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14.05.2024 | Robo Advisor | Im Fokus | Online-Artikel

Robo Advisory kämpft mit Gegenwind

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

5 Min. Lesedauer

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Zwei Robo Advisor haben ihr Geschäft 2023 aufgegeben. Andere Anbieter erweiterten ihr Portfolio hingegen um Zinsprodukte erweitert und stellten sich breiter auf. Doch Regulierung und neue Konkurrenz sorgen in der Branche für Gegenwind.

Obwohl das Jahr 2023 vor allem durch zahlreiche geopolitische Spannungen und einer anhaltenden konjunkturellen Schwäche geprägt war, erlebten die Kapitalmärkte ein gegenläufiges Stimmungsbild: "Anleihen profitierten von den gestiegenen Zinsen und konnten milde Gewinne verzeichnen. Die Aktienmärkte getrieben durch den AI-Hype, die sinkende Inflation und erwarteten Zinssenkungen schlossen das Jahr deutlich positiv ab", heißt es in der Ende April erschienen Studie "Asset Management im Robo Advisory" von Evergreen. Der Markt wurde bestimmt durch die anhaltende Konsolidierung, aber auch zahlreiche neue Produkte der Anbieter.

Das auf Embedded Finance und Wealth-Management-Services spezialisierte Fintech hat für die dritte Auflage seines Reports insgesamt 25 Robo Advisor untersucht. Hierfür wurden primär Informationen der jeweiligen Website ausgewertet und die Entwicklung anhand exklusiver Daten des Vergleichsportals Geldanlage-digital.de analysiert.  

Vanguard und DKB nicht mehr am Start

Dabei war die Zinswende auch im Umfeld der Anlagealgorithmen Herausforderung und Chance zugleich: So haben sich Anbieter wie Vanguard und DKB aus dem Markt zurückzogen. "John Bogle und Vanguard, als Erfinder der Indexfonds für Privatanleger, sind bei ETF-affinen Privatkunden ein fester Begriff. Der große Zuspruch zur Robo-Lösung blieb aber aus. Aus meiner Sicht liegt die Zielgruppe von Vanguard grundsätzlich bei den preissensitiven Selbstentscheidern. Bei dieser angestammten Kundschaft rechtfertigte der Mehrwert der Lösung die aufgerufenen Gebühren des Robo-Angebotes nicht", erläuterte Marktexperte Wesselin Kruschev Ende 2023 das Aus im Gespräch mit springerprofessional.de. 

Andere Anbieter haben der aktuellen Studie zufolge hingegen durch die Integration von Zinsprodukten ihre Geschäftsmodelle erfolgreich diversifiziert und neue Kundengruppen angesprochen. "Zinsprodukte, unter anderem Tagesgelder und Geldmarktprodukte, sind traditionell ein Bereich, der von Banken abgedeckt wird. Sie sind aber auch ein wesentlicher Bestandteil innerhalb der eigenen Vermögensaufteilung, da Zinsprodukte oftmals eine liquide und sichere Anlagemöglichkeit darstellen", so die Autoren des Reports. 

Mit Zinsprodukten um neue Kunden werben

Durch die gestiegenen Zinsen habe sich das Interesse potenzieller Nutzer verändert. Insgesamt zwölf der untersuchten Services haben nun ein Zinsprodukt im Portfolio. "Davon vermitteln acht Anbieter klassische Tagesgelder und vier nutzen Geldmarktfonds oder Fonds-Mischprodukte als Vehikel", heißt es. Hierfür greifen bankunabhängige Robo Advisors ohne direkten Zugang zu Einlagenkonten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf Kooperationen zurück. 

Insgesamt wies das Gros der Robo Advisor im Jahr 2023 eine positive Performance aus, "je nach Höhe der Aktienquote auch im mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligem Bereich". Allerdings sei das für die Profitabilität ausschlaggebende Asset-Wachstum ausgeblieben. Laut Schätzungen des Münchener Analyse-Dienstleisters Extra ETF stagnieren die Assets under Management (AuM) branchenweit "im besten Fall". Im Gegensatz hierzu ist die Stimmung in den USA deutlich besser. Dies spiegele sich in den Aktienmärkten, wie auch den jeweiligen Wirtschaftszahlen wider.

