Das Bild zeigt die geplante Hafensiedlung Jaumur am Golf von Akaba
Neuzugang für Neom: Jaumur soll Platz für bis zu 6.000 Einwohnerinnen und Einwohner bieten.
NEOM

Neom gilt als eines der größten Bauprojekte der Gegenwart. Für kolportierte 1,5 Billionen Dollar plant Saudi-Arabien eine Art Utopia auf Sand zu bauen. Das wohl bekannteste vieler Teilprojekte ist eine linienförmige Mega-Stadt namens "The Line", die sich wie zwei (extrem) langgezogene Wolkenkratzer 170 Kilometer durch die Wüste ziehen soll. Jetzt kündigten die Verantwortlichen von Neom recht überraschend "Jaumur" an: Hinter dem neuen Bauvorhaben steckt eine Luxus-Oase für Superreiche, die bevorzugt mit Yachten angesteuert werden dürfte.

Die Anlage, die auf den ersten Blick aussieht, als wären ein paar Sandcrawler aus "Star Wars" in einen Containerhafen gekracht, soll künftig - am Golf von Akaba gelegen – bis zu 6.000 gut betuchte Einwohnerinnen und Einwohner beherbergen. Läuft alles nach Plan, soll das Projekt 500 Apartments und 700 Luxusvillen in einer modernen Marina umfassen, die jeweils direkten Zugang zum Wasser und private Liegeplätze bieten. Außerdem sind zwei Hotels geplant, die jeweils 350 Zimmer und Suiten bereithalten.

Das Bild zeigt die geplante Hafensiedlung Jaumur am Golf von Akaba
Markante Skyline: Hat da jemand "Sandcrawler" gesagt?
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Ausdrücklich betont wird in der offiziellen Beschreibung zu Jaumur der Yachthafen, der extra für die "weltweit größten" Superyachten konzipiert sein soll. Über den größten Liegeplätzen soll sich auch ein 1,5 Kilometer langer Flügel erstrecken, der den Luxusobjekten Schutz bietet. Neben architektonischen und kulturellen Highlights werden für Jaumur zudem besondere Bildungseinrichtungen versprochen. So soll ein Tiefseeforschungszentrum Expertinnen und Experten für Meeresbiologie und ökologische Studien anziehen - mit dem Ziel, Neom auch in ein weltweit führendes Zentrum für ozeanographische Forschung zu verwandeln.

Nur eines von vielen Teilprojekten

Neom ist ein umfassendes Entwicklungsprojekt in Saudi-Arabien, das von Kronprinz Mohammed bin Salman im Rahmen der "Vision 2030" initiiert wurde. Das Ziel dieser Initiative ist es, die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes vom Ölsektor zu mindern. Neom erstreckt sich über eine Fläche von 26.500 Quadratkilometern im Nordwesten Saudi-Arabiens und umfasst Küstengebiete am Roten Meer und - wie Jaumur - am Golf von Akaba.

Das Bild zeigt die geplante Hafensiedlung Jaumur am Golf von Akaba
Jaumur ist nur eines von vielen Projekten im Rahmen der saudischen "Vision 2030".
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Das Projekt ist als Netzwerk von verschiedenen spezialisierten Zonen konzipiert, von denen jede auf fortschrittliche Industrien und Technologien ausgerichtet ist. Geplant ist die Implementierung von smarten Städten, die durch den Einsatz modernster Technologien in den Bereichen Energie, Wasser, Mobilität, Biotechnologie, Lebensmittelproduktion und Digitaldienste, neue Maßstäbe für eine Gesellschaft der Zukunft setzen sollen. Die Städte sollen besonders umweltfreundlich sein und hauptsächlich auf erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft zurückgreifen.

Neom in ersten Turbulenzen

Das steht in starkem Widerspruch zur gegenwärtigen Entstehung. Neom hat nämlich auch Kontroversen ausgelöst, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit den ursprünglichen Bewohnern des Gebiets. Berichte deuten darauf hin, dass saudische Behörden angeblich die Anwendung von Gewalt autorisiert haben, um Bauland für die Projekte freizumachen.

Die Ankündigung zu Jaumur kommt auch deshalb überraschend, weil es zuletzt geheißen hat, dass Neoms Vorzeigeprojekt "The Line" mit ersten baulichen Schwierigkeiten zu kämpfen habe. War ursprünglich geplant, dass bis 2030 etwa 1,5 Millionen Menschen in der Mega-City leben sollten, deuten neue Informationen darauf hin, dass bis dahin "nur" 2,4 Kilometer der Stadt fertiggestellt sein werden. Das würde zu einer erheblichen Senkung der prognostizierten Einwohnerzahl auf unter 300.000 Menschen führen. Mindestens ein beteiligtes Unternehmen soll aufgrund dieser Planänderungen bereits mit der Kündigung von Mitarbeitern begonnen haben.

Nicht genug Sand zum Bauen?

Außerdem dürfte Neom vor dem Problem stehen, das auf den ersten Blick paradox klingt: In der Wüstenregion wird der Sand knapp. Das liegt daran, dass nicht jeder Sand auch für Bauzwecke geeignet ist. Wie golem.de in diesem Zusammenhang berichtet, seien die meisten Wüstensande nicht optimal für die Herstellung von Beton. Beton erfordere eine Mischung verschiedener Korngrößen, von fein bis grob, um eine hohe Festigkeit zu gewährleisten. Die vorherrschenden Sande in der Wüste hingegen führen zu einer schlechten Verarbeitbarkeit des Betons und erfordern unverhältnismäßig viel Bindemittel, um die Struktur zu stabilisieren.

Aufgrund des enormen Umfangs von "The Line" werden zudem massive Mengen an Baustoffen benötigt. Da nur etwa fünf Prozent des weltweit verfügbaren Sandes für Beton geeignet seien, entsteht ein Wettbewerb um diese Ressource, die auch von Industrienationen stark nachgefragt wird. Dies führe nicht nur zu einer Verknappung, sondern auch zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsproblemen, da der Sandabbau häufig ökologisch schädliche Folgen habe. Die Herausforderung, klimaneutrale Megaprojekte wie "The Line" oder auch "Jaumur" zu errichten, wird durch den Bedarf an spezifischem Sand und die umweltschädlichen Aspekte seiner Gewinnung und Verarbeitung also weiter kompliziert. (bbr, 12.05.2024)