„Es ist halt wiederum total super, ein Problem zu haben“ – Arnold Burk im mica-Interview - mica - music austria

„Es ist halt wiederum total super, ein Problem zu haben“ – Arnold Burk im mica-Interview

Erst mit 35 hat ARNOLD BURK zu singen begonnen, jetzt veröffentlicht er sein Debüt-Album „ELF STÜCKE MIT TEXT“. Davor hat er als MARTIN BURK ein instrumentales Jazz-Album herausgebracht, bei der Band FAINSCHMITZ ist er Kontrabassist. Sein DIY-Kraut-Pop-Album mit stilistisch vielfältigen Songs oszilliert zwischen Verletzlichkeit und Rebellion, Allgemeingültigkeit und Autobiographie. Im Interview mit Sophia Olesko erzählt er über den Entstehungs- und Entdeckungsprozess beim Produzieren, Reaktionen aus dem Publikum, welche Bibelstellen es beinahe aber dann eben doch nicht hineingeschafft haben sowie seine Definition des zuvor nicht existenten Genres „Kraut-Pop“.

Du hast mit 35 Jahren zu singen begonnen, bist aber schon lange Musiker.

Arnold Burk: Also selbst zu Singen war für mich ein riesengroßer Schritt und ich habe wirklich versucht, mich davor zu drücken. 2012 habe ich das Album „Selbstmord ist tödlich“ aufgenommen. Das besteht aus acht Instrumentalstücken zu denen sieben Texte gehören. Da standen Wörter und Musik noch neben einander. Der nächste Schritt war dann für Fainschmitz Songs mit Texten zu komponieren. Damit habe ich vor etwa sieben Jahren angefangen. Matthias Vieider, der Saxophonist und Sänger von Fainschmitz, weiß allerdings sehr genau was er singen will und was nicht und wollte oft etwas ändern. Mir hat das meistens überhaupt nicht gepasst und deswegen gab es oft lange Diskussionen. Wenn wir zu keinem Kompromiss gekommen sind, war sein berechtigtes Totschlagargument: “Ich will das nicht singen.“ Ich finde meine Texte allerdings super, deswegen muss ich es jetzt halt selber machen.

Ich habe in einem Interview gelesen, dass der Sänger von Fainschmitz ursprünglich auch nicht singen wollte.

Arnold Burk: Ja voll, deswegen gab es dann das Megaphon, hinter dem wollte sich Matthais etwas verstecken. Er nimmt generell vieles mit Humor. Was ich sehr an ihm schätze.

Du hast jetzt dein Soloprojekt, dein Debütalbum heißt „Elf Stücke mit Text“. Es geht um Wunden, Krieg, Heilung, Hoffnung, Depression, Familie, Rebellion, Tod und Abschied. Kann man das so sagen?

Arnold Burk: Ja, das kann man so sagen.

“Durch das selbst singen war es mir möglich sehr persönliche Dinge auszusprechen”

Wie ist das Album entstanden?

Arnold Burk: Ich habe vor gut drei Jahren begonnen an dem Album zu arbeiten. Durch das selbst singen war es mir möglich sehr persönliche Dinge auszusprechen. Dinge die nur authentisch wirken, wenn sie von der Person gesagt werden, die sie meint. Mit Corona ging es los, dass ich kaum Konzerte gespielt habe. Ich wollte versuchen ganz alleine Musik zu machen. Also Bass aufnehmen, Stimme aufnehmen und produzieren. Der Anspruch alleine Musik machen zu wollen, wurde absurd, als ich unbedingt Gitarren in manchen Stücken haben wollte. Da kam dann die Überlegung: „Ja, okay, dann muss ich jetzt anfangen, Gitarre zu lernen.“ Dann dachte ich: „So ein Quatsch. Du fragst jetzt Leute aus deinem Umfeld, ob sie dir Sachen einspielen können.“ David Schweighart, Jannis Klenke und Michael René Sell haben Gitarre eingespielt, Alexander Kranabetter Trompete und Michael Schatzmann hat dort Schlagzeug eingespielt, wo Schlagzeug live ist. Aber dieser Schritt zu sagen: „Ich schaffe es nicht allein.” Und dann zu: Ich möchte etwas von dir, aber wirklich Geld kann ich dir auch nicht geben, also jemanden um einen Gefallen zu bitten, fiel mir anfangs sehr schwer.

