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Gastbeitrag von Gabor Steingart: Ein Land im Stillstand: 5 Punkte zeigen, wie Politik an den Menschen vorbeigeht
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    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Die Bundesregierung während ihrer Halbzeit-Klausur im Sommer.
Michael Kappeler/dpa Die Bundesregierung während ihrer Halbzeit-Klausur im Sommer.
  • Gastautor (Berlin)

Die Alte Welt geht, aber nicht so schnell wie gedacht. Das Neue kommt, aber es flaniert. Die Mächte der Beharrung haben auf fünf verschiedenen Feldern wichtige Punktsiege zu vermelden.

Der von Politikern bewohnte Sehnsuchtsort ist die Zukunft. Die Lieblingsworte auf Plakaten und Parteiprogrammen sind „der Fortschritt“ und „die Moderne“.

Die Bürger haben es nicht ganz so eilig. Sie bevorzugen ein Leben im Hier und Jetzt. Ihr Lieblingsort heißt Gegenwart und der Zustand, den sie am meisten schätzen, ist die Normalität, also ein Leben, wie es immer war.

Alles Tun und Treiben auf Erden ist daher ein ewiges Ringen zwischen den Schwerkräften der Gemütlichkeit und den Fliehkräften der Veränderung. Wobei die medial befeuerte Angst vor Atomkrieg, Klimakatastrophe, Artensterben, Wasserknappheit und Überbevölkerung – anders als von den Angstverkäufern gewünscht – den Kräften der Veränderung nicht förderlich ist. 

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Die Mächte der Beharrung haben auf den unterschiedlichsten Feldern in diesen Tagen wichtige Punktsiege zu vermelden.

#1 Elektromobilität stockt

Die so hoffnungsvoll gestartete Elektromobilitäts-Offensive ist ins Stocken geraten. Die Zuwächse bei den Neufahrzeugen haben an Dynamik verloren, weshalb Leihwagenfirmen wie Sixt und Hertz ihre Elektro-Flotte reduzieren. Die Mercedes-Benz AG hat die Entwicklung seiner neuen reinrassigen E-Auto-Architektur fürs Erste auf Eis gelegt.

#2 Das fossile Zeitalter lebt fort

Wirft man einen Blick auf die Aktien der größten Öl-Konzerne dieser Welt, dann ist von einer Energiewende keine Spur. In den vergangenen fünf Jahren sind die Papiere der größten US-Ölkonzerne ExxonMobil, Chevron Corporation und ConocoPhillips, jeweils um rund 60, 40 bzw. 100 Prozent gestiegen. Die Börse setzt auf fossile Energieträger.

Die fossilen Energien – obwohl ihre Rolle bei Luftverschmutzung und Erderwärmung bewiesen ist – konnten ihre Dominanz also verteidigen. Dr. Jens Ehrhardt, Vermögensverwalter und Pioneer-Aufsichtsrat, schreibt in der Finanzwoche:

„Die deutsche Diskussion um saubere Energie ist, wenn man sich den Energiemix auf globaler Ebene anschaut, eine verzerrte Wahrnehmung. Weltweit spielt Clean Energy noch keine wirkliche Rolle.“

#3 Die Flugzeugindustrie hebt ab

Die Flugzeugindustrie ist eine Erfolgsstory, die von der Corona-Pandemie zwischenzeitlich nur gebremst, aber nicht gestoppt wurde. „Zu reisen ist zu leben“, sagte bereits der Märchenerzähler Hans Christian Andersen.

Und so zog auch nach der Pandemie die Nachfrage nach Flugangeboten sprunghaft wieder an. „Eine so deutliche Abweichung der realen Nachfrage gegenüber den Planungen und Vorhersagen ist beispiellos“, sagte der Präsident der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Jost Lammers, voller Freude.

Die Anzahl der weltweiten Flüge stieg seit 2004 um etwa 70 Prozent auf prognostizierte 40 Millionen Flüge 2024.

#4 Die klassische Rüstungsindustrie boomt

Trotz verstärkter Drohnenproduktion und den ersten Hinweisen auf einen Cyberwar profitiert vor allem die klassische Rüstungsindustrie von einer Welt in Unordnung. Bei den großen Rüstungsherstellern Rheinmetall, Lockheed Martin und BAE Systems laufen derzeit die Produktionsbänder und die Aktienkurse heiß. Rheinmetall legte an der Börse seit 2020 um mehr als 400 Prozent zu.

#5 Gold schlägt Technologie-Aktien

Der Goldpreis steigt und steigt, mit 2.359 Dollar je Unze liegt er auf einem Allzeithoch. Bei steigenden Zinsen, die Staatsanleihen eigentlich attraktiver machen sollen, läuft das Edelmetall gegen den Trend. Seit 2000 schoss der Goldpreis um rund 730 Prozent in die Höhe. Zum Vergleich: Der Nasdaq hat sich seitdem nur um etwa 300 Prozent nach oben bewegt.

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Fazit: Die Alte Welt geht, aber nicht so schnell wie gedacht. Das Neue kommt, aber es flaniert. Es nimmt Rücksicht auf unsere Sehnsucht nach Geborgenheit im Gewöhnlichen. Oder wie Simone de Beauvoir einst schrieb: „Das Glück ist in den Gewohnheiten des täglichen Lebens eingebacken.“

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