Björn Höcke wird seine Worte vor Gericht noch bitter bereuen

AfD-Politiker wegen Naziparole verurteilt – Auftritt vor Richtern mehrt Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit

AfD-Politiker Björn Höcke (Mitte) zwischen seinen Anwälten beim Landgerichtsprozess in Halle Mitte Mai (Bild: Ronny Hartmann/Pool via REUTERS)
AfD-Politiker Björn Höcke (Mitte) zwischen seinen Anwälten beim Landgerichtsprozess in Halle Mitte Mai. (Bild: Ronny Hartmann/Pool via REUTERS)

Seit dem gestrigen Tage steht Björn Höcke als ein Mensch da, dem man nicht glaubt. Das wiegt viel mehr als der Umstand, dass ein Landgericht in Deutschland ihm attestierte, bewusst eine Naziparole unters Volk zu streuen. Dieses Spiel ist schon mies genug. Wirklich gravierend aber für einen Politiker, der gewählt werden will, wird etwas anderes: Was sind seine Worte noch wert?

Höcke musste sich der Anklage stellen, weil er in einer Rede Bezug auf die Losung "Alles für Deutschland" nahm. Dieser Satz ist alt, und er stammt auch nicht von den Nazis. Schon zu Zeiten der Monarchie vernahm man ihn, auch in der Weimarer Republik. Blöd war er immer. Denn der Begriff "alles" kennt eben keine Steigerung. Alles für mein Land? Es ist zweifellos mein Land, das bringt vieles mit sich: Prägung, Heimat, Verantwortung als Bürger, auch Rechte. Aber "alles" ist dann doch recht viel, alles würde ich für Anderes geben, zum Beispiel für die Zehn Gebote. Und unpatriotisch wäre das kaum.

Richtig berühmt wurde dieser Drei-Wort-Satz durch die Sturmabteilung (SA) der NSDAP, dieser Schlägertrupp machte sich die Losung zu eigen, verstieß aber permanent dagegen; Deutschland schadeten diese Mordsgesellen im Stile einer blutigen Gang auf ganzer Linie.

Höcke stand nun vor Gericht, weil die Staatsanwaltschaft einen Verdacht hatte: Der rechtsextreme Politiker soll diese Losung bewusst mit der Erinnerung an die SA ausgerufen haben. Damit würde er einen Bezug zu den deutschen Faschisten der NSDAP unter Adolf Hitler bemüht haben.

Höcke bestritt das. Er sagte vor Gericht: "Ich bin völlig unschuldig und habe ein reines Gewissen." Hat er das wirklich? Es ist kaum zu glauben, und daran ist nur er selbst schuld.

Um das genau zu bewerten, haben sich die Richter gefragt, "wen haben wir denn da", so berichtet es der "Spiegel" aus dem Saal. Kannte der studierte Geschichtslehrer Höcke den SA-Hintergrund des Satzes? Denn die Verbreitung von spezifischen Nazislogans ist in Deutschland strafbar.

Höcke meinte: Nein. "Das alles hier hat doch mit Nazis nichts zu tun", sagte er laut "Spiegel". "Die Nazis haben auch 'Guten Tag' gesagt und Hitler soll Vegetarier gewesen sein. Will man 'Guten Tag' und Vegetarismus jetzt auch verbieten?"

Guten Abend, möchte man sagen. Breiter banalisieren kann man kaum. Aber der sich als Hobbyführer fühlende Höcke kann sich in seinem Bemühen, das politische System in Deutschlands in düsteren Farben zu malen, bestimmt gut vorstellen, dass diese ollen Altparteien in ihrer Verzweiflung und in ihrer Furcht vor der "Alternative" etwas wie "Guten Tag" oder Vegetarismus verbieten würden. Letzteres wäre übrigens für den erklärten Freund des Mettbrötchens ein herber Schlag; ich hatte übrigens heute in der Früh zwei halbe mit viel Zwiebeln zum Frühstück. Zweifel gegenüber dem Bundestag kommen mir deshalb dennoch nicht.

Wusste er's oder wusste er's also nicht? Der Kontext leuchtet es aus. Die Staatsanwaltschaft fand nämlich in Höckes Reden eine Menge Vokabeln aus der Nazi-Herrschaft. Als "Volksverderber" bezeichnete der Neu-Thüringer einmal Sigmar Gabriel von der SPD – ein Wort aus Hitlers Machwerk "Mein Kampf". Wo sonst hörte man jemals diesen Begriff? Oder Höckes Geschwafel über eine "historische Wendezeit um Sein oder Nicht-Sein", das klang kaum nach Jean-Paul Sartre oder Albert Camus, sondern mehr nach Hitler und Joseph Goebbels. Der Angeklagte, so zitiert der "Spiegel" die Staatsanwaltschaft, habe sich offenkundig "mehr als intensiv mit der NS-Zeit beschäftigt". Sein "fundierter NS-Sprachschatz" weise auf "fundiertes Täterwissen" hin.

Eine aktive Auseinandersetzung mit dem deutschen Faschismus und vor allem mit seinen Herrschaftsformen ist für jeden Politiker sicherlich sinnvoll. Nur was leitete der Geschichtslehrer Höcke daraus ab? Wo sind seine Lehren aus der Zeit 1933 bis 1945? Darüber hört man von ihm wenig. Eher spricht er dann von "Schuldkult", beklagt sich darüber, dass "deutsche Geschichte mies und lächerlich gemacht" werde und bezeichnet das Mahnmal zur Erinnerung an den deutschen Massenmord gegen die Juden in Berlin als "Denkmal der Schande im Herzen der Hauptstadt"; meint Höcke mit "Schande" Hitler und Goebbels? Und falls ja, warum benutzt er derart akribisch ihre Sprache? Immerhin zitiert er von ihnen nicht "Guten Tag" oder Ausführungen über Vegetarismus.

All dies liegt offen da, und vermutlich bemüht Höcke diese genauen Worte, um damit ein Publikum zu bedienen. Es scheinen Codes zu sein. Dann aber stellt er sich hin und meint, er sei "völlig unschuldig" und habe ein "reines Gewissen". Tatsächlich?

Anhänger einer AfD-Politik haben die Wahl. Nie steht ein Kandidat nur mit seinem Programm zur Wahl, sondern auch mit seiner moralischen Integrität. Wie es um eben jene bei Höcke bestellt ist, kann nun jeder für sich selbst entscheiden.