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Einer von Merkels seltenen Auftritten - ausgerechnet auf einer Feier für einen Grünen

Lange nicht mehr gesehen: Die deutsche Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) war in Berlin zu Gast bei einer Feier für Jürgen Trittin (li.)
Lange nicht mehr gesehen: Die deutsche Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel (Mitte) war in Berlin zu Gast bei einer Feier für Jürgen Trittin (li.)APA / dpa / Britta Pedersen
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Die deutsche Ex-Kanzlerin genoss sichtlich ihren Auftritt bei der Abschiedsfeier für die Grünen-Legende Jürgen Trittin. Der streitbare Politiker hatte sein Bundestagsmandat mit Jahreswechsel zurückgelegt und für die Abschiedsfeier Merkel als Rednerin gewonnen.

Eigentlich ging es um den Abschied einer wahren grünen Legende. Der ehemalige Umweltminister und Parteichef der Grünen, Jürgen Trittin, hatte schon zu Jahreswechsel sein Bundestagsmandat zurückgelegt. Sein Wunsch, dass ausgerechnet Angela Merkel, ehemalige Bundeskanzlerin und Chefin der CDU, eine Rede bei seiner Abschiedsfeier in der grünen Fraktion halten sollte, zögerte eben diese Feier ein wenig hinaus. Denn Merkel nahm zuletzt keine öffentlichen Termine wahr. Sie sei mit dem Schreiben ihrer Memoiren beschäftigt.

Am Montag war Merkel dann erstmals seit längerer Zeit wieder im Berliner Regierungsviertel zu sehen. „Es war die Art von Einladung, der ich jetzt, nachdem ich eben keine politischen Ämter mehr innehabe, folgen wollte“, sagte Merkel laut einem Bericht des „Spiegels“ in ihrer Laudatio auf Trittin. „Sie reizte mich, und ich sagte zu.“ Merkel und Trittin verbindet eine lange politische Karriere - beide werden 2024 70 Jahre alt. Eine gemeinsame Regierungszeit gab es nicht. Verhandlungen über eine schwarz-grün-gelbe Regierung mit der FDP scheiterten am Widerstand von FDP-Chef Christian Lindner, dem jetzigen Finanzminister.

Merkel zitierte in ihrer Rede auch mehrere Verbalattacken Trittins auf sie. Noch im Dezember habe dieser in seiner letzten Rede vor der Fraktion zu, es läge an den Abgeordneten 16 Jahre Merkel aufzuarbeiten. „Nun steht sie hier vor Ihnen, die Verursacherin des Erbes“, sagte Merkel am Montag in spöttischem Tonfall.

Parteiübergreifender Respekt für Trittin

Aber es gab natürlich auch Wortspenden von Parteigranden der Grünen. Vizekanzler Robert Habeck würdigte Trittin am Montag in Berlin als mutigen, streitbaren und immer überzeugten Kämpfer für Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Gerechtigkeit. Es sei gut, dass Trittin auch parteiübergreifend Respekt bezeugt werde.

Trotz harter Auseinandersetzungen in der Sache wüssten Politiker, dass am Ende alle aus Überzeugung heraus fürs Gemeinwohl stritten, sagte Habeck. „Und deswegen freue ich mich besonders, dass Angela Merkel ihm die Ehre gibt. Und ich weiß, dass er sich darüber auch freut. Das ist doch ein schönes Zeichen.“

Die Veranstaltung am Abend im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus war nicht öffentlich, die Teilnahme Merkels hatten die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge bereits Mitte April bestätigt.

Trittin seit Jahreswechsel nicht mehr im Bundestag

Trittin hatte im Dezember angekündigt, sein Bundestagsmandat niederzulegen. Anfang Jänner schied er nach rund 25 Jahren aus dem Parlament aus. Von 1998 bis 2005 war er Umweltminister. Merkel war Trittins Vorgängerin in diesem Amt von 1994 bis 1998. In den vergangenen Jahren trat Trittin vor allem als Außenpolitiker in Erscheinung. Im Juli feiert er seinen 70. Geburtstag.

Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte auf die Frage, was er von Trittin gelernt habe: „Mit allen Wassern gewaschen sein.“ Auch er lobte die „schöne Geste“, dass man parteiübergreifend Respekt füreinander habe. Die Unterschiede zwischen den demokratischen Parteien seien jeweils viel kleiner als zu den „Deutschlandhassern, Putin-Fans und Erdogan-Fans“, die das Land verrieten und verkauften.

Umweltministerin Steffi Lemke sagte, Trittin habe für den Umwelt-, Natur- und Klimaschutz viel geleistet. Ausgezeichnet hätten ihn „große Stringenz, große Eloquenz und auch Härte“.

Merkels Memoiren erscheinen im November

Die Memoiren der früheren deutschen Bundeskanzlerin Merkel sollen am 27. November in mehr als 30 Ländern erscheinen. Das Buch heiße „Freiheit. Erinnerungen 1954 - 2021“, teilte der Verlag Kiepenheuer & Witsch am Montag mit. Das Buch schrieb Merkel mit ihrer langjährigen politischen Büroleiterin Beate Baumann. Es soll ihre Zeit in der DDR als auch im wiedervereinigten Deutschland umfassen.

Das Thema „Freiheit“ habe sie ihr Leben lang beschäftigt, zitierte der Verlag die frühere Kanzlerin. Dies gelte politisch, weil es „es ohne Demokratie keine Freiheit, keinen Rechtsstaat, keine Wahrung der Menschenrechte“ gebe. Sie habe aber auch persönlich ihre Grenzen testen wollen. „Freiheit ist für mich, nicht aufzuhören zu lernen, nicht stehenbleiben zu müssen, sondern weitergehen zu dürfen, auch nach dem Ausscheiden aus der Politik“, wurde die 69-Jährige zitiert.

Merkel hatte sich 2021 nach 16 Jahren Regierungszeit weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Im April 2023 wurde sie von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem „Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung“ ausgezeichnet. An dem CDU-Parteitag in der vergangenen Woche nahm die frühere Parteivorsitzende nicht teil. Umso bemerkenswerter ihre Rede bei der Feier für Jürgen Trittin. (APA/dpa)

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