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Gemeinsamer Protest in Wien – Busfahrer*innen und Klima-Aktivist*innen haben sich zusammengetanFoto: Freyberger/„Wir fahren Gemeinsam“

Es hat Schlagzeilen gemacht, das Bündnis zwischen der Klimabewegung und der Gewerkschaft ver.di in Deutschland. Als zuletzt in über 70 Städten die Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs im Rahmen der Tarifrunde Nah­verkehr 2024 streikten, gingen vielerorts auch Klima-Aktivist*innen mit ihnen auf die Straße und besuchten Streikposten, um die Forderung nach einer sozial gerechten Verkehrswende in Deutschland zu unterstützen.

Die gemeinsame Kampagne „Wir fahren zusammen“ hat internationale Strahlkraft. In Österreich hat sich inzwischen ein Ableger mit dem Namen „Wir fahren gemeinsam“ gegründet. Beteiligt an dem Bündnis sind Gruppen aus der Klima­gerechtigkeitsbewegung wie „System Change not Climate Change“, Fridays for Future sowie die österreichische Gewerkschaft VIDA, die unter anderem Eisen­bahner*innen und Busfahrer*innen organisiert.

Wie auch beim großen Vorbild in Deutschland geht es um eine einfache Prämisse: Der für einen sozialen und ­ökologischen gesellschaftlichen Umbau nötige Ausbau des öffentlichen Verkehrswesens wird nicht ohne gute Arbeits­bedingungen für die Beschäftigten ­funktionieren. Aufgrund mieser Arbeitsbedingungen steht der Busfahrer in Öster­reich auf der Liste der Mangelberufe. Das bedeutet: Wenn heute zusätzliche neue Busse angeschafft würden, gäbe es längst nicht genügend Arbeitskräfte, um diese auch zu fahren.

Schon seit Monaten wird in Österreich der Kollektivvertrag für Busfahrer*innen in privaten Bus-Unternehmen neu verhandelt. Die Gespräche gestalten sich schwierig. „Die Arbeitgeberseite sagt uns immer, dass sie offen für Reformen sind, verlangen aber gleichzeitig Kostenneutralität“, sagt Gregor Stöhr, Ersatzbetriebsrat bei der Busfirma Dr. Richard im österreichischen Bundesland Niederösterreich. „Das kann sich aber niemals ausgehen.“

Entwürdigende Arbeitsbedingungen

15.000 Busfahrer*innen gibt es in Österreichs privaten Busbetrieben, die vor ­allem im ländlichen Raum und städtischen Außenbezirken Buslinien im Auftrag von Kommunen und Bundesländern betreiben. Die Arbeitsbedingungen sind oft haarsträubend. „Wir fahren vier Stunden durch, dann haben wir eine halbe Stunde Pause. Meistens gibt es aber keine Pausenräume, und keine sanitären Anlagen. Das bedeutet, dass wir unsere Notdurft im öffentlichen Raum verrichten. Das regt dann natürlich die Passanten auf“, beschreibt Gregor Stöhr ein großes Problem.

Im Zeitalter sozialer Medien kann das für Fahrer*innen entwürdigende Konsequenzen haben. So kursieren von entrüsteten Passanten gefilmte Online-­Videos von Fahrer*innen, die an einem Baum in der Nähe der Endhaltestelle ihrer Linie ihr Geschäft verrichten. Zusätzlich berichtet die Gewerkschaft VIDA davon, dass vor allem im Winter öfter Geld­strafen erteilt werden, weil Fahrer*innen während der Pause zwecks Beheizung den Motor ihres Busses laufen lassen, um es warm zu haben. Das ist aber laut österreichischem Kraftfahrgesetz strafbar.

