Feminismus mit Gänsefüßchen? Klubobfrau Sigrid Maurer, Vizekanzler Werner Kogler und Landesrat Stefan Kaineder (alle Grüne).
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Was bedeuten die Ergebnisse der Recherchen rund um Lena Schilling für den Feminismus? Diese Frage haben sich seit der vergangenen Woche wohl viele gestellt. Die Causa hat eine starke frauenpolitische Komponente. Dutzende Menschen, mit denen der STANDARD gesprochen hat, berichten über verzerrte oder unwahre Erzählungen von Schilling, in denen sie von angeblich selbsterlebten Belästigungen und Beziehungsgewalt bei Bekannten sowie einem Spitzenpolitiker spricht.

Was bedeutet derlei für die MeToo-Bewegung? Aber auch: Welche Auswirkungen könnte die Causa für die Repräsentation von Frauen in der Politik haben, für die Motivation junger Frauen generell, sich in die erste Reihe zu stellen?

Das sind wichtige Fragen, die es verdienen, sehr genau betrachtet zu werden.

Es wäre falsch wie gefährlich, jetzt zu behaupten, es sei das "Ergebnis eines überspannten Feminismus, dass nun jede Frau Belästigung herbeifantasiert". Das verkennt die Faktenlage zu sexualisierten Übergriffen und Gewalt gegen Frauen – und die Tatsache, dass beides selten angezeigt wird und noch seltener vor Gericht landet.

Es ist aber auch falsch, diese wichtigen Fragen mit der – feministisch durchaus gut gemeinten – Argumentation, man würde "nur mit einer jungen Frau so umgehen", abzutun.

Kein Dienst an der Sache

Die am Vormittag nach Veröffentlichung der Recherchen einberufene Pressekonferenz der Grünen war kein Dienst am Feminismus. Statt die Vorwürfe ernst zu nehmen, versteckte sich die versammelte Parteispitze hinter einem nur scheinbar feministischen Statement: Es gäbe diese Vorwürfe nur, weil Lena Schilling eine Frau und jung sei.

Doch das ist ein Holzhammer-Feminismus. Frau und jung zu sein – das reicht nicht als Antwort oder Teflon auf alle Fragen.

Natürlich kann man nicht so tun, als ob Geschlecht bei der Bewertung von öffentlichen – und auch allen anderen – Menschen keine Rolle spiele. Das tut es leider noch immer. Tatsächlich werden Frauen in der Politik und Frauen, die sich öffentlich äußern, besonders und mit anderen, viel persönlicheren Mitteln angefeindet – etwa für ihr Aussehen, ihre Stimme. Anwürfe dieser Art betreffen nun auch Schilling, und jeder dieser frauenfeindlichen Angriffe ist klar zu verurteilen.

Feminismus als Schutzschild

Unzählige Studien belegen, dass Frauen bis heute allein aufgrund ihres Geschlechts anders und schlechter behandelt werden als Männer – warum und inwiefern sie viel stärker von sexualisierter Gewalt betroffen sind.

Somit ist Geschlecht auf struktureller Ebene eine zentrale Analysekategorie, wenn es darum geht, auf Missstände hinzuweisen. Aber: Das darf nicht blindlings als Schutzschild gegen konkrete Fragen an eine Politikerin benutzt werden, die andere schwerer Vergehen wie der sexuellen Belästigung beschuldigt.

Es ist der hartnäckigen Arbeit vieler Frauen zu verdanken, dass sexistische Anwürfe an Politikerinnen mittlerweile schneller als solche entlarvt und öffentlich gemacht werden. Diese Arbeit darf nicht leichtfertig für andere Zwecke genutzt werden – das würde der starken feministischen Bewegung der vergangenen Jahre tatsächlich schaden.

Bleibt noch die Frage: Werden sich aufgrund der Vorkommnisse noch weniger Frauen zumuten, in die erste Reihe zu treten? Natürlich kann es dazu führen. Gerade auch viele Grün-Politiker:innen haben daran mitgearbeitet, dass Frauen diese Zurückhaltung nicht mehr an den Tag legen. Damit dieser Weg weitergegangen werden kann, müssen sie in feministischen Fragen glaubwürdig bleiben. Derzeit sind sie das nicht. (Beate Hausbichler, 15.5.2024)