Fäkt-Hosts Miso Tschak und Julia Winkler im Porträt
Präsentiert werden die Fäkt-Videos von Miso Tschak und Julia Winkler.
Daphne von Schrader

"In zwei bis drei Jahren wird ChatGPT so viel Strom verbrauchen wie Spanien." Wolle man Jugendliche für Wissenschaft interessieren – gerade auf Social Media –, dann brauche man Botschaften wie diese, meint die Computerwissenschafterin Ivona Brandić. Sie tritt als Expertin im ersten Video der neuen Initiative Fäkt der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) auf, die kürzlich der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Fäkt setzt auf Wissenschaftsvermittlung in Videoform. Konkret besteht das Projekt aus zwei Schienen: Einerseits werden sechs bis sieben Minuten dauernde Erklärvideos produziert, in denen jeweils ein Thema – von Künstlicher Intelligenz (KI) über Gletscherschmelze bis hin zu Kreislaufwirtschaft – behandelt wird. Heimische Wissenschafterinnen und Wissenschafter treten als Experten auf und erklären ihre Forschung. Daneben wird es kurze, nur 20- bis 30-sekündige Videos im Stil sogenannter Social-Media-Reels geben, mit denen Plattformen wie Youtube, Instagram und Tiktok bespielt werden. Die Videos werden von der Firma Neuland Film produziert. Präsentiert werden die Inhalte von den jungen Hosts Miso Tschak und Julia Winkler.

Dead Internet Theory

In der Pilot-Episode sieht das dann beispielsweise so aus: Die "Dead Internet Theory" ist der Ausgangspunkt für die erste Folge. Dabei handelt es sich um eine Verschwörungserzählung, die davon ausgeht, dass das Internet heutzutage nur mehr aus automatisch generierten Inhalten besteht. Diese werde benutzt, die User und Userinnen zu manipulieren. Von dieser Frage ausgehend erläutert Host Miso die Unterschiede zwischen klassischer und generativer KI, erklärt, was Server sind und warum diese so viel Strom benötigen.

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FÄKT

Expertin Ivona Brandić von der Technischen Universität Wien berichtet vom ansteigenden Energieverbrauch des Internets durch die Ausweitung von KI-Anwendungen. Mit diesem Ansatz wolle man "auf Augenhöhe kommunizieren, Inhalte unterhaltsam, aber nicht belehrend vermitteln", sagt Andreas Bergthaler, Professor für Molekulare Immunologie an der Medizinischen Universität Wien und einer der Ideengeber für das Projekt. In der Pilot-Episode erfährt man sodann, dass ein Handy beim Streamen von Social-Media-Inhalten mehr als dreimal so viel Strom verbraucht wie im Ruhezustand oder dass die Generierung von 1000 Fotos mithilfe Künstlicher Intelligenz so viel Energie kostet, wie ein gesamtes Gaming-Wochenende.

Youtube für Schulen

Das Besondere an Fäkt: Die Inhalte sind nicht nur Social-Media-optimiert, sondern auch auf die Bedürfnisse von Lehrerinnen und Lehrern abgestimmt. Die in den Videos behandelten Themen würden sich an den Inhalten der Lehrpläne für die Sekundarstufe orientieren, sagt ÖAW-Präsident Heinz Faßmann. Außerdem stelle man parallel zu den Videos Begleitmaterialien wie Testvorschläge, Kreuzworträtsel oder Profile der Forscherinnen und Forscher zur Verfügung. Die Videos werden über Edutube, eine Art Youtube für Schulen, bereitgestellt. Pädagogen könnten die Fäkt-Videos daher leicht in ihren Unterricht integrieren, glaubt Faßmann.

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FÄKT

Laut dem ÖAW-Präsidenten werde mit Fäkt ein neues Kapitel der Wissenschaftskommunikation aufgeschlagen. Die Wissenschaft habe sich bislang erst wenig an populäre Kommunikationstools herangewagt. In Zeiten von Social Media und Fake News sei der Legitimationszwang für Forschung heutzutage aber stark gestiegen, daher komme Wissenschaftskommunikation ein neuer Stellenwert zu. "Wir müssen der Öffentlichkeit erklären, was wir machen, warum wir das machen und warum das gut ist", so Faßmann. Fäkt setze genau dort an, wo man ein jugendliches Publikum am besten abholen könne: in der digitalen Welt. Denn hier gebe es bislang zu wenig qualitative Angebote, um Wissenschaft zu kommunizieren.

"Dachmarke heimischer Forschung"

Um Qualität gewährleisten zu können, würden nur arrivierte Forschende mit hervorragenden Track-Records, also hochwertigen Publikationen und Erfolgen bei der Drittmitteleinwerbung, in den Videos auftreten, erläutert Andreas Bergthaler die Hintergründe. Hierin sieht auch Ivona Brandić die große Stärke der neuen Initiative: "Die in den Videos aufgeworfenen Fragen werden von den Wissenschafterinnen und Wissenschaftern selbst beantwortet." Das unterscheide die Produktionen von ähnlichem Content, der auf Social Media existiert. Laut Brandić sei es wichtig, dass Forschende moderne Kommunikationstools nützen, denn: "Man darf diese Kanäle nicht Verschwörungstheoretikern überlassen."

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Mit Fäkt vermittle man daher nicht nur wissenschaftliche Inhalte, sondern trage auch zur Bekämpfung von Demokratiefeindlichkeit bei, ergänzt Wissenschaftsminister Martin Polaschek (ÖVP). Denn die Studienlage sei klar: Wer Wissenschaft ablehne, lehne meist auch die Demokratie ab. Auch eine von seinem Ressort in Auftrag gegebene und 2023 publizierte Studie des Instituts für Höhere Studien belege den engen Konnex zwischen Wissenschafts- und Demokratiefeindlichkeit. Aus diesem Grund habe Wissenschaftskommunikation auch eine wichtige politische Dimension, argumentiert Polaschek.

800.000 Euro Förderung

Derzeit befände sich Fäkt im "experimentellen Stadium", so ÖAW-Präsident Faßmann. Insgesamt stünden rund 800.000 Euro zur Finanzierung des Projekts zur Verfügung, diese kommen vom Fonds Zukunft Österreich. Gegenwärtig seien 25 bis 30 längere Videos in Vorbereitung, die bis Ende 2025 veröffentlicht werden sollen. Die Shorts genannten Kurzvideos würde man am laufenden Band via Social Media ausspielen.

In künftigen Videos wird es dann etwa um den Einfluss von Smartphones auf unsere Schlafqualität gehen, ein Blick auf die sprachwissenschaftliche Schimpfwortforschung geworfen oder der Frage nachgegangen, wie Krebsproteine für die Medikamentenherstellung genutzt werden können. Langfristig erhofft sich Faßmann, dass sich Fäkt als "Dachmarke" und "dauerhafter Bildungskanal österreichischer Forschungseinrichtungen" etabliert. (Paul M. Horntrich, 17.5.2024)