Arm und Reich leben getrennt – was kann Neubrandenburg dagegen tun?
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Soziale Spaltung

Arm und Reich leben getrennt – was kann Neubrandenburg dagegen tun?

Neubrandenburg / Lesedauer: 3 min

Neubrandenburg ist gespalten. In bestimmten Vierteln leben die Reicheren, in anderen die Ärmeren. Ein Hochschul-Professor warnt vor den Folgen.
Veröffentlicht:12.05.2024, 19:10

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Neubrandenburg ist eine gespaltene Stadt: Während reichere Menschen in der Innenstadt oder in Vororten leben, wohnen die Ärmeren eher in Plattenbausiedlungen.

Bei einem Blick auf den Mietspiegel wird schnell klar, weshalb das so ist: Die billigsten Mieten sind im Reitbahnviertel und im Datzeviertel zu finden, gefolgt von der Süd- und der Oststadt. Die teuersten Wohnungen gibt es im Katharinenviertel, auf dem Lindenberg und in der Innenstadt.

Studie: Ungleiches Schwerin, Rostock und Neubrandenburg

Dass die Spaltung in Neubrandenburg stark ist, belegt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) aus dem Jahr 2023. Gemessen wurde die soziale Ungleichheit deutscher Städte.

Neubrandenburg belegt in der Tabelle Rang acht, Rostock Rang fünf und Schwerin den ersten Platz - ist also deutschlandweit am wenigsten sozial durchmischt. Die Ungleichheit habe sich, insbesondere im Osten, verschärft, heißt es von den Autoren der Studie. Eine weitere WZB-Studie aus dem Jahr 2023 kam zu ähnlichen Ergebnissen. Neubrandenburg belegt da Platz 19, Rostock den sechsten, Greifswald den zweiten und Schwerin den ersten Platz.

Professor Dr. Kai Brauer warnt vor den Folgen sozialer Spaltung und hat Vorschläge, was dagegen zu unternehmen ist.
Professor Dr. Kai Brauer warnt vor den Folgen sozialer Spaltung und hat Vorschläge, was dagegen zu unternehmen ist. (Foto: ZVG / Hochschule Neubrandenburg)

Professor Dr. Kai Brauer von der Neubrandenburger Hochschule warnt vor den Folgen dieser Entwicklung. "Die steigende Homogenisierung (Vereinheitlichung, Anm. d. Red.) kann zu einer Spaltung der Gesellschaft führen." Kommt es zu einer Abschottung von Vierteln mit vielen Ärmeren, steige dort die Kriminalität, gute Bildung werde schwieriger zu erreichen und radikale Ideologien bekämen Zulauf. Brauer spricht in dem Zusammenhang von einem drohenden "Überlebenskampf". In Frankreich sei all das in den Banlieues – den Plattenbau-Vorstädten am Rande von Metropolen – zu erkennen.

Laut dem Professor müsse der Wohnwert benachteiligter Viertel gesteigert werden - durch Kultur, attraktive Schulen und Kindergärten sowie durch Sozialarbeit, die die Vernetzung der Bewohner fördert.

Durchmischung und sozialer Wohnungsbau

In der Oststadt passiere das etwa über die Lehrpraxisstelle der Hochschule. Abgehängt sei das Viertel noch nicht - doch es bestehe die Gefahr: „Die Oststadt wird sich ganz schlecht entwickeln, wenn nichts oder das Falsche getan wird.“

Mit der Lehrpraxisstelle in der Oststadt soll das gemeinschaftliche Zusammenleben des Viertels gestärkt werden.
Mit der Lehrpraxisstelle in der Oststadt soll das gemeinschaftliche Zusammenleben des Viertels gestärkt werden. (Foto: Mirko Hertrich)

Brauer empfiehlt Durchmischung. Damit es zu keiner Abschottung kommt, müssten Menschen mit geringen Einkommen in Viertel mit hohen Mieten ziehen. Realisiert werden könne dies durch Wohngeld, Mietendeckel und klug angelegten sozialen Wohnungsbau.

Dieser dürfe nur da gefördert werden, "wo wenig Arme wohnen". Auch Geflüchtete sollten nur noch in den Vierteln der Wohlhabenden untergebracht werden. Die zunächst höheren Aufwandskosten würden sich durch bessere Integration „mehr als auszahlen“.

115 Sozialbauwohnungen in der Stadt

Ohne staatliche Eingriffe würden sich die Unterschiede in Neubrandenburg und anderen Städten hingegen weiter verhärten. „Das freie Spiel des Wohnungsmarktes wird die Spaltung nicht aufhalten, sondern antreiben“, sagt er.

Ein Sprecher der Stadt Neubrandenburg bezeichnet sozialen Wohnungsbau als ausschlaggebend für die Überwindung sozialer Spaltung. 115 Sozialbauwohnungen befinden sich in verschiedenen Stadtvierteln, relativ breit übers Stadtgebiet verteilt. 

Neben Wohnungen in der Südstadt und im Reitbahnviertel gibt es auch welche im Katharinenviertel und auf dem Lindenberg. Für das laufende Jahr sollen weitere fertiggestellt werden: neben weiteren in der Oststadt, sogar einige in der Innenstadt - wo sich die Wohnungen mit den dritthöchsten Mieten befinden.