Der Augenarzt, der das Licht erst finden muss

Filmkritik

Der Augenarzt, der das Licht erst finden muss

Ein neuer Film von „Angel Studios“ handelt vom Augen-Chirurgen Ming Wang, der anderen das Augenlicht wiedergibt, aber selbst erst lernen muss, was das wirklich wichtige Licht im Leben ist. Mit dem Glauben hält sich der Film aber eher zurück.
Von Jörn Schumacher
Der Augen-Chirurg Ming Wang bei der Arbeit

Dr. Ming Wang ist anerkannter Spezialist für laserbasierte Augenoperationen. Seine wahre Lebensgeschichte ist in der Tat erzählenswert. Denn Wang wuchs in China in einer armen Umgebung auf. Durch enorme Anstrengung schaffte er es, in Amerika zu studieren und ein sehr guter Arzt zu werden.

Inzwischen hat der frühere Havard-Student Wang ein eigenes Forschungsinstitut gegründet und als Augenchirurg über 55.000 Eingriffe durchgeführt, über 100 Artikel veröffentlicht und zehn Lehrbücher geschrieben. Doch nicht nur das, mit seiner Wohltätigkeitsorganisation ermöglicht er zudem in 55 Ländern weltweit kostenlose Operationen zur Wiederherstellung des Sehvermögens.

Dieser Erfolgsstory widmet sich der englischsprachige Film „Sight“ (Sehen), der demnächst auf der Angel Studio-Webseite und über die App zu sehen sein wird. Es ist jenes Filmstudio, das auch für die Serie „The Chosen“ und den erfolgreichen Film „Sound of Freedom“ verantwortlich ist. Der mehrfach als Wissenschaftler mit vielen Preisen bedachte Experte erfand mit der „Amnionmembran-Kontaktlinse“ eine Möglichkeit, Menschen mit dem Syndrom des trockenen Auges und mit Hornhautnarben zu helfen.

Mitreißendes Drama mit aber eher dünner Botschaft

„Millionen Menschen weltweit konnte durch die Technik ihr Sehvermögen wiederhergestellt werden“, klärt die Webseite des Wang-Institutes auf. Mit der Parallele zwischen dem Blindsein und einem Leben in ewiger Dunkelheit auf der einen Seite und dem Wiedererlangen des Sehens und dem Eintreten ins Licht spielt „Sight“ bewusst. Dabei hält er sich mit dem Glauben aber eher dezent zurück.

In vielen Rückblicken lernen die Zuschauer etwas über die Kindheit und Jugend Wangs in Hangzhou in Ost-China, und die war nicht leicht. Zwar waren seine Eltern Ärzte, doch die Familie eher arm. Seinen drängenden Wunsch, selbst Arzt zu werden, kann der junge Wang nur durch harte Arbeit erreichen. Ein Putschversuch durch sozialistische Milizen führt dann noch zur Schließung aller Schulen und Universitäten im Land. Dennoch schafft es Wang als junger Student in die USA, und sogar hier ist er einer der Besten.

Der Film beschreibt, wie viele Jahre später der mittlerweile erwachsene Wang versucht, einem sechsjährigen Mädchen aus Kalkutta zu helfen. Ihr hatte die Stiefmutter Säure in die Augen geschüttet. Denn in Indien nehmen bettelnde Kinder mehr Geld ein, wenn sie blind sind. Dem Arzt gelingt es aber nicht, das große Wunder zu vollbringen, dem Mädchen das Augenlicht zurückzugeben.

Er lernt an ihr stattdessen etwas anderes. Weil das Mädchen in einer katholischen Schule erzogen wird und er das Gebet von Schwester Marie kennenlernt, versteht der angesehene Arzt: „Es gibt mehr im Leben als das, was wir sehen.“ Es wird leider nicht sehr viel klarer, worin dieser Glaube besteht oder was das „Licht“ ausmacht, auf das es angeblich ankommt. Im wahren Leben ist Dr. Wang ein gläubiger Mensch, und das Logo seiner Wohltätigkeitsorganisation ziert ein großes Kreuz.

Was passiert, wenn wir sterben?

Erneut ein Rückblick: Wangs Schulfreundin Lili wurde damals eines Tages von den sozialistischen Rebellen abgeführt. Wang sah sie nie wieder, er konnte ihr nicht helfen. So erscheint sie ihm immer wieder in Visionen und Wang plagt ein schlechtes Gewissen. Erst als es ihm nach harter Forschungsarbeit gelingt, mit seiner neuen Methode einem anderen Mädchen, Maria, zu helfen, besiegt er sein schlechtes Gewissen.

Das wirkt zwar etwas gestelzt, dient aber als Überleitung zu der Frage Lilis, die auch Wang sein Leben lang verfolgt: „Was passiert, wenn wir sterben? Ist da nur Dunkelheit?“ Leider gelingt es Film nur mäßig, diese Frage zu beantworten. Das ist überraschend, handelt es sich doch um einen glaubensbasierten Spielfilm.

„Sight“ hat seine Längen, die Geschichte hätte sicher auch in kürzerer Zeit erzählt werden können. Es ist dennoch ein mitreißendes Drama, auch dank seiner Hauptdarsteller. Als Wangs Assistenzarzt ist der oscar-nominierte Greg Kinnear zu sehen („Little Miss Sunshine“, 2006), und auch Hauptdarsteller Terry Chen („Almost Famous“, „I, Robot“, „House of Cards“) spielt sehr überzeugend.

Am Ende ist die Botschaft des Glaubens sehr dünn. Ob der Augenarzt wegen der Gebete von Schwester Marie, gespielt von der der irischen Schauspielerin Fionnula Flannagan, („Lang lebe Ned Devine!“) zum Glauben kommt? Am Beispiel des indischen Mädchens Kajal, dessen Augen er eben nicht heilen konnte, merkt er jedenfalls: Man muss nicht sehen können, um für andere da zu sein.

Den Film beendet dann immerhin ein Lied des christlichen Popsängers Colton Dixon (im Text: „Ich war verloren und wurde gefunden, war blind, aber jetzt werde werde ich für den Rest meines Lebens nie mehr derselbe sein. Ich sehe es klar im Spiegel, die Augen sind offen, Denn auf Ihn setze ich meine ganze Hoffnung“). Schließlich wendet sich der echte Dr. Wang in einem Einspieler direkt an die Zuschauer. „Mit Gottes Gnade konnte unsere Stiftung schon vielen Waisenkindern helfen, wieder Licht zu sehen“, sagt er zum Schluss, um anzufügen: „Diese Kinder haben am Ende mir geholfen, aus meiner eigenen Dunkelheit zu treten und Licht zu sehen. Sowohl emotional als auch spirituell. Ich musste mich Gott öffnen, um Frieden zu finden.“ Ein Augenarzt, der das Licht im Leben findet, das muss wohl als Botschaft reichen. Daraus hätte man sicher mehr machen können.

„Sight“, Drama, Englisch, 100 Minuten, ab 13 Jahren, Angel Studios

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