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Geschichte Gebäude verfällt seit Jahren

Berlins Finanzsenator will Goebbels-Villa am Bogensee notfalls verschenken

Das Areal Bogensee mit einer ehemaligen Villa von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels gammelt seit Jahrzehnten vor sich hin. Berlins Finanzsenator macht nun eine Ansage zur Zukunft der Immobilie. Doch es gibt auch Kritik.
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Die ehemalige Villa von Reichpropaganda-Minister Joseph Goebbels auf dem Areal am Bogensee
Quelle: dpa/Patrick Pleul

Berlins Finanzsenator Stefan Evers will ein Areal am Bogensee mit einer ehemaligen Villa von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in Wandlitz notfalls verschenken. „Ich biete jedem an, der das Gelände übernehmen möchte, es geschenkt vom Land Berlin zu übernehmen“, sagte der CDU-Politiker am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. Bisher seien indes weder die Kommune Wandlitz noch das Land Brandenburg oder der Bund an einem solchen „großzügigen Geschenk“ interessiert gewesen.

Das rund 17 Hektar große Gelände, auf dem sich Goebbels ein Landhaus bauen ließ, ist seit dem Jahr 2000 ungenutzt und verfällt. Nach dem Ende der NS-Diktatur nutzten die Alliierten das Gelände kurzzeitig als Lazarett. 1946 übergaben die Sowjets dann das Gelände der Freien Deutschen Jugend (FDJ), die dort eine Jugendhochschule gründete.

Seit geraumer Zeit wird wieder verstärkt über Nutzungsideen für das Areal diskutiert, das dem Land Berlin gehört. Berlin erwägt, die Gebäude abzureißen und die Flächen zu renaturieren, weil die jährlichen Kosten für Sicherung und Unterhalt in die Millionen gehen.

Ansonsten droht der Abriss

Evers versicherte, dass sich die Hauptstadt zielführenden konzeptionellen Überlegungen nicht verschließen werde, wenn sie im Interesse der Stadt lägen und der vielschichtigen historischen Bedeutung des Areals gerecht würden. Vor diesem Hintergrund sei er gespannt auf Vorschläge des Bundes oder aus Brandenburg und auf die Benennung möglicher Geldquellen, etwa Fördergelder.

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„Sollte das aber einmal mehr ins Leere führen wie in den vergangenen Jahrzehnten, dann hat das Land Berlin keine andere Möglichkeit, als so den Abriss zu vollziehen, wie er jetzt vorbereitet und von uns adressiert ist“, sagte Evers.

Berlin habe sich jahrzehntelang um eine Zukunft des Areals bemüht. „Zur Wahrheit gehört aber auch, dass dieses jahrzehntelange Bemühen ein reichlich einseitiges war.“ Man sei auf Partner auf Bundesebene und in Brandenburg angewiesen, mit denen bisher kein Fortkommen möglich gewesen sei.

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Das Gebäude muss dringend saniert werden
Quelle: AFP/JOHN MACDOUGALL

Der zuständige Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft Wandlitz), wehrt sich gegen diese Kritik. Er empfinde die Äußerungen des Berliner Finanzsenators als unangebracht: „Ich habe für solche Aussagen kein Verständnis“, sagte Borchert. Die Äußerungen würden der historischen Bedeutung nicht gerecht und seien schädlich für die Liegenschaft.

Ideologische Nutzung durch Reichsbürger verhindern

Vor Jahren habe unter anderem bereits das „Königreich Deutschland“ versucht, dort Fuß zu fassen. Der Verfassungsschutz rechnet die Gruppierung dem „Reichsbürger“-Milieu zu. „Was ich nicht gerne sehen würde, dass das Land Berlin das Areal an irgendeinen Privaten verschenkt, der dann ideologische Ziele mit der Liegenschaft verfolgt. Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung von Evers äußert unglücklich“, kritisierte Borchert.

Der Landkreis Barnim und die Gemeinde wollen einen Abriss verhindern und künftige Nutzungsmöglichkeiten ausloten. „Eine Vernichtung solcher geschichtlichen Zeugnisse steht unserer Gesellschaft nicht gut zu Buche“, so Borchert.

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Die Gemeinde Wandlitz, auf deren Gebiet das Gelände am Bogensee liegt, hat jetzt nach eigenen Angaben einen Antrag auf Fördergeld aus dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gestellt. Dabei geht es in diesem Jahr um Vorhaben, die vor allem die Demokratiebildung fördern sollen. Dafür sei das Gelände genau der richtige Ort, so der 53 Jahre alte Bürgermeister. Er nannte nach einer bislang vorsichtigen Schätzung eine Summe von 500.000 bis 600.000 Euro an benötigten Fördermitteln.

Die Gemeinde will nun ein Konzept für eine Weiternutzung entwickeln. „Wir haben einen weiten Fokus, den wir uns vorstellen können.“ Dabei nennt Bürgermeister Borchert unter anderem ein „Zentrum für Resilienzforschung für die Demokratie“ sowie einen Hochschul-Campus, eine Reha-Klinik, eine Hotelnutzung oder eine Bundesbehörde als einige Überlegungen.

Areal Bogensee
Bislang fehlt das Konzept für die Nutzung des Areals
Quelle: dpa/Patrick Pleul
dpa/kami

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