„Busfahrer im öffentlichen Verkehr ist der grüne Job schlecht­hin. Ich will bessere Arbeits­bedingungen. Und ich will, dass meine drei Kinder eine lebenswerte Zukunft haben.“ Gregor Stöhr, Busfahrer und Ersatzbetriebsrat

„Für mich liegt es voll auf der Hand, dass es für eine Mobilitätswende in Öster­reich bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten braucht“, sagt Teresa Tausch von Fridays for Future in Österreich. Sie ist eine jener Aktivistinnen, die über Monate hinweg den Kontakt mit der Gewerkschaft VIDA und den Bus­fahrer*innen aufgebaut hat. Im letzten Jahr hatten sie einen Infostand beim Kongress des Österreichischen Gewerkschaftsbundes ÖGB und trafen dort auf Markus Petritsch, Fachbereichsleiter der VIDA für die Straße: „Er hat uns gesagt, wie katastrophal die Arbeitsbedingungen für die Busfahrer*innen sind. Es folgten Vernetzungsgespräche und eine Einladung zu einer Betriebsrätekonferenz. Es gab Anfangs viele Vorurteile gegen uns Klima-Aktivist*innen. Aber gleichzeitig haben die Beschäftigten gesagt, wie schlecht es ihnen auf der Arbeit geht, und dass sie Unterstützung brauchen.“

„Unschätzbare Arbeit“

Über viele Einzelgespräche mit Fah­rer*innen sei es gelungen, Vorurteile abzubauen und Beziehungen aufzubauen. „Inzwischen reden auch viele Fahrer*innen von der Mobilitätswende. Man merkt, dass sie sich zunehmend darüber bewusst werden, wie wichtig ihr Beruf eigentlich ist, und dass sie dafür gute ­Arbeitsbedingungen verdienen“, so die Klima-Aktivistin.

Gregor Stöhr gibt gerne zu, dass er zu Beginn nichts mit Klima-Aktivismus habe anfangen können. „Ich habe auch von der Vorbild-Kampagne in Deutschland nichts mitbekommen. Aber als die ­jungen Klima-Aktivisten auf der Betriebsrätekonferenz waren, war das ein großes Aha-Erlebnis. Beim Reden kommen die Menschen zusammen.“ Heute ist er von den Aktivist*innen rundweg begeistert.

„Wir hatten bei den Kollektivvertragsverhandlungen immer das Problem, wie wir in die kleinen Betriebe reinkommen. Wenn wir einen Arbeitskampf führen wollen, müssen wir dafür möglichst viele Kolleg*innen erreichen. Das machen die Klima-Aktivist*innen. Sie gehen zu den Bahnhöfen, reden mit den Fahrgästen und mit den Fahrer*innen. Das ist eine unschätzbare Arbeit. Und was mich besonders begeistert, ist, dass die das ehrenamtlich machen.“

Neben der Forderung nach Pausenräumen und kürzeren Fahrzeiten wollen die Busfahrer*innen unter anderem auch ­eine bessere Anerkennung ihrer Berufserfahrung und Vordienstzeiten. „Die Verträge für die Busfirmen laufen acht bis zehn Jahre“, sagt Gregor Stöhr. „Wenn danach ein anderes Busunter­nehmen die Ausschreibung für eine Bus-Route bekommt, werden die Fahrer*innen zwar in der Regel übernommen. Aber die Vordienstzeiten werden nicht angerechnet. Sie fangen wieder in einer niedrigen Gehaltsstufe an. Wir wollen schnellere Gehaltssprünge, Sonntagszuschläge und Verbesserungen bei den Nachtzuschlägen.“

Sollte es für das Erreichen der Forderungen zu Kampfmaßnahmen kommen, sieht sich das Bündnis gut aufgestellt. Bei den jüngsten Klimastreiks in Wien und Innsbruck demonstrierten Busfahrer*innen und Klima-Aktivist*innen gemeinsam. Regelmäßige Aktivistentreffen wurden etabliert, an denen auch ÖPNV-Beschäftigte teilnehmen. „Ich danke den jungen Klima-Aktivist*innen", so das Fazit von Gregor Stöhr. „Ich weiß, wie trostlos es für junge Menschen aussieht. Wir atmen alle dieselbe Luft, und das Klima geht uns alle an. Busfahrer im öffentlichen Verkehr ist der grüne Job schlechthin. Ich will bessere Arbeits­bedingungen. Und ich will, dass meine drei Kinder eine lebenswerte Zukunft ­haben.“