Der Titel „Elf Stücke mit Text“ klingt wie eine sarkastische Anspielung auf deine musikalische Vergangenheit – ist es das, oder woher kommt der Titel?

Arnold Burk: Eigentlich war meine Überlegung zu benennen, was es ist. Davor hatte ich ein paar andere Albumtitel, die dann aber entweder so pseudowitzig waren oder, wenn man sie von einer anderen Perspektive beleuchtet, sehr schwermütig. Ich wollte auch nicht, dass der Albumtitel noch eine weitere Ebene hinzufügt. Der Titel ist der Versuch zu beschreiben, was es ist, ungeschminkt. Und es sind halt elf Stücke mit Text. Was ich dadurch auch wieder lustig finde.

Arnold Burk © David Visnjic

Der Humor zieht sich sowieso durchs ganze Album, ein relativ derber Humor teilweise. Was ist deine Lieblingsnummer vom Album?

Arnold Burk: Am stolzesten bin ich auf „Ich denk an dich“. Ich finde, dass die Nummer für sich, in sich geschlossen ist. Sowohl auf inhaltlicher und textlicher Ebene, als auch vom musikalischen Rahmen. Die kann man so hinstellen und sagen: „So, das ist es.” Bei vielen anderen Stücken kann man mit einer anderen Perspektive sagen: Naja, wenn du meinst… „Ich denk an dich“ ist ein Statement. Setzt einen schönen Punkt. Will nicht mehr sein, als es ist und sagt gleichzeitig aus, was es aussagen möchte.

Es ist eine schöne Nummer, die letzte vom Album. Zwei Singles hast du schon released, „Parkhausdeck“ sowie „Unten“, wo du den Bogen von Berlin nach Wien spannst – wie ist der Song entstanden?

Arnold Burk: Also diese Brücke von Berlin-Wien hat für mich persönlich einen relativ realen Bezug. Letztendlich geht’s aber ums Weglaufen vor Problemen. Der Wunsch, wenn ich etwas an einem äußeren Rahmen verändere, sich etwas auflöst, was eigentlich bei einem selber liegt.

Wenn man das Album hört fragt man sich, ob es autobiografisch ist oder eher die Ausverhandlung gesellschaftlicher Themen. Ist es beides?

Arnold Burk: Ja, auf jeden Fall.

Du hast schon deine echten Namen „Martin“ und „Arnold“ für deine Kunst verwendet. Was ist für dich Martin Burk, was macht Arnold Burk?

Arnold Burk: Die Sachen wo ich singe, nenne ich Arnold, alles was ich in einen jazzigen-Kontext stopfe, würde ich Martin Burk nennen. Wobei jazziger Kontext erstmal nicht geplant ist. Man muss sich nun mal für Sachen entscheiden und etwas fertig zu machen, wirklich abzuschließen, dauert viel länger, als ich wahr haben will.

Dementsprechend habe ich entschieden, dazu zu stehen, jeden Ausdruck, jedes Gefühl, jeden Inhalt zuzulassen

Die Nummer, „Parkhausdeck“ hast du drei Mal aufgenommen, bis sie was geworden ist. Wie war der Lernprozess für dich beim Produzieren?

Arnold Burk: Das war ziemlich intensiv, weil ich erst im Prozess rausgefunden habe, was ich haben will. Ich musste unglaublich oft die Strophen einsingen, um rauszufinden, wie ich sie eigentlich meine. Ich habe erst beim Machen gemerkt, wie das funktioniert. Das mit der Stimme. 

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Du hast drei Songs am Album, die so richtig radiotauglich sind. Ab dann brichst du mit Erwartungen. Passiert das im Prozess oder ist das schon auch Absicht?

Arnold Burk: Ich denke jeden Song sehr für sich, was Inhalt und die musikalische Wirkung betreffen. Das Brechen ist für mich der rote Faden des Albums. Ich finde es auch seltsam zu sagen, man bleibt in einem Genre oder einer Stimmung und zu entscheiden: Ich mache jetzt zehn Stücke, die relativ ähnlich klingen.

