digitale Zugänglichkeit als Teil der Diversitäts- und Inklusionspolitik in deiner Organisation verankern.

Wenn dies nicht machbar ist, konzentriere dich auf die Schlüsselbereiche deiner Website, wie Bestellformulare, interaktive Elemente, Videos und Bilder. Suche nach kostenlosen Artikeln darüber, wie du diese Bereiche zugänglicher machen kannst, und fange damit an.

Welche Rolle spielen Communities und Netzwerke bei der Förderung von Barrierefreiheit?

Sie spielen eine entscheidende Rolle, insbesondere wenn es darum geht, das Verständnis für dieses Thema unter Entwicklern zu fördern. Wir müssen auch herausfinden, wie wir Entscheidungsträger in Unternehmen für diese Fragen sensibilisieren können. Meetups, Konferenzen und verschiedene Veranstaltungen in Kombination mit Social-Media-Inhalten über die Vorteile von Barrierefreiheit sind hier die treibende Kraft. In den letzten Jahren gibt es immer mehr Initiativen dazu. Das ist ein gutes Zeichen.

Engagierst du dich selbst in einer Community?

So oft wie möglich. Meistens durch Vorträge zum Thema Barrierefreiheit, die ich auf verschiedenen Veranstaltungen halte.

Wie können Unternehmen eine barrierefreie Webstrategie entwickeln?

Zunächst sollten sie eine Person für diese Aufgaben gewinnen, die für das Thema verantwortlich ist und einen digitalen Zugänglichkeitsplan erstellen.

Sobald der Online-Auftritt barrierefrei ist, ist es entscheidend, dass alle Entwickler die richtige Schulung erhalten. Dies stellt sicher, dass die Webseite auch bei zukünftigen Inhalten barrierefrei bleibt.

Obwohl die Umsetzung von Barrierefreiheit kostspielig erscheinen mag, zeigen Statistiken die eindeutigen Vorteile:

Welche Schulungen und Ressourcen stehen Entwicklern zur Verfügung?

Wenn du mehr über Zugänglichkeit erfahren möchtest, hier sind einige Ressourcen, die Entwicklern den Einstieg erleichtern:

Welche Tools stehen zur Verfügung, um die Barrierefreiheit einer Website zu überprüfen?

Es gibt viele davon. Aber beachte, dass automatisierte Tools in der Regel nur bis zu 40 % der Zugänglichkeitsprobleme finden können. Nichts übertrifft manuelle Tests und Benutzbarkeitstests. Hier sind einige der beliebtesten:

Welche Kommunikationsmedien verwendest du? Und wie barrierefrei sind diese?

In meiner Erfahrung ist LinkedIn die zugänglichste Social-Media-Plattform. Die Interaktion mit Beiträgen ist sehr intuitiv. Die meisten Google-Produkte sind sehr zugänglich, mit hervorragenden Unterstützungsagenten für Menschen mit Behinderungen. Zoom ist ebenfalls sehr behindertengerecht und bietet viele Tastenkürzel, was diese App zu meiner Top-Wahl für Online-Meetings macht.

Vielen Dank für das Gespräch Lazar und noch viel Spaß auf dem WordCamp Vienna!

Wolf-Dieter Fiege

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