Robos stärker trendorientiert

Um sich besser zu positionieren, bieten viele Robo Advisor zunehmend umfassendere Möglichkeiten zur ganzheitlichen Betreuung des Kapitals ihrer Kunden an. Die Branche richte sich stärker an makroökonomischen Trends und Konsumentenpräferenzen aus, erläutert Evergreen-Gründer Iven Kurz. Gerade die neuen Zinsangebote seien größtenteils sehr wettbewerbsfähig. 

Mittelfristig stellt allerdings eine wachsende Konkurrenz durch Neobanken eine Herausforderung dar. Der kürzlich erfolgte Launch des Revolut Robo Advisors markiere dabei nur den Anfang einer Reihe von Anbietern, die ähnliche Dienstleistungen einführen. Trading habe sich mittlerweile als unverzichtbares Feature der Institute etabliert. 

Neobanken ziehen Banking-Kunden an

"Mit eigener Banklizenz, digitaler Plattform und Zugang zu einer breiten Kundenbasis, von denen nicht alle aktiv handeln, bietet die digitale Vermögensverwaltung vielen Neobanken eine attraktive Möglichkeit, Banking-Kunden zu Investment-Kunden zu machen", so die Studienautoren. Auch Trade Republic, die durch das Trading-Feature im Markt bekannt wurden und mit ihrer Banklizenz nun verstärkt ins Bankgeschäft einsteigen möchten, sei ein potenzieller Kandidat für einen ETF-basierten Robo Advisor.

Zudem können die ab Sommer erwarteten Zinssenkungen das Geschäft deutsche Anbieter negativ beeinflussen. "Einerseits ist zu erwarten, dass das in Zinsprodukten angelegte AuM sinken wird. Andererseits ist es keineswegs gewiss, dass die Anlagen in risikoreichere Produkte entsprechend zunehmen werden. Ein Ausweg könnte die rechtzeitige Anpassung der Asset Allokationen hin zu Anleihenfonds mit längerer Laufzeit sein, die von Zinssenkungen profitieren könnten." Die Diversifikation über Asset Klassen werde daher an Bedeutung zunehmen.

Vermögende ins Visier genommen

Die Verschiebung des Fokus hin zu sogenannten High Net Worth Individuals, also vermögende Privatpersonen, wird sich laut Report fortsetzen. Diese werden sowohl digital als auch persönlich beraten und haben in der Regel ein zu geringes Vermögen für das klassische Private Banking oder eine zu hohe digitale Affinität. "Ein Eintreten der Neobanken in den Robo-Advisor-Markt kann diesen Shift noch verstärken, da die wenigsten Anbieter werbetechnisch mit der kapitalstarken Konkurrenz mithalten können und damit exklusivere Zielgruppen attraktiver werden", heißt es im Ausblick. 

Im Zuge dieser Entwicklung dürften auch alternative Assets künftig eine größere Rolle spielen. Die neue ELTIF-Regulierung zu langfristigen Investmentsfonds (European Long Term Investment Fund) liege mit ihren regulatorischen Auflagen  allerdings immer noch "deutlich über dem Niveau" vieler Robo Advisor. 

Warten auf "Klarheit vom Regulator"

"Bis vor kurzem bevorzugten Fintechs wie Econos, Exporo und Estate-Guru die Möglichkeit Schuldverschreibungen zu tokenisieren und über Marktplätze an Kunden bereitzustellen. Nachdem die Bafin dieses Vorgehen jedoch kritisiert und dem Anbieter Econos einen Riegel vorgeschoben hat, halten sich Banking-Partner bei dem Thema zurück und warten auf Klarheit vom Regulator", stellen die Studienautoren fest. Dennoch habe das Thema großer Relevanz, weil es eine deutliche Differenzierung vom sonst sehr homogenen ETF-Markt erlaube und damit deutlich höhere Margen rechtfertige.

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