Warum?

Arnold Burk: Weil es meiner Meinung nach den meisten Inhalten nicht gerecht wird und ein ganzes Album oft um einen Song gebaut wird und dann muss es irgendwie ähnlich klingen. Und dann braucht es meiner Meinung nach, oft das Drumherum nicht. Dementsprechend habe ich entschieden, dazu zu stehen, jeden Ausdruck, jedes Gefühl, jeden Inhalt zuzulassen. Aber dadurch entstehen halt relativ viele Brüche. Oder es braucht dann halt mal – wie bei „Laptop“ – einen Technobeat oder wie bei „Kind meiner Eltern“ eine Dreivierteltakt-Zirkusnummer, um dem gerecht zu werden, was das Stück will.

„Kind meiner Eltern” hat einen krassen Text. Ich bin generell zwischen lautem Lachen, auch beim Lesen deiner Pressetexte, und Hände-vor-den-Mund-Schlagen gewechselt. Hören deine Eltern deine Musik?

Arnold Burk: Ich habe das Album mit meinen Eltern zusammen angehört, ja.

Wie war die Reaktion?

Arnold Burk: „Ja, wenn du meinst“. Und da ist eben dieser schmale Grat zwischen Allgemeingültigkeit und autobiografischem. Und ich schwanke selber zwischen: Genauso wie ich es sage, habe ich es erlebt, und: Ich sage das als außenstehender Beobachter.

Generell sehe ich es total kritisch, zu sagen, Kunst machen ist therapeutisch

Wie ist so generell die Reaktion auf die Texte?

Arnold Burk: Ich habe erlebt, dass die einfache und klare Sprache gut angenommen wird. Manche reagieren auch mit: Okay, ist nicht meins, aber krass, gar nicht unbedingt positiv krass, dass du etwas so deutlich aussprichst.

Also ich kann mir vorstellen, dass es auch polarisierend ist.

Arnold Burk: Es ist halt wiederum total super, ein Problem zu haben. Wenn man ein Problem hat, das man nicht lösen kann, kann man sich sehr gut damit beschäftigen und kann sehr gut Verantwortung abgeben. Was sich thematisch durchzieht, ist ja viel Kindheit, viel Eltern, da kann man sich sehr gut im Kreis drehen, wenn man möchte. Schuld abgeben und zuweisen und gleichzeitig ist so eine Eltern-Kind-Beziehung ja fast das Verletzlichste, was es gibt. Öh… eigentlich hat meine Antwort nichts mit deiner Frage zu tun.

In deinem Pressetext steht, dass du Meister bist, Probleme zu finden, die keine sind und Lösungen zu suchen, wo keine sind. Aber ich denke, dass es für Leute auch irgendwie befreiend sein kann, deine Stücke zu hören.

Arnold Burk: Ja, es zu schaffen, einem Gefühl oder Gedanken eine Form zu geben, nehme ich als sehr befreiend wahr. Durch das Externalisieren kann es ja auch verändert werden. Andersherum erlebe ich es als wunderschön, wenn eine Person etwas eine Form gibt, was man bisher selbst nicht greifen konnte. Ich glaube, dass es da viel um Gesehenwerden geht. Sowohl von der Seite der aussprechenden Person als auch der Hörenden. Gleichzeitig liegt es nicht in meiner Hand, wie etwas aufgefasst wird oder verstanden.

Du machst ja auch eine Musiktherapieausbildung in Berlin. Das Album wirkt ein bisschen wie deine eigene Musiktherapie. Ist es so?

Arnold Burk: Generell sehe ich es total kritisch, zu sagen, Kunst machen ist therapeutisch. Es ist mehr das Ausdrücken von einem Gedanken oder einem inneren Zustand. Das löst es aber bei mir nicht auf. Natürlich ist es total angenehm, etwas auszusprechen und eine Form zu geben. Es ist aber keine Lösung.

Du machst Kraut-Pop, was ist deine Definition?

