Der Tourismus spült Umsätze in Milliarden-Euro-Höhe jährlich auf Mallorca an. Doch haben auch die Einwohner der Insel etwas davon? | Montage: Andreas John

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Glanzvolle Arbeitsmarktzahlen und ansehnliches Wirtschaftswachstum auf den Balearen täuschen: Die Produktivität der Inselgruppe liegt im europäischen Vergleich deutlich hinter den Erwartungen zurück. Diese ernüchternde Erkenntnis war am Montag (22.4.) Anlass für eine kritische Selbstanalyse der 60 Anteilseigner der Wirtschaftsstiftung Think Tanks Fundació Impulsa. Bei der Unterzeichnung eines Papiers zur Verbesserung der Produktivität nahmen auch Balearen-Regierungschefin Marga Prohens und Vertreter der Inselwirtschaft teil.

Die Mitglieder der Fundació Impulsa, hinter denen zumeist umsatzstarke Unternehmen stehen, vereinen 18 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Balearen. In seiner Rede vor der Crème de la Crème der Inselwirtschaft sprach Stiftungsdirektor Antoni Riera Klartext: „Zwar haben sich in den letzten Jahren verschiedene Wirtschaftsindikatoren positiv entwickelt, doch dieses Wachstum hat nicht zu einem höheren Pro-Kopf-Einkommen und einer höheren Lebensqualität der Menschen geführt.”

Rieras Zahlensprache illustrierte den besorgniserregenden Befund: Im Jahr 2000 lag die Produktivität der Balearen noch über dem europäischen Mittel, mittlerweile ist sie auf Platz 234 von 280 Regionen abgerutscht. Ähnlich düster sieht es beim Pro-Kopf-Einkommen aus: 2002 belegten die Balearen Rang 46, heute nur noch Platz 110. „Das durchschnittliche Realeinkommen hingegen stürzte um 22 Prozent ab”, so Riera.

Die „Rechnung aus mehr Tourismus, mehr Arbeitnehmern und mehr Naturraumkonsum unter sozialgesellschaftlichen Aspekten” sei nicht aufgegangen, resümierte der Stiftungsdirektor. Armut und soziale Ungleichheit hätten nicht verhindert werden können.

Balearen-Regierungschefin Prohens (Volkspartei PP) stimmte Rieras Analyse im Kern zu. „Wir gehören zu jenen acht europäischen Regionen, die an Produktivität am meisten eingebüßt haben”, räumte sie vor den versammelten Wirtschaftsbossen ein. Die Zeit für konkrete Maßnahmen sei gekommen, betonte Prohens. „Und genau die haben wir uns in dieser Legislaturperiode auf unsere Fahnen geschrieben.” Ziel sei es, Formeln zu finden und umzusetzen, die „nachhaltigen, wirtschaftlichen und sozialen” Wohlstand für alle garantieren.

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Dabei stellte Prohens den Tourismus als Wirtschaftsmotor Nummer eins der Balearen nicht infrage. Im Rahmen einer „zweiten Wirtschaftsrevolution” solle das bisherige Modell aber „einem Wandel” unterzogen werden. Die Regierung werde alles daran setzen, dass sich „Politik und Verwaltung nicht als Bremsklotz” bei der Produktivität erwiesen.

Der Tenor der Veranstaltung war eindeutig: Die Balearen müssen den Teufelskreis aus stagnierender Produktivität und sinkendem Wohlstand durchbrechen. Die „zweite Wirtschaftsrevolution” ist der gemeinsame Nenner, um die Zukunft der Inselgruppe nachhaltig zu gestalten.

Die Fundació Impulsa, gegründet 2018, hat sich zum Ziel gesetzt, die wirtschaftliche Entwicklung der Balearen aktiv zu fördern. Mit der Unterzeichnung des Papiers zur Produktivitätssteigerung unterstreicht der Think Tank seine Rolle als Impulsgeber für den Wandel.

Das Papier enthält 20 konkrete Maßnahmen, die von der Digitalisierung der Wirtschaft über die Förderung von Innovationen bis hin zur Verbesserung der Bildung und Ausbildung reichen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen soll dazu beitragen, die Balearen wieder zu einer der produktivsten Regionen Europas zu machen.

Die balearische Regierung hat bereits einige Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung und Innovation auf den Weg gebracht. So wurde beispielsweise ein Digitalisierungsplan für den öffentlichen Sektor verabschiedet und ein Startup-Hub gegründet. Darüber hinaus investiert die Regierung in die Bildung und Ausbildung, um die Qualifikationen der Arbeitnehmer zu verbessern. All diese Maßnahmen sind wichtige Schritte auf dem Weg zu einer „zweiten Wirtschaftsrevolution” auf den Balearen.