Nachfolge
  1. Startseite
  2. Kultur
  3. Times mager

Nachfolge

Brian Cox, hier mit seiner Frau Nicole AnsaRi-Cox, ist berühmt für seine Rolle als Bösewicht in Succession.
Brian Cox, hier mit seiner Frau Nicole AnsaRi-Cox, ist berühmt für seine Rolle als Bösewicht in Succession. © IMAGO/ZUMA Wire

Seine Vorfahren kann man sich nicht aussuchen, die Nachfolgenden aber auch nicht.

Natürlich ist es so eine Sache mit den Nachfolgenden. Die Erwartungen sind groß, manchmal höher als das, was man selbst zu leisten imstande ist. Die Serie „Succession“, ein Drama in vier Staffeln, zeigt, wie es zugehen kann. Zu sehen ist der Kampf von vier Kindern, die sich um die Gunst ihres Vaters bemühen. Doch der mächtige Alte sorgt wiederholt für erhebliche Frustration.

Oliver Kahn, vor wenigen Monaten noch der Boss des FC Bayern, soll beim Schauen der Serie ein Licht aufgegangen sein. „Nicht anders ist es doch beim FC Bayern“, habe er sich gesagt. Das betonte er neulich in einem Interview. Aber die Frage der Nachfolger und Nachfolgerinnen ist ja nicht nur auf Unternehmen oder Fußballvereine beschränkt. Auch die Wissenschaft ist nicht frei davon. Anlässlich des Kant-Jahres, der Philosoph wurde vor 300 Jahren geboren, sei an seinen Kampf gegen die ihm Nachfolgenden erinnert – oder an solche, die sich für legitime Nachfolger hielten.

Einer davon war Johann Gottlieb Fichte. Er schrieb nicht nur die „Reden an die deutsche Nation“, mit denen er den nationalen Gedanken stimulieren wollte, sondern er hatte auch ausgeprägte Interessen in der theoretischen Philosophie. Und hier war zu dieser Zeit ein Name der Leitstern unter allen Denkern: Immanuel Kant. Fichte war eine körperlich kräftige Natur. Und auch sein Naturell war nicht viel anders; er trat bestimmend und selbstbewusst auf. Eines Tages hatte er einen Blick in Kants „Kritik der reinen Vernunft“ geworfen und das Buch regelrecht verschlungen. Aus ihm wurde ein anerkannter Kant-Exeget. Seine erste öffentlich wahrgenommene Schrift war so sehr nach dem Muster des Meisters verfasst, dass man glaubte, das anonym verfasste Büchlein sei vom Meister Kant selbst. Der jedoch sorgte in bestimmter Freundlichkeit für Klarheit. Fichte bekannte sich letztlich zu seiner Schrift „Kritik aller Offenbarung“.

Als Fichte nun seine Wissenschaftslehre vorlegte und behauptete, sie sei die recht verstandene Philosophie des großen Denkers Kant, wurde es Letzterem zu viel. „Gott behüte einen vor seinen Freunden“, seufzte er, vor seinen Feinden wisse man sich ja schon selbst zu schützen. Kant lehnte die Fichte’sche Wissenschaftslehre ab; das sei nichts weiter als ein beständiges Sich-im-Kreise-Drehen, was sein vermeintlicher und selbst ernannter Nachfolger da vorgelegt habe.

Aber genau genommen ist die Nachfolge nicht nur eine Frage auf individueller Ebene. Seit jeher stöhnt die eine Generation über die ihr nachfolgende. Dabei hatte ja auch sie eine gehabt, die ihr vorausgegangen war – und genauso über sie gestaunt hatte.

Auch interessant