Arnold Burk: Ich habe es gegoogled und das gibt´s so nicht. Sich selber in ein Genre einzuordnen, mache ich sehr ungern. Es ist aber auch absurd zu sagen, man passe nirgendwo rein, das stimmt ja auch nicht. Ich finde Kraut-Pop ziemlich treffend, da die musikalischen Strukturen bei den meisten Songs poppig sind und gleichzeitig die Umsetzung DIY-Indie ist und sich erlaubt, viel mehr Elemente hinzuzufügen, als typischer Indie-Pop.

Oder es sprießt, so wie es grad kommen mag, vielleicht.

Arnold Burk: Ja, voll.

Zum Beispiel der Song “Laptop”, ein „kakophonischer Diamant“.

Arnold Burk: [lacht]

Stilistisch ganz anders, als die anderen Songs. Wie ist der dahergekommen?

Arnold Burk: Ganz klischeehaft, der war einfach da. Ich glaube, es hat keine 1,5h gedauert, dann war das ziemlich genau so fertig. Die Idee war da und das dann auszuprobieren ging sehr schnell und hat unfassbar viel Spaß gemacht. Ich musste viel dabei lachen.

Arnold Burk © David Visnjic

Ich musste beim Hören auch lachen. An anderen Songs arbeitest du also länger, wie lang etwa?

Arnold Burk: Teilweise ewig. Es ist komplett unterschiedlich und relativ oft so, dass ein Refrain da ist oder eine Grundidee und dann das Fertigmachen, das Abschließen, es zusammenzusetzen, teilweise sehr lange dauert. Zum Beispiel bei „Wachsen“ hatte ich zwei komplett andere Strophenansätze, als die endgültigen.

“Ich wollte nicht, dass mich jemand sieht und gleichzeitig war mir bewusst: Da führt kein Weg dran vorbei”

„Wachsen“ klingt ein bisschen wie ein Hörspiel.

Arnold Burk: Ja genau. Der erste Ansatz war, aus der Bibel vorzulesen. Einmal die Schöpfungsgeschichte als Strophe und in der zweiten Strophe der Turmbau zu Babel, bis ich gedacht habe: Lass die Bibel in Ruhe, das interessiert doch niemanden.

Witzig, dass das Album knapp an der Bibel vorbeigeschrammt ist. Gibt es auch Songs, die es nicht raufgeschafft haben?

Arnold Burk: Ja, zwei. Die wären stilistisch noch weiter weggegangen. Es war eine schwere Entscheidung sie wegzulassen, aber ich bin froh es gemacht zu haben.

Du hast auch zwei Videos veröffentlicht, wie ist es zu ihnen gekommen?

Arnold Burk: Die habe ich mit Pia Wilma Wurzer und Michael René Sell gemacht, das war auch ein großer Prozess für mich. Mich als Person bildlich darzustellen, war erstmal sehr fremd und beängstigend. Ich wollte nicht, dass mich jemand sieht und gleichzeitig war mir bewusst: Da führt kein Weg dran vorbei. Es kommt auch noch das Laptop-Video, da bin ich nicht zu sehen, sondern ein Äffchen. Es kommt mit dem Album raus.

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Was sind die Zukunftspläne, mit Arnold Burk und Fainschmitz?

Arnold Burk: Das Releasekonzert ist am 07.06. im Rhiz, sehr viel weiter als dieses Konzert denk ich gerade nicht. Ich bin gerade am Schreiben für die nächste EP für Arnold Burk. Mit Fainschmitz arbeiten wir am nächsten Album und das werden wir wahrscheinlich im Herbst aufnehmen. Und der Plan ist, 2025 wieder mehr zu spielen.

Wer ist in deiner Band für das Releasekonzert?

Arnold Burk: Am Schlagzeug ist Michael Schatzmann, ein unglaublich guter Freund von mir, der ein unfassbar toller Musiker ist, Fabian Pollak ist Gitarre und Anna Hlavka am Keyboard.

Danke für das Gespräch!

Arnold Burk: Danke für das Interview.

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Sophia Olesko

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Arnold Burk live

07.06. Releasekonzert im Rhiz, Wien (AT)

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